Kiel/Hamburg. Durchsuchungen in 110 Objekten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Es geht auch um Schleuser.

Es ist eine der größten Razzien der jüngsten Geschichte in Norddeutschland: Bei der Aktion mit 1200 Beamten sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen gegen mutmaßliche Schleuser und Steuerhinterzieher vorgegangen. Seit 4 Uhr am frühen Morgen vollstreckten die Einsatzkräfte mit Unterstützung von 13 Staatsanwälten Durchsuchungsbeschlüsse gegen rund 50 Beschuldigte in etwa 110 Wohn- und Firmenräumen mit Schwerpunkt in Bad Bramstedt und Neumünster. In Hamburg wurde in Bergedorf je eine Privat- und Geschäftsadresse durchsucht.

Grund der Razzia: der Verdacht des schweren Sozialversicherungsbetrugs, der schweren Steuerhinterziehung, des Einschleusens von Ausländern und der Passfälschungen. Im Fokus stehen zwei Hauptverdächtige, die verantwortlich für zwei Firmen sind. Einer der Männer wurde in Schleswig-Holstein, der andere in Nordrhein-Westfalen verhaftet. "Sie kommen im Laufe des Tages vor einen Haftrichter", sagte Oberstaatsanwalt Henning Hadeler.

Beschuldigte mit Netzwerk von Scheinfirmen gearbeitet

"Die Ermittlungsverfahren richten sich gegen zahlreiche Firmeninhaber überwiegend ausländischer Herkunft, die über mehrere Jahre Arbeiter als Eisenflechter zur eigenen Gewinnmaximierung 'schwarz' beschäftigt und zur Verschleierung dieser Schwarzarbeit ein bundesweit organisiertes Netzwerk von Scheinfirmen verwendet haben sollen", heißt es in der aktuellen Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Die Schwarzarbeiter sollen überwiegend aus Rumänien und Bulgarien kommen.

Zudem sollen auch Arbeiter aus Drittstaaten, die über keine Aufenthaltstitel verfügten, eingesetzt und mit gefälschten Pässen ausgestattet worden sein – sie sollen mithilfe gefälschter rumänischer und bulgarischer Pässe als EU-Bürger auswiesen worden sein. Nach Abendblatt-Informationen handelte es sich dabei etwa um Kosovaren und Mazedonier. Somit richtet sich die Razzia auch gegen die illegalen Arbeiter. Die mutmaßlichen Hintermänner stammten ebenfalls weit überwiegend aus Südosteuropa.

Auch Betrug mit Hartz-IV-Leistungen ist Teil der Ermittlung

Die Einsatzkräfte beschlagnahmten am Dienstagmorgen umfangreiches Beweismaterial. "Wir erwarten ein großes Volumen, vor allem an Akten und Datenträgern", sagte Oberstaatsanwalt Henning Hadeler. Wegen der Verjährungsfrist drehten sich die Ermittlungen um mögliche Straftaten in den vergangenen fünf Jahren.

Die Verdächtigen sollen die Straftaten mit unterschiedlichem Vorgehen begangen haben. "Eine Gemeinsamkeit bestehe darin, dass die Tätigkeiten der Arbeiter nicht in vollem Umfang angemeldet wurden", so der Oberstaatsanwalt. Zudem sei möglich, dass eingeschleuste Ausländer auch Sozialleistungen bezogen, gleichzeitig aber schwarz gearbeitet hätten. "Das ist Gegenstand der Ermittlungen", sagte Hadeler.

Großer Schaden für Deutsche Rentenversicherung

Zudem wurden 13 sogenannte Vermögensarreste mit einem Volumen von 4,5 Millionen Euro vollstreckt. "Bei der Summe handelt es sich um den Schaden, der den Sozialkassen entstanden ist, vor allem der Deutschen Rentenversicherung", so Oberstaatsanwalt Henning Hadeler. Nun werde versucht, Vermögen zu sichern – in Form von Bargeld, aber auch Immobilien und anderen Vermögensgegenständen.

Bei der Aktion handelt es sich um eine gemeinsame Maßnahme der Staatsanwaltschaft Kiel, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Kiel, der Steuerfahndung Kiel, der Bundespolizei in Rostock sowie der Landespolizei. "Es ist eine der größten Maßnahmen dieser Art." Der Razzia am Dienstag seien langwierige Ermittlungen vorausgegangen, die "einige Monate" in Anspruch genommen haben.