Bonn/Kiel . Die jahrelange Reparatur soll statt ursprünglich veranschlagter 10 Millionen inzwischen 135 Millionen Euro kosten.
Der Bundesrechnungshof hat wegen der explodierenden Kosten ein Prüfverfahren im Fall des Marine-Segelschulschiffes „Gorch Fock“ eingeleitet. Die jahrelange Reparatur soll statt ursprünglich veranschlagter 10 Millionen inzwischen 135 Millionen Euro kosten. „Wir haben im Juni eigene Prüfer in die Werft geschickt, die sich das Schulschiff angeschaut haben“, sagte ein Sprecher des Rechnungshofes am Mittwoch in Bonn. Zuvor hatte NDR 1 Welle Nord berichtet.
Über den konkreten Prüfauftrag machte der Sprecher keine Angaben. Generell prüfe man die Ordnungsmäßigkeit, also ob ein Auftrag korrekt ausgeschrieben wurde, und die Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme.
Altmann: "Trauerspiel ohne Ende"
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler Schleswig-Holstein, Aloys Altmann, sprach am Mittwoch in Kiel von einem „Trauerspiel ohne Ende“. Die Darstellung von NDR 1 Welle Nord, dass seit 2004 inklusive der laufenden Sanierung die „Gorch Fock 175 Millionen Euro verschlungen habe, dürfte von der Größenordnung stimmen, sagte Altmann.
Bereits vor vielen Jahren habe der Steuerbund geraten, ein Neubau eines Segelschulschiffes käme viel günstiger als die vielen Reparaturen. So habe das 2011 fertiggestellte private Segelschulschiff „Alexander von Humboldt II“ - ein Dreimaster wie die „Gorch Fock“ - nur etwa 16 Millionen Euro gekostet. Dagegen sei die 1958 in Dienst gestellte „Gorch Fock“ „ein Fass ohne Boden“. Auch wenn ein Marine-Schulschiff sicherlich andere Voraussetzungen benötige, wäre ein Neubau längst nicht so teuer gekommen.
Ursula von der Leyen fordert höheren Etat
Der frühere Präsident des Landesrechnungshofes kritisierte auch, dass es für die Reparaturen keine Ausschreibung gegeben habe. „Seit Jahren erhält immer wieder die Elsflether Werft in Niedersachsen die Aufträge, obwohl sie nicht einmal ein geeignetes Dock hat.“ Die Elsflether Werft nutzt für die „Gorch Fock“ ein Trockendock der Bredo Werft in Bremerhaven - dort liegt die Bark seit dem 4. Januar 2016. „Dem Verteidigungsministerium fehlt es nicht an Geld, sondern es fehlt an Verstand“, sagte Altmann mit Blick auf Forderungen von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nach einem höheren Etat.
Die „Gorch Fock“ ist für die Marine mehr als nur ein Schulschiff. „Sie ist ein wertvoller Bestandteil in der seemännischen Tradition und auch eine Botschafterin Deutschlands in Weiß auf den Weltmeeren“, hat das Verteidigungsministerium immer wieder betont. Marinesprecher verwiesen in der Vergangenheit darauf, dass sich das ganze Ausmaß des Reparaturbedarfs erst nach und nach gezeigt habe.
Bundeswehr kann Geheimhaltung verlangen
Zu welchem Ergebnis der Bundesrechnungshof bei seiner Prüfung in der Causa „Gorch Fock“ kommt, wird möglicherweise nicht veröffentlicht. Zunächst werde in einigen Monaten ein vorläufiger Prüfbericht erarbeitet und ans Verteidigungsministerium geschickt - es soll sich dazu äußern können, erläuterte der Sprecher des Bundesrechnungshofes. Mit der Stellungnahme, die etwa drei bis sechs Monate dauern könne, werde dann der endgültige Prüfbericht erstellt. Die Bundeswehr könne aber Geheimhaltung verlangen, daran müsse sich dann der Rechnungshof halten. Dies sei schon bei einer früheren Reparatur der „Gorch Fock“ der Fall gewesen und komme bei Bundeswehrprojekten immer wieder vor.
Seit fast 60 Jahren gleitet der Windjammer durch die Meere. Das 89 Meter lange Schulschiff mit seinen bis zu 45 Meter hohen Masten wurde bei Blohm+Voss in Hamburg gebaut. Die erste Ausbildungsfahrt führte vom Heimathafen Kiel nach Teneriffa. Im Herbst 2015 hieß es „Leinen los“ für die 168. und bisher letzte Ausbildungsfahrt nach Norwegen und Schottland. Etwa 15 000 Männer und Frauen der Marine - darunter praktisch alle Offiziersanwärter - haben ihre seemännische Basisausbildung auf der Bark absolviert. Schiff und Besatzung legten mehr als 750 000 Seemeilen zurück.
In diesem Sommer nutzt die Marine das rumänische Segeleschulschiff „Mircea“ - wie bereits 2017 - als Ersatz für die „Gorch Fock“. Sie soll voraussichtlich im Frühjahr 2019 wieder der Marine zur Verfügung stehen wird. Die Runderneuerung des Dreimasters soll eine Nutzungsdauer über das Jahr 2040 hinaus ermöglichen.