Niebüll/Sylt. Will eine Mieterin im Zentrum von Westerland ein Bordell eröffnen oder eine „Schankwirtschaft“? Was ist erlaubt?

Eigentlich ein ganz normaler Vorgang: Ein ehemaliges Restaurant im Erdgeschoss eines Appartementhauses steht leer, der Neu-Eigentümer stellt sich als Nutzung der Räume eine Arztpraxis und einen Backshop vor und möchte die Fassade des Hauses grundlegend sanieren.

Den Eigentümern der Wohnungen des Hauses stellt er auf einer Versammlung seine Pläne vor, sie werden abgenickt. Der Backshop ist mittlerweile da, statt der Arztpraxis soll in die „Teileinheit 81“ jetzt laut Mietvertrag eine „Schankwirtschaft“ einziehen. Das Problem: die Mieterin betreibt am Stadtrand von Westerland ein Bordell und keine normale Gaststätte und möchte dieses nach Ansicht der Eigentümer verlegen - in ihr Haus. Dies ist nach Ansicht einiger Wohnungsbesitzer nicht zulässig. Sie klagen nun vor dem Amtsgericht Niebüll.

Strittig sei zwischen den Parteien, ob ein Nachtclub errichtet werden soll, der gleichzeitig der Vermittlung von Prostituierten diene oder eine normale Schankwirtschaft, also als Gaststätte, in der nur Getränke verkauft werden, fasst die Richterin am Mittwoch zusammen. „Wenn es eine normale Schankwirtschaft wäre, würde niemand etwas sagen“, sagte der Anwalt der Kläger, Wolfgang Matern. Aber die Mieterin habe einen Nachtclub und wolle diesen an dem neuen Ort weiterbetreiben. Dies sei den Eigentümern nicht zuzumuten. In den Räumen darf laut einer Vereinbarung aus den 1970er Jahren nur eine Gaststätte betrieben werden. Bis 2011 war hier ein China-Restaurant ansässig.

Nach Auffassung der Gegenseite komme es nicht darauf an, was für ein Lokal ihre Mieterin bisher betreibt. Die Räume würden nicht als Bordell oder Nachtclub vermietet, sondern als Schankwirtschaft, sagte der Rechtsbeistand des Beklagten, Oliver Freitag. Dies sei rechtens. Eine andere Nutzung sei nicht geplant. Dies glaubt die Klägerseite nicht, sie geht von einem Scheinmietvertrag aus.

Eigentümer der Appartements, die teils selbst genutzt, teils als Ferienwohnungen vermietet werden, fühlen sich von ihrem Miteigentümer hinters Licht geführt. Er habe nichts von seinen Planänderungen erzählt, ansonsten hätten sie den Umbauarbeiten nicht zugestimmt, erzählen einige von ihnen nach der Verhandlung. Sie haben als Zuschauer das Geschehen vor Ort verfolgt. Durch Zufall habe man erfahren, dass der Nachtclub dort einziehen solle und keine Praxis. Dass die Mieterin tatsächlich ihr Geschäftsmodell ändern will, glauben sie nicht.

Wann und ob das alteingesessene Bordell tatsächlich umziehen kann, ist noch nicht absehbar. Die Bauarbeiten können derzeit nicht weitergehen, eine abschließende Baugenehmigung liege nicht vor, sagte der Beklagte selbst.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich auf Sylt Widerstand gegen ein Bordell im Zentrum Westerlands regt. Im vergangenen Jahr scheiterte ein Unternehmer aus Süddeutschland mit dem Bau eines Nobelbordells. Der Streit um diese Neuansiedlung hatte Anfang 2014 sogar die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer auf den Plan gerufen. Sie bot der damaligen Bürgermeisterin Petra Reiber ihre Unterstützung im Kampf gegen das Etablissement an.

Am 16. Dezember soll in dem Zivilverfahren vor dem Amtsgericht Niebüll eine Entscheidung im jetzigen Rechtsstreit verkündet werden. Zu Ende ist der Kampf der Anwohner gegen das Bordell damit noch nicht - ein weiteres Verfahren hängt noch an.