Kiel/Hamburg. Ministerpräsident Torsten Albig über sein Privatleben, Wahlkampfhilfe von Hamburgs Bürgermeister Scholz und Probleme der HSH.
Torsten Albig wirkt genervt. Wahlkampfauftritt, Interview, Wahlkampfauftritt, Interview: So geht das nun schon seit Wochen. Für den eher introvertierten Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein sind das keine Festtage. Aber das Ende ist in Sicht. Am 7. Mai wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Der SPD-Politiker Albig könnte, wenn die Umfragen stimmen, weitere fünf Jahre lang Landesvater sein. Es wäre ein Landesvater mit einer neuen Landesmutter: Seit ein paar Tagen wissen die Schleswig-Holsteiner, dass Torsten Albig seine Lebensgefährtin Bärbel Boy heiraten will.
Herr Ministerpräsident, wenn man sich die Stimmung in Schleswig-Holstein und die Umfragewerte der Regierungskoalition ansieht, könnte man in die Versuchung kommen, Ihnen schon zur Wiederwahl zu gratulieren.
Torsten Albig: Tun Sie das bitte nicht. Die Wahlen hängen ganz entschieden davon ab, wer am Ende tatsächlich wählen geht. In den vergangenen Jahren ist es der Sozialdemokratie nicht ausreichend gelungen, ihre Stammwählerschaft zu mobilisieren. Unsere Leute sind zu oft zu Hause geblieben – vor allem dann, wenn sie den Eindruck hatten, die Wahl sei schon gelaufen.
Das Gefühl kann entstehen.
Es wäre grundfalsch. Es kommt auf jede Stimme an. Deshalb bin ich ganz froh, dass die neue Umfrage die SPD nicht zu weit vor der Union sieht. Unsere Leute müssen wissen: Die Wahl gewinnen wir nur, wenn auch wirklich alle hingehen.
Viele sprechen vor der Wahl von dem Schulz-Effekt. Ist für Sie der Scholz-Effekt nicht viel wichtiger?
Ja, definitiv. Der Wahlkämpfer Olaf Scholz, der im Hamburger Umland mehr Veranstaltungen hat als ich, ist ein extrem starker Bündnispartner.
Und es stört Sie nicht, dass bei einigen Wählern im Hamburger Umland der Eindruck entsteht, der Scholz wäre der Spitzenkandidat der SPD in Schleswig-Holstein? Er soll sogar Fragen zur schleswig-holsteinischen Politik beantworten.
Nein. Ich bin ja nicht naiv. Ich weiß, dass meine Freunde in Reinbek sich nach Hamburg orientieren und ihnen deshalb Olaf Scholz näher ist als der Ministerpräsident in Kiel. Wenn es über Scholz gelingt, dass die SPD in Schleswig-Holstein noch stärker wird, ist das doch wunderbar. Und er macht das großartig. Ich bin immer wieder erfreut darüber, wie viel Spaß es ihm bereitet, für mich in den Wahlkampf zu ziehen.
Ihr größter Widersacher und zweitbeliebtester Politiker im Land ist Wolfgang Kubicki von der FDP, der sich oft herablassend über Sie auslässt, vor allem über Ihre Auftritte und Reden. Muss man das so machen in der Politik?
Nein, muss man nicht, wie Sie an mir sehen. Aber das muss ja jeder für sich entscheiden. Mein Eindruck ist, er beschäftigt sich im Wesentlichen mit Stilfragen, und das ficht mich nicht an. Inhaltlich ist die schärfste Kritik, dass wir unseren Koalitionsvertrag umgesetzt hätten. Damit kann ich leben (lacht). Auf der anderen Seite ist es schon interessant, dass dieses kleine Land mit Kubicki, Ralf Stegner, Robert Habeck und mir gleich vier Leute hat, die auch bundesweit gefragt sind. Interessanterweise ist keiner von der Union dabei, und das wird bis auf Weiteres auch so bleiben.
Sie haben Ihren Umweltminister Habeck angesprochen. Sind Sie froh, dass er es nicht geschafft hat, grüner Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl zu werden?
Ich hätte es ihm sehr gewünscht, weil er es gerne wollte. Aber es wäre für mich ein sehr großer Verlust gewesen. Robert Habeck ist am authentischsten Minister geworden. Er hat es im Kabinett am stärksten in sich aufgesogen, endlich Verantwortung zu haben. Jeder Konflikt im letzten Bauernstall, den er lösen konnte, war für ihn ein Geschenk. Endlich mal aus dem Reden in ein Tun zu kommen, das ist großartig, gerade für einen Grünen. Ich wünsche ihm sehr, dass er mein Vize bleiben kann, aber das müssen die Grünen entscheiden.
Sie sagen gern, dass man in Schleswig-Holstein als Ministerpräsident noch Mensch sein kann. Stimmt das wirklich? Ihr Privatleben ist sehr oft thematisiert worden, gerade haben Sie es in der „Bunten“ ein weiteres Stück öffentlich gemacht. Warum?
Zunächst einmal täuscht Sie Ihr Eindruck. Von den vielen Interviews, die ich in den vergangenen fünf Jahren gegeben habe, haben sich nur ganz wenige mit meinem Privatleben beschäftigt. Und wenn, dann ging es immer um eine Geschichte: um die Trennung von meiner Ehefrau, und die ist …
... Privatsache.
Solange sie von Ihnen und Ihren Kollegen auch als solche akzeptiert werden würde: ja. Wird sie aber nicht.
Von wem nicht?
