Kiel. Funktionäre fordern nach der Wahlniederlage in Schleswig-Holstein seinen Rücktritt – und nennen sechs potenzielle Nachfolger.

Neue Rücktrittsforderung: In einem offenen Brief haben Parteifunktionäre aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg SPD-Landeschef Ralf Stegner den Rücktritt nahegelegt. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen und Regierungschef Torsten Albig in Schleswig-Holstein hätten mit ihren Rücktritten die Verantwortung für die SPD-Wahlniederlagen in den beiden Ländern übernommen, heißt es in dem Brief am Donnerstag an den SPD-Landesvorstand. Und Andreas Breitner, früherer SPD-Landesvize und Ex-Innenminister, erneuerte seine Rücktrittsforderung und nannte gleich sechs potenzielle Nachfolger für Stegner als SPD-Landeschef.

„Wir bedauern, dass der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und unser Landesvorsitzender Ralf Stegner dieses Verantwortungsbewusstsein als maßgeblich Verantwortlicher für die Kampagne und das Programm vermissen lässt. Ein unbeirrtes Festklammern an Posten bei gleichzeitiger Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ist für uns ohne interne Erneuerung nur schwer nachvollziehbar“, erklärten die Sozialdemokraten aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg.

Alles deutet auf „Jamaika“-Bündnis" hin

Stegner hält trotz der SPD-Wahlniederlage am Plan einer Koalition von SPD, Grünen und FDP fest - dabei haben die Liberalen ein solches Bündnis bereits definitiv ausgeschlossen. Am Montag will die SPD dennoch ein Sondierungsgespräch mit den Grünen führen. Dabei zeichnen sich Koalitionsverhandlungen für ein „Jamaika“-Bündnis von CDU, Grünen und FDP ab. Die Entscheidung hierüber fällt am Dienstag.

Eine selbstkritische Aufarbeitung der SPD-Wahlniederlage im Norden findet nach Ansicht der Stegner-Kritiker bislang nur unzureichend statt. „Torsten Albig als alleinigen Sündenbock darzustellen und anschließend zum Tagesgeschäft überzugehen, ist jedenfalls nicht darunter zu verstehen und unsolidarisch. Vielmehr sollen Diskussionen über die Zukunft unserer Partei gerade mit dem bloßen Mantra der Geschlossenheit unterbunden werden“, heißt es in dem Brief aus dem Kreis. „Mahnende Stimmen werden in Hinterzimmergespräche der Partei verlagert.“ Zu den Unterzeichnern gehören die Vorstände der SPD Schwarzenbek und Ratzeburg und die Vorsitzenden der SPD Labenz und Escheburg.

Wer könnte Stegners Nachfolger werden?

Mit Blick auf den Rücktritt Krafts als SPD-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen sagte Breitner: „Das ist meine Erwartung auch an den Landesvorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein.“ Breitner ist Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen in Hamburg und in der SPD nicht mehr aktiv.

Er nannte wie schon in den „Kieler Nachrichten“ gleich sechs Namen für eine Nachfolge Stegners: Die drei SPD-Bundestagsabgeordneten Sönke Rix, Bettina Hagedorn und Ernst-Dieter Rossmann, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer und den SPD-Hochschulexperten Martin Habersaat. „Sie sind alle geeignet, den SPD-Landesverband zu führen“, sagte Breitner.

Zu den Kritikern gehört auch der SPD-Kreisverband Nordfriesland, dessen Vorstand einstimmig Stegner und Albig zum Rücktritt aufgefordert hatte. Der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Matthias Ilgen sagte, „nach der dramatischen Wahlniederlage ist beides notwendig, damit wir zu einem glaubhaften Neuanfang kommen können“. Albig erklärte inzwischen seinen Rückzug aus der Politik.

Stegner äußert sich nicht zu Debatte

Auf Facebook veröffentlichte Jürgen Weber, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Kiel, ein „Plädoyer für ein Ende der Rücktrittsforderungen“. „Dass nach der enttäuschenden Landtagswahl manche/viele erwartet haben, dass an verantwortlicher Stelle auch persönlich Verantwortung übernommen wird, ist nachvollziehbar und ok. Aber niemand braucht Rücktrittforderungen als Dauerschleife.“

Nachdem Albig seinen Rückzug erklärt habe, „werden sich viele fragen, ob sie wieder eine one-man-show an der Spitze wollen“, schrieb Weber. Er riet zu einer ruhigen parteinternen Diskussion. „Arbeitet daran und hört auf, die Presse mit Rücktrittsforderungen zu füttern.“

Stegner wollte sich zur Debatte um seine Person am Donnerstag nicht äußern. Hagedorn, stellvertretende SPD-Landesvorsitzende, sagte den „Kieler Nachrichten“: „Ralf Stegner wird meiner Meinung nach nicht abgesägt. Die überwältigende Mehrheit der SPD-Mitglieder steht hinter ihm.“ Breitners Vorstoß nannte sie „schäbig, auch mir gegenüber“. Die neue SPD-Landtagsfraktion hatte Stegner in geheimer Wahl einstimmig wieder zu ihrem Vorsitzenden gewählt.