Bad Segeberg. Die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg sind Kult. Mit der gefeierten Premiere von „Old Surehand“ startete am Sonnabend die neue Saison.

„Ein mieser Charakter im Weißen Haus - wer glaubt denn sowas?!“ Mathieu Carrière erntet für seine Anspielungen auf US-Präsident Donald Trump die ersten Lacher und viel Beifall. Dabei geht es an diesem Abend um eine ganz andere Zeit in Amerika: Die Karl-May-Spiele von Bad Segeberg holen wieder den Wilden Westen in den hohen Norden – und mit ihm Prominenz an den Kalkberg. Carrière (66) gehört wie Sila Sahin (31) und Alexander Klaws (33) zu den Gaststars der 66. Saison, die am Sonnabend mit der Premiere von „Old Surehand“ begonnen hat.

Eine Stadt spielt Indianer – seit 65 Jahren. Wenn vor der Kulisse des imposanten Kalkbergs die Abenteuer Karl Mays (1842-1912) lebendig werden, läutet das in dem Städtchen im Süden Schleswig-Holsteins die fünfte Jahreszeit ein. Dann strömen Hunderttausende Zuschauer während des Sommers zu den Aufführungen in dem etwa 7500 Plätze fassenden Freilichttheater. Und das nur, weil sich Winnetou 1952 gegen Jung Siegfried durchgesetzt hat: in der finalen Abstimmung der Stadtverwaltung. Eine Theatergruppe wollte die Nibelungen-Sage in Szene setzen, doch der Apachenhäuptling siegte.

Peter Harry Carstensen ist der "Starke Bär aus dem Norden"

„Manchmal schimpft man ja auf die Politik und auf die Verwaltung, aber damals, Anfang der 50er Jahre, haben die eine spitzenmäßige Entscheidung gemacht, hier in Segeberg“, sagt der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Der 2006 zum Ehrenhäuptling „Starker Bär aus dem Norden“ ernannte 70-Jährige gibt den Startschuss und erinnert an den erneuten Erfolg im Vorjahr: Mehr als 366 000 Besucher strömten da in die 17.000-Einwohner-Stadt. „Wer hier längs fährt und sieht, wie die Parkplätze gefüllt sind, der freut sich darüber.“ 2016 war das vierte Besucher-Rekordjahr in Folge für das Theater.

Das vierte Jahr hintereinander war es auch für Schauspieler Jan Sosniok (49) als „Winnetou“, der in diesem Sommer ebenfalls den Rappen „Iltschi“ sattelt. Kaum haben ihn die Zuschauer beim Einritt in die Arena zur berühmten Filmmelodie - deren Komponist Martin Böttcher (90) sitzt auch im Publikum - bejubelt, macht eine Technikpanne ihn sprachlos. Kurzerhand sucht er viel Nähe zu Old Surehand (Klaws) und Lea-tshina (Sahin), um deren Mikrofone mit zu nutzen. Dass ein Pferd (25 sind dabei) oder ein Vogel (zwei Wüstenbussarde, ein Afrikanischer Seeadler) mal nicht so mitspielen wie gewünscht, gehört dazu.

Ex-DSDS-Gewinner Alexander Klaws feiert sein Debüt am Kalkberg

Mit dem Wetter haben die Veranstalter mehr Glück als im Vorjahr. Damals wurde die Premiere bei heftigem Regen nach der Pause abgebrochen. Diesmal setzt bei Temperaturen um die 15 Grad nur zwischenzeitlich leichter Nieselregen ein. So kann der Ex-„DSDS“-Gewinner und ehemalige Musical-„Tarzan“ Klaws bei seinem Debüt am Kalkberg zwei Stunden lang zeigen, wie sattelfest er als Karl-May-Held ist. Wie er gekonnt Zweikämpfe meistert. Und wie er nicht nur das Herz von Indianerin Sahin erobert, sondern am Ende fast genauso viel Applaus erntet wie Publikumsliebling Sosniok.

Besonders beliebt, beklatscht und von Handykameras begleitet: die Kussszenen von Old Surehand und Lea-tshina. Während Sahin gar ihr Theaterdebüt gibt, wird Schauspielroutinier Carrière am Kalkberg zum „Wiederholungstäter“. Vor 17 Jahren war er als „Ölprinz“ dabei, diesmal stolziert er als eleganter wie hinterhältiger General Douglas durch den Wilden Westen. Aufs Pferd steigen muss er nicht - dafür reitet Old Surehand umso rasanter durch die Arena. Lea-tshina darf derweil als „schönste Rose der Prärie“ auch kleine Tanz- und Gesangseinlagen liefern.

Zeit für Klamauk und Kalauer

Zwischen Action, Abenteuer und Romantik bleibt auch noch viel Zeit für Klamauk und Kalauer in Gestalt eines Meisterkochs. Der Franzose reimt sich durch den Wilden Westen: „Ich habe kein Florett, ich trage eine Baguette“ oder „Wer Zwiebeln in die Suppe tut, schießt am nächsten Tag Salut“. Pulverdampf und Explosionen jedenfalls gibt es reichlich in der familientauglichen Geschichte um den besten Schützen des Wilden Westens, der am Fuße der Rocky Mountains nicht nur das Gute über das Böse siegen lässt, sondern auch seine Mutter wiederfindet und einen Bruder kennenlernt.

Zum 17. Mal übernahm Norbert Schultze jr. die Regie. 4,6 Millionen Euro kostet laut Geschäftsführerin Ute Thienel das gesamte Spektakel vor der imposanten Bergkulisse und einem malerischen Bühnenbild rund um das Städtchen Sandycreek und das Dorf der Comanchen. Die letzte „Old Surehand“-Inszenierung am Kalkberg gab es 2003, der gleichnamige Film kam 1965 heraus. Doch noch vor der Karl-May-Welle in den Kinos der 1960er Jahre hatten die Segeberger den Wilden Westen für sich erobert - in diesem Sommer bleibt er bis zum 3. September geöffnet.