Von niemandem auf Ihrer Seite des Tisches. Zum Beispiel von den Zeitungen, die sagen: Wenn Sie Fragen zu Ihrer Trennung nicht beantworten, schreiben wir trotzdem davon. Dann muss man sich überlegen, ob es nicht besser ist, seine Sicht der Dinge zu schildern, bevor Redaktionen auf der Basis von Gerüchten etwas schreiben, was zumindest teilweise nicht stimmt. Und wenn Sie das Interview in der „Bunten“ ganz lesen, werden Sie ja feststellen, dass es dort zu einem großen Teil auch um Politik und die SPD geht. Mit einem solchen Blatt erreiche ich Menschen, die ich allein mit Abendblatt-Interviews nicht erreichen würde.
Wäre es nicht im Nachhinein klüger gewesen, wie Olaf Scholz von Anfang an das Privatleben ganz aus der Öffentlichkeit zurückzuhalten? Ob Sie heilfasten, hat doch mit Politik nichts zu tun.
Mit Verlaub, das ist eine bigotte Kritik. In dem Teil des Interviews geht es doch gar nicht um Politik, sondern um den Menschen, der Politik macht, und um sein Leben. Die teils auch von Ihnen geäußerte scharfe Kritik an meinen Vorschlägen zur Infrastruktursanierung, Flüchtlingspolitik oder Energiewende dürfte aber doch Beleg genug dafür sein, dass ich mich in den vergangenen fünf Jahren auch mit politischen Debatten nicht gerade zurückgehalten habe. Außerdem: Es gibt bei den Wählern auch ein großes Bedürfnis zu erfahren, was das eigentlich für Menschen sind, die für sie Politik machen. Sind die ganz anders als wir, oder haben die nicht dieselben Probleme? Wie lösen sie sie? Sind sie vielleicht doch nicht so anders? Wie sollen die Bürger Vertrauen zu Politikern entwickeln, von denen die Medien so tun, als ob sie auf diese Bürger nur herabsehen? Das tun die allermeisten Menschen, die Politik machen, aber nicht. Im Gegenteil. Wir sind auch nur Bürger.
Also sollten sich auch Zeitungen wie das Hamburger Abendblatt stärker mit dem Privatleben von Politikern beschäftigen?
Sie sollten stärker zeigen, dass wir ganz normale Menschen mit Stärken und Schwächen sind und nicht elitäre Politikmaschinen. Die Bürger haben zu viel Distanz zu ihren politischen Repräsentanten, die wir im Interesse der Demokratie dringend verringern müssen. Wir sind nicht Teil eines abgehobenen Systems, sondern Bürger mit einer besonderen Funktion auf Zeit. Wenn wir das nicht deutlicher machen, untergraben wir die Legitimität unserer repräsentativen Demokratie. Dafür müssen wir aber auch die Menschen hinter den Politikern zeigen. Und das geht nicht, indem ich ausschließlich über Steuerrechtsveränderungen oder politische Machtspielchen rede.
Vor der letzten Wahl sind Sie dennoch ganz anders mit Ihrem Privatleben umgegangen.
Nein, bin ich nicht. Nur meine Beziehung hat Sie damals nicht interessiert, vermutlich weil sie noch ohne Nachrichtenwert für Sie war. Und von Ihnen und Ihren Kollegen hat mich wohl auch deshalb kaum einer was zu meinem sonstigen Privatleben gefragt.
Kommen wir zurück zur Politik. Es könnte in Schleswig-Holstein alles wunderbar sein, wenn es die HSH Nordbank nicht gäbe.
Es gibt sie aber.
Und Wolfgang Kubicki sagt, dass sich niemand finden wird, der sie kauft.
Herr Kubicki redet wie der Blinde von der Farbe. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren durch harte Arbeit und ruhiges Vorgehen erreicht, dass wir an keiner Stelle große Probleme erlebt haben. Wir haben die Risiken durch die HSH deutlich verringert.
Wird es jemanden geben, der einen positiven Kaufpreis für die HSH zahlt?
Das werden wir sehen. Für uns ist es wichtig, dass wir am Ende eines solchen Prozesses die Altverbindlichkeiten über unsere Haushalte aussteuern können. Und dafür brauchen wir so viel Ruhe wie möglich, und keine Politiker, die immer neue Gerüchte streuen, weil sie sich bei einer Wahl davon minimale politische Geländegewinne versprechen. Jetzt ist die Frage: Kriegen wir das langsam ausgesteuert, oder explodiert uns das an einer Stelle?
Muss man sich als Bürger, als Kunde einer Sparkasse, Sorgen machen?
Nein, weil wir den Prozess gut im Griff haben und es eben nicht explodieren wird. Sie wissen aber so gut wie ich, dass auch die Sparkassen in der Haftung für die Fehler der vorherigen Politiker-Generation sind. Deswegen tun wir alles dafür, dass sich diese Haftungsrisiken nicht verwirklichen.
Klingt jetzt nicht alles besonders beruhigend. Insbesondere nicht, wenn es um die Sparkassen geht. Gibt es da etwas, was die Sparkassen-Kunden wissen sollten?
Dass wir uns professionell darum kümmern, die Fehler der Vergangenheit zu bereinigen. Ungeschehen machen können wir sie nicht.
Was kann denn im schlimmsten Fall geschehen?
Im schlimmsten Fall fällt der Himmel runter,und alle Vögel sind tot. Das wollen wir nicht, und deshalb achten wir sehr darauf, dass das auch nicht passiert.