Wentorf. Mehr als 7000 freie Plätze in den Erstaufnahmen im Umland. In der Hansestadt müssen Neuankömmlinge teilweise in Zelten schlafen.

Die metallenen Stockbetten sind frisch bezogen, zwölf Schlafplätze auf zwei Etagen in einem Zimmer. An den Wänden stehen zwölf Schränke, in der Mitte ein quadratischer Tisch mit vier Stühlen drum­herum. „Hier wohnen männliche Einzelpersonen“, sagt Stephan Streubel – „oder afghanische Großfamilien.“ Oder auch niemand, so wie jetzt. In der Landesunterkunft für Flüchtlinge im schleswig-holsteinischen Wentorf bei Hamburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) können theoretisch 297 Menschen leben. Praktisch sind es 132.

Stephan Streubel in der Uniform des Rot-Kreuz-Mitarbeiters ist der Chef auf dem ehemaligen Landsitz Weltevreden, der im Wald am Rande eines Villengebiets liegt. Zuletzt war hier ein Sprachheilinternat. Wann er wieder mit mehr Bewohnern rechnen könne? Streubel zuckt mit den Achseln.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in den anderen zwölf Erstaufnahmeeinrichtungen, weil das Land vor Weihnachten deutlich mehr Flüchtlinge als üblich an die Kreise weitergeleitet hat. Gleichzeitig ist der Zustrom abgeebbt. Und: Einige Bewohner sind wieder abgereist. Auch das komme vor, sagt Magdalena Drywa, Sprecherin des Landesamts für Ausländerangelegenheiten in Neumünster. Sie spricht von fünf bis zehn Prozent. Streubel sagt: „Auch ich habe schon mitbekommen, dass Leute lieber wieder nach Hause zu ihrer Familie zurückgekehrt sind.“

Es gibt also viele Gründe, die zum selben Ergebnis führen: Landesweit sind nur noch 49 Prozent der 14.750 Plätze belegt. In Wentorf etwa steht der 1999 erbaute Trakt mit den Klassenzimmern weitgehend leer, voll belegt ist lediglich das kleinere Internats­gebäude aus den 30er-Jahren. Der Tanzsaal im Haupthaus unter Reet ist zum Speisesaal umfunktioniert worden, mit Bierzeltgarnituren auf historischem Fischgrätparkett und unter opulenten Stuckornamenten.

Weltevreden am Waldrand wirkt wie in Winterstarre, so still ist es dort dieser Tage. Stephan Streubel, seine elf Mitarbeiter, drei Polizeibeamte und die Männer vom Sicherheitsdienst können durchatmen. „Jetzt ist auch mal Zeit, um kleinere Reparaturen auszuführen“, sagt Streubel.

Landesamtssprecherin Magdalena Drywa ist überzeugt, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein wird. Das Land bereite sich auf einen ähnlich großen Ansturm wie 2015 vor. Im vergangenen Jahr hat Schleswig-Holstein in den Erstaufnahmen rund 52.000 Neuankömmlinge betreut, von denen später gut 35.000 im Land geblieben sind. Die Kapazitäten sind binnen eines Jahres verzehnfacht worden. Der Landsitz am Wentorfer Waldrand ist die kleinste der 13 Erstaufnahmen.

Stephan Streubel blickt sich noch einmal in dem früheren Klassenraum um. „Die Beleuchtung könnte optimiert werden“, sagt er. Jetzt ist Zeit. Die Betten sind frisch bezogen.