Hamburg. ... und verrät im Abendblatt-Interview, warum er weder in Kiel noch in Berlin Mitglied einer Regierung sein möchte.
Dieser Wahlkampf im Norden könnte für das Kieler FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki der letzte sein. Gelingt den Liberalen der Einzug in den Bundestag, geht er voraussichtlich nach Berlin. Im Interview spricht er darüber, wer sein Nachfolger werden könnte, welches Szenario er für die HSH Nordbank befürchtet und warum er SPD-Mann Olaf Scholz für einen guten Bürgermeister hält.
Lassen Sie uns kurz über die Wechselstimmung in Schleswig-Holstein sprechen. Es gibt keine, oder?
Wolfgang Kubicki: Aber es gibt auch keine Zustimmung zu dieser Regierung. Ich vermute mal, dass der richtige Wahlkampf, der die Menschen politisieren wird, erst noch kommt.
Wenn man sich die Umfragen ansieht, muss die Regierung von Ministerpräsident Torsten Albig viel richtig gemacht haben.
Kubicki: Ob die viel richtig gemacht hat, wage ich zu bezweifeln. Wir stellen fest, dass Schleswig-Holstein so wenig wie kein anderes Land pro Kopf für Bildung ausgibt. Wir stellen fest, dass das Verkehrschaos zugenommen hat, weil die Landesregierung ihre Pflicht zum Erhalt der Verkehrsinfrastruktur nicht erfüllt hat. Die Bilanz ist also nicht so berauschend.
Aber die Schleswig-Holsteiner sind nach einer Umfrage die glücklichsten Menschen in Deutschland.
Kubicki: Ja, ich bin auch Schleswig-Holsteiner, und ich bin auch glücklich, dass ich in diesem Land lebe.
Und das hat nichts mit Torsten Albig zu tun?
Kubicki: Ich wäre wahrscheinlich noch glücklicher, wenn Torsten Albig nicht regieren würde. Die Schleswig-Holsteiner sind einfach einiges gewöhnt aus den vergangenen Jahren, schließlich sind wir das Land mit den meisten Affären.
Welche Note würden Sie der Regierung geben?
Kubicki: Mangelhaft. Warum? Wir sind das Land, das ganz weit hinten ist, wenn es um das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf geht. Wir sind zwar noch das beste ostdeutsche Bundesland, werden aber bald von Sachsen überholt. Das sind ja keine Zahlen, die einen jubeln lassen.
Ihr Slogan lautet: Wollen allein reicht nicht. Man muss es auch können. Damit meinen Sie sowohl den Ministerpräsidenten als auch sich?
Kubicki: Der Ministerpräsident will immer, wie er erklärt, aber in vielen Bereichen kann er es nicht. Ich will nicht immer alles, aber das, was ich tue, kann ich je-denfalls. Das beweise ich jeden Tag in meinem Anwaltsberuf, und das habe ich auch in den vergangenen 25 Jahren in Schleswig-Holstein dokumentiert. So lange bin ich Fraktionsvorsitzender.
Dann wird es doch Zeit, dass Sie endlich Minister werden.
Kubicki: Das ist nicht mein Beritt. Ich liebe erstens meine persönliche politische Freiheit, und zweitens gibt es nichts Schöneres, als im Parlament für die richtige Sache zu streiten. 2009 war ich, obwohl die FDP an der Regierung beteiligt war, nicht Minister. Und das hat weder meiner Partei noch meinem politischen Ansehen geschadet.
Warum wollen Sie nicht Minister werden? Sie wären ein guter Finanzminister …
Kubicki: Das stimmt wahrscheinlich. Aber noch einmal: Meine politischen Einflussmöglichkeiten sind als Fraktionsvorsitzender größer.
Wird denn der Kubicki überhaupt in Kiel bleiben?
Kubicki: Sie spielen darauf an, dass ich auch für den deutschen Bundestag kandidiere. Ja, das werde ich tun. Warum? Wir haben keine Bundestagsfraktion mehr, wir haben keine Bundesminister. Wer denn, wenn nicht die FDP-Leute aus den Ländern, soll dazu beitragen, dass die FDP wieder in den Bundestag gewählt wird?
Also: Wenn die FDP in den Bundestag kommt, gehen Sie nach Berlin?
Kubicki: Das ist wahrscheinlich. Ich bin aber Anhänger einer alten indianischen Weisheit: Ich mache mir erst Gedanken, was ich auf der anderen Seite des Ufers tue, wenn ich weiß, wie ich über den Fluss komme.
