Partei braucht nach der Wahlniederlage von Kiel jemanden, der begeistern kann

Was sich zwei Wochen vor der Wahl in Schleswig-Holstein angedeutet hatte, was das Wahlergebnis dann ziemlich klar ausdrückte, setzt sich nach der Wahl fort: Die CDU macht im Moment fast alles richtig, die SPD ziemlich viel falsch. Die beiden immer noch einigermaßen großen Volksparteien nehmen gerade eine gegenläufige Entwicklung. Dafür gibt es Gründe. Es sind Gründe, aus denen Gefahren erwachsen können.

Die Christdemokraten haben unter ihrem Spitzenkandidaten Daniel Günther einen Spitzenwahlkampf abgeliefert. Günther hat die Gabe, Menschen zu überzeugen. Egal, wo er auftritt: Er findet vor fast jedem Publikum die richtigen Worte. So gelingt es ihm, eine anfängliche Günther-Unterschätzung in eine spätere Günther-Begeisterung zu verwandeln. Mit enormem Fleiß hat er die Partei vorangebracht, der Wahlsieg ist sein Sieg – viel mehr übrigens, als die Niederlage der SPD eine Albig-Niederlage ist.

Hinter Günther kommt allerdings nicht viel, das Begeisterung wecken könnte. Die Landtagsfraktion besteht vornehmlich aus mittelalten Männern. Nichts gegen mittelalte Männer, der Verfasser ist selber einer. Aber die Fraktion wird dominiert von altgedienten Parteifunktionären, die über Günthers Aussagen zur Homo-Ehe innerlich den Kopf schütteln. Wie sehr diese Fraktion zum Hemmschuh werden kann, muss sich zeigen.

Momentan ist es also nur Günther, der bei der CDU begeistert. Im Wahlkampf war das in Ordnung, da geht es um den Spitzenkandidaten. Aber von jetzt an wird es gefährlich. Günther muss die Partei modernisieren, er muss eine schwierige Koalition führen, er muss seine Wahlversprechen einlösen. Begeisterungsfähigkeit reicht da nicht. Scheitert Günther daran, ist es vorbei mit dem Aufstieg der CDU.

Bei der SPD lautet die Frage anders: Wie tief sinkt sie noch? Die Sozialdemokraten haben fast alles falsch gemacht. Das Wahlkampfkonzept stimmte nicht. Es war ein Fehler, Albig als Landesvater verkaufen zu wollen, als Peter Harry Carstensen der SPD. Der bisweilen grantige Kieler ist dazu einfach nicht kommunikativ genug. Er weiß es. Dennoch hat die SPD auf dieses falsche Konzept gesetzt. Und daran festgehalten, als immer deutlicher wurde, dass Günther sich zu einem gefährlichen Gegner entwickeln würde.

Nach der Wahl ging das so weiter. Die SPD hielt störrisch daran fest, erst am Ende von etwaigen Koalitionsverhandlungen darüber sprechen zu wollen, ob Torsten Albig oder ein anderer Genosse diese Koalition anführen soll. Statt in den Verhandlungsmodus zu schalten, ist sie einfach im Regierungsmodus geblieben. Sie wirkt wie jemand, der sich hartnäckig weigert, die Realität wahrzunehmen.

Dabei ist es gar nicht so kompliziert. Eine Ampelkoalition ist seit gestern äußerst unwahrscheinlich – es sei denn, Kubicki leistet sich den Umfaller des Jahrzehnts. Eine Große Koalition lehnen CDU und SPD ab. Die Partei sollte sich also von sofort an auf die Opposition vorbereiten – und die Weichen für die Wahl im Jahr 2022 stellen. Das bedeutet zunächst: die personellen Weichen. Denn es ist sicher wenig ratsam, wenn Ralf Stegner als Landes- und zugleich Fraktionschef weitermacht.

Die Partei braucht jetzt jemanden, der begeistern kann. Die SPD braucht einen roten Daniel Günther. Dann könnte es wieder nach oben gehen.