Flensburg/Wittdün. Zwei Amrumer töten einen Flüchtling aus dem Irak. Landgericht Flensburg verhängt lange Haftstrafen.
Vor Krieg und Gewalt war er geflohen – aus dem Irak ins friedliche Deutschland. Am Strand von Wittdün auf der Insel Amrum wurde er im April vergangenen Jahres brutal getötet. Erst schlugen sie Ceetin K. eine Flasche auf den Kopf, dann stachen sie mit einem Küchenmesser auf ihn ein, dann buddelten sie in den Dünen ein zwei Meter tiefes Loch und warfen den Leichnam hinein. Am Dienstag wurden die Täter, zwei Amrumer, zu Haftstrafen verurteilt. Marwin H. (20) bekam eine Jugendstrafe von siebeneinhalb Jahren, Maxim A. (27) lebenslänglich.
Eine Mixtur aus Leidenschaft, Eifersucht und Rache hat auf der Ferieninsel Amrum zu einer Explosion der Gewalt geführt. Alle Beteiligten kennen sich. Im Mittelpunkt: die damals minderjährige Schwester von Marwin H., die mit Maxim A. liiert ist. Alle wohnen im selben Haus bei der Mutter von H. Der damals 26-jährige A. erklärte der Polizei nach seiner Festnahme, er habe auf dem Handy seiner Freundin Fotos gefunden, die sie und Ceetin K. in halbwegs verfänglichen Positionen zeigte.
Eifersucht und Rache führten zum Mord
Maxim A., der von Zeugen als „eifersüchtig“ und „angeberisch“ bezeichnet wird, stellt seine Freundin zur Rede. Die behauptet, von Ceetin K. vergewaltigt worden zu sein. H. hätte nun seine Freundin überreden können, zur Polizei zu gehen. Aber das tut er nicht. Ohnehin bleibt es unklar, ob es diese Vergewaltigung je gegeben hat. Die Freundin sagt im Prozess nicht aus. Sie machte vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, das ihr als Schwester eines der beiden Angeklagten zusteht. In der Urteilsbegründung heißt es am Dienstag, es könne offen bleiben, ob es die Vergewaltigung gegeben habe.
A. sinnt jedenfalls auf Rache. Am 27. April bespricht er sich abends, nach seinem Job in der Strandgastronomie, erst mit seinem Freund Marwin A. Dann gehen sie zu Ceetin K., den sie kennen, und laden ihn ein, mit ihnen in die Dünen zu kommen. Gemeinsam trinken sie eine Flasche Jägermeister. Dann wirft A. dem Iraker plötzlich vor, die Freundin vergewaltigt zu haben. Ceetin K., so erzählt es H. vor Gericht, habe erst geschwiegen, dann aber irgendwann gesagt, es tue ihm leid. Dann töten die Männer ihn.
Täter werden zu Flüchtenden
Eine Woche nach der Tat verlassen sie die Insel. Sie werden zu Flüchtenden – wohl aus Angst, dass das Verbrechen auffliegen könnte. Das tut es aber zunächst nicht. Immerhin beginnt die Amrumer Polizei, nach den Vermissten zu suchen. „Die Kriminalpolizei Niebüll und die Polizeistation auf Amrum suchen drei junge Männer, die seit Anfang Mai von der Insel verschwunden sind und sich bisher nicht mehr gemeldet haben. Die drei sind miteinander bekannt und wurden zuletzt am 3. Mai gesehen“, heißt es in dem Aufruf, der mit der Bitte an etwaige Hinweisgeber verbunden ist, sich bei der Polizei zu melden. Die Zeitangabe ist falsch. Am 3. Mai war Ceetin K. bereits seit Tagen tot.
Im Juli werden die beiden Amrumer wieder auf der Insel gesehen, auf der Fähre erkennt man sie. Im Oktober werden sie in Chemnitz festgenommen. Maxim A. schweigt, auch im Prozess selbst äußerte er sich nicht. Der Jüngere, Marwin H., packt aus – allerdings erst, nachdem seine Mutter, die bereits am Tatabend von dem Geschehen erfahren haben soll, ihn per Telefon auffordert, die Wahrheit zusagen.
Leiche weist Stichverletzungen auf
Auf Amrum beginnt die Suche nach dem Leichnam von Ceetin K. Am 12. Oktober werden die Ermittler fündig. Der Körper weist viele Stichverletzungen auf.
In dem Urteil vom Dienstag heißt es, das Gericht „sei überzeugt, der jüngere Angeklagte H. habe dem Geschädigten nach einem zuvor verabredeten Zeichen des Angeklagten A. mehrfach mit einer Flasche in das Gesicht geschlagen. Sodann hätten beide den am Boden liegenden Geschädigten geschlagen, getreten und schließlich mit einem Messer abwechselnd tödliche Schnitt- und Stichverletzungen beigebracht“.
Das Gericht sah das Mordmerkmal der Heimtücke als gegeben an. Die Angeklagten hätten sich in freundschaftlicher Atmosphäre mit dem Geschädigten unterhalten und ihn unvermittelt in einer Situation angegriffen, in der er keinen Angriff erwartet habe.
Für den jüngeren Angeklagten wendete das Gericht aufgrund des Alters und der Persönlichkeitsentwicklung das Jugendstrafrecht an. Das Höchstmaß der dort vorgesehenen Jugendstrafe beträgt zehn Jahre. Mit siebeneinhalb Jahren Strafe blieb das Gericht nur wenig darunter.