Kiel. Zwei entmachtete Landespolitiker ziehen gegen die “Hamburger Clique“ ins Feld und sprechen von “Mafia-ähnlichen Strukturen“.

Vier Monate vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 7. Mai eskaliert interner Streit in der AfD. „Mafia-ähnliche Strukturen“ und persönliche Bereicherungsabsichten hält der Ex-Landesvorsitzende Thomas Thomsen aus Lübeck der Parteispitze vor. „Typisches Verhalten wie von Straftätern - Leugnen, bis etwas bewiesen ist“, sekundierte der frühere lauenburgische Kreischef Nico Gallandt am Freitag beim verbalen Säbelrasseln. Vor dem Landgericht Kiel will Thomsen am kommenden Montag den Vorstand um die Parteichefs Jörg Nobis und Bruno Hollnagel als nicht rechtmäßig gewählt kippen.

Sollte das nicht gelingen, liegen für den Landesparteitag am 14./15 Januar in Kaltenkirchen bereits sechs Abwahlanträge vor - unter anderem gegen den Landesvorstand, unterzeichnet von rund 30 Parteimitgliedern. Die meisten kommen aus den Kreisverbänden Herzogtum Lauenburg und Pinneberg. Außerdem wollen parteiinterne Kritiker zwei Kandidaten der Landesliste und zwei Direktkandidaten für die Landtagswahl abwählen.

Die "Hamburger Clique" ist den Klägern ein Dorn im Auge

Ein Dorn im Auge ist Thomsen und Gallandt die „Hamburger Clique“. „Das sind Leute, die in der Hamburger AfD gescheitert und beruflich erfolglos sind. Jetzt wollen sie in Schleswig-Holstein eine zweite Karriere starten und sich in die bezahlte Politik retten“, sagte Thomsen. Gallandt, der nach eigenen Angaben 40 Jahre in der CDU war, ist auch politisch enttäuscht. Er sieht in der AfD „rechtsextreme Spinner“.

Das Landgericht wird sich am Montag in mündlicher Verhandlung mit der Klage befassen. „Ob dann ein weiterer Termin angesetzt wird oder schon ein Urteil gesprochen wird, ist offen“, sagte Gerichtssprecher Sebastian Pammler am Freitag.

Tricksereien und Verstöße gegen die Parteisatzung wirft Thomsen seinen Nachfolgern vor. Konkret: Zum Landesparteitag im April 2016, auf dem der neue Vorstand gewählt wurde, seien ganz bewusst rund 30 bis 35 Mitglieder nicht eingeladen worden. Bei der AfD im Norden gibt es keine Delegierten, jedes Mitglied kann auf Parteitagen abstimmen. Und eine Klärung durch das AfD-Landesschiedsgericht sei torpediert worden, indem ein Richter zurückgetreten sei: „Dadurch war es nicht mehr handlungsfähig“.

AfD-Sprecher spricht von "totalen Enten"

Als „totale Enten“ wies AfD-Sprecher Volker Schnurrbusch die Kritik zurück. Nur eine einziges Parteimitglied sei nicht ordnungsgemäß eingeladen worden wegen einer unkorrekten Adresse. Das Verfahren sei im September ans Bundesschiedsgericht weitergegeben worden. Dies habe aber leider noch nicht entschieden. Insofern gelte es abzuwarten, wie das Landgericht urteile.

„Es geht auch nicht um politischen Streit, sondern ausschließlich um persönliche Auseinandersetzungen“, sagte Schnurrbusch, der auch stellvertretender Landesvorsitzender ist. Bei Lichte betrachtet, versuchten die Gegner um Thomsen vor Gericht und beim Landesparteitag in Kaltenkirchen ihr Spiel zu machen. „Das sind stets die gleichen etwa 35 Leute, und die Mehrheit wird die Anträge wieder ablehnen.“

Schurrbusch steht selber im Visier der Kritiker und soll von der Landesliste - er hat Platz 5 - abgewählt werden. Gallandt, der nach eigener Aussage 17 Jahre bei der Polizei war und nun Immobilienmakler ist, hat gegen Schnurrbusch quasi hobbymäßig ermittelt. Sein Vorwurf: Schnurrbusch habe bei verschiedenen Parteiämtern weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht gehabt, weil er nicht in Schleswig-Holstein lebe.

„Ich habe mir die angebliche Adresse in Schönwalde am Bungsberg (Kreis Ostholstein) im Sommer angeschaut. Das ist ein ungepflegtes Haus ohne Namensschild aus den 1950/60er Jahren. Das Gras im Garten stand kniehoch. Ich habe Nachbarn gefragt. Die sagten, einmal im Monat käme jemand zum Saubermachen, aber hier wohnt niemand.“

Schnurrbusch versichert, in Schleswig-Holstein zu leben

Dagegen versichert Schnurrbusch, seit 2008 in Schleswig-Holstein zu leben. Auf der AfD-Landesliste im Internet gibt er als Wohnort „Kreis Ostholstein“ an. Warum er keinen Ort nenne? Er sei bedroht worden, etwa von der linken Antifa und verzichte auf Sicherheitsgründen auf die genaue Ortsnennung. In Hamburg habe er nur eine Zweitwohnung.

Sollte das Landgericht den Landesvorstand kippen, könnte laut Schnurrbusch ein neuer Vorstand oder ein Notvorstand bis zur Frist Mitte März die Landesliste mit den AfD-Kandidaten beim Landeswahlleiter einreichen. „Interner Streit beeinträchtigt die Wahlchancen, das ist bei allen Parteien so“, sagt Schnurrbusch. Er hofft dennoch auf ein ordentliches zweistelliges Ergebnis. In Umfragen lag die AfD im Norden zuletzt bei sechs Prozent.