Föhr/Hallig Hooge. Nach dem „Dosenschwur“ in den 90er Jahren wird Föhr gemeinsam mit Hallig Hooge zur Modellregion für ein Leben ohne Plastikmüll.

Bei einem Spaziergang fielen Krabbenfischer Henning Dulz diese vielen Knäuel aus Plastikfasern am Strand von Utersum auf Föhr auf. Er kennt diese Fasern: Sie stammen von den Dolly Ropes, einem Scheuerschutz an den Fischernetzen. Auch Henning Dulz benutzt Dolly ­Ropes. Diesen Plastikknäueln und anderem Plastikmüll haben Föhr und Hallig Hooge den Kampf angesagt. Das Ziel: plastikfreie Inseln. Krabbenfischer Dulz ist mit dabei.

„Ich habe Basstölpel gesehen, die ihre Schnäbel vollgestopft hatten mit Plastikknäueln“, sagt Fischer Dulz. Dolly Ropes sind ein Abfallprodukt aus der Schleppfischerei. „Die Menge ist erheblich.“ Das belegen auch Zahlen: An der Nordsee werden die Mägen toter Eissturmvögel auf Plastik untersucht. Mehr als 95 Prozent der untersuchten Vögel haben im Schnitt 30 Plastikteile im Magen.

Fischer-Kollegen aus den Niederlanden und Großbritannien arbeiten an alternativen natürlichen Materialien, die praxistauglich, bezahlbar und biologisch abbaubar sind. Dulz: „Wir wollen mit denen in Kontakt treten.“

Föhr und Hallig Hooge iseal für Modellprojekt

Auf Föhr und Hallig Hooge plant die Initiative unter Federführung des BUND das Modellprojekt „Plastikfrei wird Trend“ mit 20 Mitstreitern aus Naturschutz, Fischerei, Einzelhandel, Bildung und Tourismus, um die Inseln so plastikfrei wie möglich zu machen. Föhr und die Hallig Hooge sind aufgrund ihrer Insellage günstig für das Modellprojekt.

Müll, der an den Stränden auf Föhr aufgesammelt wurde
Müll, der an den Stränden auf Föhr aufgesammelt wurde © BUND Föhr | BUND Föhr

„Die abgegrenzte Geografie und die begrenzte Einwohnerzahl sind ideal. Es besteht enger Kontakt zum Einzelhandel, und Urlauber sind in den Ferien offen dafür, den plastikfreien Alltag auszuprobieren“, sagt Projektmanagerin Jennifer Timrott.

Die Ideen der Initiative im einzelnen: Bis 2017 soll auf Föhr eine plastikarme Ferienwohnung eröffnet werden. Ende 2017 dann eine ähnliche Modell-Ferienwohnung auf Hallig Hooge. „In diesen Wohnungen könnten Vermieter beispielsweise Behälter bereitstellen, in die unverpackte Ware beim Einkaufen gefüllt werden kann“, sagt Timrott. Auf der Hallig Hooge soll der Wechsel des Kaufmanns in diesem Jahr genutzt werden, um verpackungs- und plastikfreien Einkauf zu etablieren.

Erst lokal erproben, dann landesweit anwenden

Außerdem geplant: wiederverwendbare Einkaufstaschen aus Stoff, die in jedem teilnehmenden Geschäft als Pfandbeutel zu erwerben sind. Gespräche mit Einzelhändlern laufen gerade an. Für Plastik bei Verpackungen, im Getränke- und Gastronomiebereich wird nach Alternativen gesucht. Im touristischen Merchandising soll auf Plastikprodukte verzichtet werden. „Wir wollen das auf lokaler Ebene erproben, um erfolgreiche Lösungen später landesweit zu übertragen“, so Timrott.

Auch soll es Strandmüll-Sammelaktionen, Ausstellungen und Vorträge geben. Die Umweltlotterie Bingo beteiligt sich mit 60.000 Euro. Die Erfolgsaussichten für das Projekt scheinen gut zu sein. Einige Händler vermeiden ohnehin schon Plastik, so wie Jens Schmidt vom Kaufhaus Südstrand. „Wir müssen ja etwas gegen den Plastikmüll machen“, sagt er. „Im nächsten Schritt müssten Plastikflaschen abgeschafft werden. Das sind die größten Übeltäter.“ Bei Schmidt gib es statt Plastiktüten nur noch Recyclingbeutel.

Zum Hintergrund: Plastikmüll im Meer ist weltweit eine tödliche Gefahr für Meerestiere und gelangt zudem in die Nahrungskette. Millionen Tonnen Kunststoff schwimmen in den Weltmeeren, allein in die Nordsee gelangen jährlich 20.000 Tonnen Müll, der größte Teil davon ist Plastik. Über das Abwasser gelangen die feinen Partikel ungefiltert in die Meere. Beim Fischfang werden Netze häufig einfach auf dem Meer entsorgt, ebenso der Müll von Schiffen.

Der "Dosenschwur" von Föhr

Schon in den 90er-Jahren war Föhr Vorreiter im Umweltschutz. Rund zwölf Jahre lang hielt der „Föhrer Dosenschwur“ – Einzelhändler hatten auf Getränkedosen verzichtet. Mit der Einführung des Dosenpfandes und der Ansiedlung eines Discounters weichte der Dosenschwur auf.

Auch auf Fehmarn sollen Geschäftsinhaber möglichst auf Einwegplastiktüten verzichten, in Eckernförde sollen städtische Veranstaltungen ohne Einweggeschirr auskommen. Unterstützung kommt von Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne): „Plastikmüll schadet Umwelt und Tieren: Vögel verhungern, weil sie Plastikstücke statt Nahrung im Magen haben. Wir müssen Wege aus der Plastikgesellschaft finden und die Mengen an Müll reduzieren“, sagt er. „Es ist stark, dass hier das freiwillige Engagement von Verbänden, Kommunen und Einzelhandel immer größer wird. Wir brauchen aber auch geänderte Vorgaben. So muss der Bund sich für einen Ausstieg aus dem Gebrauch von Mikroplastik einsetzen – wer braucht Zahnpasta mit Plastik?“