Aus Sicht des Wählers heißt das: Wenn ich den Kubicki wähle, kann es sein, dass er meine Interesse gar nicht im Landtag vertritt, weil er in Berlin sitzt.
Kubicki: Er kann sich aber darauf verlassen, dass unsere politischen Anliegen umgesetzt werden. Und wir haben ja auch jede Menge andere Persönlichkeiten, die an meine Stelle treten können, Bernd Buchholz zum Beispiel. Und: Was kann es für Schleswig-Holstein Erfreulicheres geben, als endlich eine Stimme in Berlin zu haben, die durchsetzungsstark ist und die auch gehört wird?
Was wird schwieriger für die FDP: die Wahl in Schleswig-Holstein oder die Wahl in Berlin?
Kubicki: Die Bundestagswahl wird aufreibender, weil die Verankerung der FDP in den Ländern sehr unterschiedlich ist. Gute Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen werden aber eine gute Basis für die Bundestagswahl sein.
In Berlin müssten Sie ja auf Ihren sozialdemokratischen Widersacher Ralf Stegner verzichten. Sie beide sind die Politiker im Norden mit der klarsten Ansprache. Haben Sie viel mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denken würde?
Kubicki: Intellektuell vielleicht. Aber ansonsten ist er für mich eine Spaßbremse. Und unser persönliches Verhältnis ist geprägt durch eine professionelle Akzeptanz.
Ach, wenn der Stegner nicht im Landtag wäre, würden Sie sich doch langweilen.
Kubicki: Das wird ja sein Problem, wenn ich dem Landtag nicht mehr angehöre. Dann wird der sich langweilen. Aber noch mal: Es macht Spaß, sich mit ihm zu streiten. Aber menschliche Herzenswärme wird sich bis zum Ende meiner Tage nicht mehr entwickeln.
Lassen Sie uns über das größte Thema sprechen, das auf Schleswig-Holstein und Hamburg zukommt: Wie groß ist die Gefahr für das Land, wenn die HSH Nordbank nicht verkauft werden kann?
Kubicki: Ich gehe sowieso davon aus, dass sie nicht zu veräußern ist. Man wird keinen Käufer finden, der einen positiven Kaufpreis für diese Bank zahlt, warum auch? Die Risiken sind immens. Es kostet mindestens beide Länder jeweils zehn Milliarden Euro, im schlimmsten Fall zusammen 30 Milliarden Euro. Das kann man ganz einfach ausrechnen. Deshalb finde ich es auch so fatal, dass die Länder 2016 noch einmal zwei Milliarden Euro in die HSH gepumpt haben. Das wäre nicht notwendig gewesen, wenn man die 2015 bereits abgewickelt hätte.
Also hat auch die aktuelle Regierung im Umgang mit der HSH aus Ihrer Sicht Fehler gemacht?
Kubicki: Ja, das war ein blöder, unnötiger Fehler, nur um die Schimäre aufrechtzuerhalten, wir machen die Bank hübsch, damit ein Käufer sie uns abnimmt. Das könnte man auch Haushaltsuntreue nennen.
Haushaltsuntreue bedeutet was?
Kubicki: Die Länder haben für zwei Milliarden Euro Papiere eingekauft, die zum Zeitpunkt des Kaufes nur noch eine Milliarde Euro wert waren. Dafür muss es eine Erklärung geben.
Und warum gibt es noch keinen Untersuchungsausschuss?
Kubicki: Den wird es definitiv nach der Landtagswahl geben.
Kommen wir zum Wahlkampf zurück: Ihr Ministerpräsident lässt Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz für sich im Hamburger Umland Werbung machen, als wäre er eigentlich der Spitzenkandidat. Zur Not beantwortet er auch Fragen zur schleswig-holsteinischen Politik.
Kubicki: Eine gewisse Ähnlichkeit im Äußeren haben die beiden ja. Aber in der Tat kann man mit Olaf Scholz werben, weil man mit Torsten Albig nicht werben kann. Sonst würde er es ja selbst machen. Ich halte Olaf Scholz, obwohl er Sozialdemokrat ist, für einen guten Politiker und für einen guten Bürgermeister Hamburgs. Er hat gelernt, dass es der Wirtschaft in einem Land gut gehen muss, weil dann auch viel im sozialen Bereich funktioniert.
Was passiert, wenn es die FDP im September wieder nicht in den Bundestag schafft?
Kubicki: Dann wird es dunkel in Deutschland. Es wäre schade für Deutschland, es wäre schade für uns. Ich kann mir schwer vorstellen, dass es politische Akteure in der FDP gibt, die die Anstrengungen der vergangenen vier Jahre noch einmal wiederholen könnten.