Bad Segeberg. Old Surehand feiert Premiere in Bad Segeberg. Peter Harry Carstensen eröffnet 66. Karl-May-Spiele für Ministerpräsident Albig.
7500 Zuschauern läuft ein Schauer über den Rücken, als endlich die berühmte Winnetou-Melodie des Komponisten Martin Böttcher erklingt. Das ist der Moment, auf den alle gewartet haben: Winnetou reitet erhaben ein, steigt vom Pferd und begrüßt die versammelten Indianer. Zu hören ist – nichts.
Schauspieler Jan Sosniok steht etwas verunsichert neben seinem Pferd Iltschi, das Publikum amüsiert sich über die Panne zu Beginn des Stücks. Das Lachen wird lauter, als ein Tontechniker in Cowboymontur auf die Bühne schleicht, um dem Häuptling der Apachen ein neues Mikro umzuhängen. Regisseur Norbert Schultze jr. bleibt entspannt. „Das passiert eben mal“, sagt er. „So etwas wird es auch bei den kommenden Aufführungen immer wieder geben.“
Albig wollte nicht zur Premiere
Der Mikrofonausfall war kein schlechtes Omen für die 66. Inszenierung der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg: Nach einem etwas langatmigen Auftakt, bei dem einige Szenen nicht flüssig ineinander übergingen, war die Premiere von „Old Surehand“ schließlich doch noch ein schöner Erfolg. Schleswig-Holsteins früherer Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hatte die Saison 2017 mit einem Revolverschuss eröffnet, weil der scheidende Ministerpräsident Torsten Albig nicht mehr kommen wollte und der neue noch nicht im Amt ist. Danach folgte eine Aufführung, die nach bewährtem und erfolgreichem Muster ablief: Spannung, Action, Komik, ein bisschen Liebe, viele Tiere und viele Stars – das erwarten die Karl-May-Fans, und genau daraus haben Regisseur Norbert Schultze jr. und Bühnenautor Michael Stamp ein rundes Abenteuerstück zusammengerührt, bei dem alle ihren Spaß haben.
Neben Jan Sosniok, der den Winnetou souverän zum fünften Mal spielt, steht Musicaldarsteller Alexander Klaws als Titelfigur Old Surehand im Mittelpunkt des Stücks. Er fällt in die Hände des jungen Comanchenhäuptlings Apanatschka und dessen diabolischen Medizinmanns Tibo-taka, landet am Marterpfahl und wird schließlich mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Am Ende des Stücks weiß er endlich, wer Mutter und Bruder sind. Nebenbei findet er seine große Liebe: Die bildschöne Indianerin Lea-thsina, munter gespielt von TV-Serienstar Sila Sahin, verliebt sich unsterblich in Old Surehand. Die Kussszene wird von den Zuschauern bejubelt.
„Old Surehand“ – eine gefeierte Premiere am Kalkberg
Immer wenn die Spannung steigt, kommen die Karl-May-Komiker als Gegenpole zum Zuge. In dieser Inszenierung sorgt der französische Meisterkoch François (Patrick L. Schmitz) für Klamauk: Er schlägt die Gegner mit einem steinharten Baguette und einer Bratpfanne reihenweise k. o. und sorgt mit französischem Akzent für gute Laune: „Der ’at ein Gesischt wie eine Sauce bolognese!“ Und fügt erklärend hinzu: „Isch wollte nicht ’ackfresse sagen ...“ Da geht vieles hart an der Klamotte vorbei, aber auch das kennen die eingefleischten Karl-May-Fans schließlich. Nicht alle Gags zünden, und etwas weniger derber Humor hätte das Stück noch besser gemacht.
Carrière schreitet wie James Bond
Für den tagesaktuellen Humor sorgt ausgerechnet der Fiesling General Douglas, der von Mathieu Carrière unnachahmlich lässig gespielt wird. „Was? Ein Fiesling im Weißen Haus, wer glaubt denn so etwas?“ Er sagt es wie nebenbei, sodass es einige Sekunden dauert, bis die Zuschauer den Witz verstehen, lachen und Beifall klatschen. Carrière, der stolz wie James Bond durch die Arena schreitet, und sein Gangsterfreund Joshy Peters (Old Wabble) sind die herausragenden Darsteller der Inszenierung. Auch stimmlich sind sie vielen anderen überlegen. Dazu passt eine andere charaktervolle Stimme, die aus dem Off zugeschaltet wird: Reiner Schöne ist wieder der markante Erzähler, der den Handlungsrahmen erklärt und die Zuschauer darauf hinweist, wo die Szenen spielen.
Alexander Klaws wirkt als Old Surehand sehr brav und etwas zu jugendlich. Ihm hätten mehr Ecken und Kanten gutgetan, wenngleich er bei den Kampfszenen immer wieder herausragende Auftritte hatte. Seinen größten Auftritt hatte er aber während des Premierenfeuerwerks, als er seinen Hit „Free Like The Wind“ sang.
Zum Ende gewaltige Explosionen
Natürlich geht auch dieses Karl-May-Abenteuer gut aus. Winnetou und Old Surehand schweben an einem Stahlseil durch die Arena – gerade rechtzeitig, um die Gangster zu besiegen. Mit gewaltigen Explosionen, waghalsigen Kletterpartien und spektakulären Abstürzen in tiefe Schluchten endet die 66. Karl-May-Inszenierung. 366.000 Besucher sorgten im vergangenen Jahr für einen Zuschauerrekord, in diesem Jahr sollen es nach Möglichkeit noch mehr werden. Aber schon bei 200.000 Besuchern sind die Produktionskosten von rund 4,6 Millionen Euro gedeckt.
Old Surehand wird bis zum 3. September jeweils donnerstags, freitags und sonnabends um 15 und 20 Uhr, sonntags um 15 Uhr gespielt. Tickets gibt es unter www.Karl-May-Spiele.de, unter der Hotline 01805/95 21 11 oder bei allen bekannten Vorverkaufsstellen.