Bad Bramstedt. Der Ausbruch wirft ein Schlaglicht auf prekäre Arbeitsverhältnisse in der Fleischbranche. Land will Corona-Tests durchführen.
Bis zu 3200 Rinder können pro Woche im Vion- Schlachthof in Bad Bramstedt geschlachtet werden. Doch der laut Firmenangabe „wichtigste Rinderbetrieb in Norddeutschland“ ist seit neun Tagen geschlossen. Vion hatte nach einer Reihe von Corona-Fällen „Betriebsferien“ verhängt. Aber nun macht das Unternehmen Druck, um seinen Schlachthof möglichst rasch wieder zu öffnen. „Vion hat mit Klage gedroht, falls wir die Quarantäne nicht lockern“, sagt Torsten Wendt, Landrat des Kreises Steinburg. Susanne Uhl, Geschäftsführerin des DGB Schleswig-Holstein Nordwest, sagt: „Vion will trotz Corona weiter ungehindert Geschäfte machen.“ Das sei „zynisch“.
Die Corona-Fälle rund um den Schlachthof werfen ein Schlaglicht auf die prekären Beschäftigtenverhältnisse in der Fleischbranche. Viele Betriebe umgehen Schutzbestimmungen, indem sie einen Teil der Arbeit von Subunternehmern erledigen lassen. In Bad Bramstedt ist das die Deutsche Schlacht und Zerlegung (DSZ) mit Sitz in Krefeld. Die rund 110 Mitarbeiter sind in Kellinghusen in der ehemaligen Liliencron-Kaserne untergebracht. Dort gab es auch die ersten Corona-Fälle. Mittlerweile sind 77 DSZ-Mitarbeiter infiziert. Sie stammen vorwiegend aus Rumänien und Albanien.
Gesamtzahl der Corona-Betroffenen im Schlachthof hat sich auf 125 erhöht
In der Kaserne gibt es Zweibettzimmer, Gemeinschaftswaschräume und eine Gemeinschaftsküche – idealer Nährboden für eine rasche Zunahme der Infektionen. Landrat Wendt tat das einzig Richtige: Er ordnete die gemeinsam untergebrachten DSZ-Mitarbeiter als häusliche Gemeinschaft ein und stellte alle unter Quarantäne – Gesunde wie Erkrankte. Dagegen richtet sich die Klageandrohung von Vion. Doch Wendt wird die Quarantäne aufrechterhalten. „Ich habe für Vion null Verständnis“, sagt er. Die Firma sagt, sie habe vergeblich versucht, mit dem Kreisgesundheitsamt in Kontakt zu treten. Deshalb habe man dann das Anwaltsschreiben geschickt.
Weil es nun auch unter der Stammbelegschaft des Schlachthofs Infektionen gibt, hat sich die Gesamtzahl der Betroffenen auf 125 erhöht. Der Schlachthof ist plötzlich ein Corona-Hotspot. Von den 270 Neuinfektionen, die Schleswig-Holstein seit 30. April gemeldet hat, gehen fast die Hälfte aufs Vion-Konto. Ist es da denkbar, dass der Schlachthof den Betrieb wieder aufnimmt? Vor Ort ist man offenbar nicht abgeneigt. Der Landrat des Kreises Segeberg, Jan Peter Schröder, geht davon aus, dass eine Öffnung nicht zu verhindern ist: „Immer wieder werde ich gefragt, warum der Kreis den Betrieb nicht einfach stilllegt. Die Antwort: Rechtlich haben wir dafür keine Handhabe.“ Ohnehin gibt es im Kreis eine große Nähe zwischen Politik und Vion. Demnächst wird sich wohl ein Kreisveterinär vor Gericht verantworten müssen. Ihm wird vorgeworfen, bei illegalen Tötungen 2011 bis 2014 weggeschaut zu haben.
Umstrittene Methoden der Fleischbranche
Die umstrittenen Methoden der Fleischbranche sind seit Jahren bekannt. Zwar gibt es seit 2015 eine Selbstverpflichtung der großen Firmen wie Vion und Tönnies, Subunternehmer außen vor zu lassen und die Stammbelegschaften zu vergrößern. „Aber das Gegenteil ist geschehen“, sagt Susanne Uhl vom DGB. Einige Schlachthöfe hätten mittlerweile gar keine eigenen Schlachter und Zerleger mehr. Uhl: „Die kommen alle von Subunternehmern.“ Bis zu 80 Prozent der Beschäftigten seien solche Werkvertragsmitarbeiter.
Und die müssen oft mit dem Arbeitsvertrag einen Mietvertrag unterzeichnen. Pro Bett in der Unterkunft müssen nach Erkenntnissen des DGB 150 bis 300 Euro im Monat gezahlt werden. Wer das nicht will, bekommt den in Ländern wie Rumänien durchaus begehrten Arbeitsvertrag nicht.
Schleswig-Holstein will nun erst einmal 2400 Mitarbeiter von großen Betrieben im Land einem Corona-Test unterziehen. Betroffen sind Schlachthöfe in Böklund, Satrup, Husum, Timmendorfer Strand und Kellinghusen. Uhl findet etwas anderes wichtiger: „Die Werkvertragsbeschäftigten sollten einzeln untergebracht werden.“ Das schreiben übrigens seit April auch spezielle Corona-Arbeitsschutzbestimmungen vor.