Arbeitskräftemangel in der Gastronomie- und Hotellerie plagen die Insel. Immer mehr Kräfte werden aus dem Ausland geholt.
Ulrich Gassdorf
Die Insel Sylt gilt als Urlaubsparadies. Die Dichte an SterneRestaurants und Luxushotels ist wohl einmalig für eine deutsche Ferienregion. Bars, Cafés und Lokale gibt es wie Sand am Meer. Die Saison beginnt am 1. Mai wieder, und der Ansturm wird groß sein. Aber die Urlaubsstimmung könnte getrübt werden. Es fehlt schlichtweg Personal, das sich um das Wohlergehen der Gäste kümmert.
220 freie Stellen meldet aktuell die Agentur für Arbeit: „Das Hauptthema ist immer wieder der fehlende bezahlbare Wohnraum für die Mitarbeiter“, sagt Raphael Ipsen, zweiter Vorsitzender vom Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Sylt. Auch wenn Ipsen darauf verweist, dass das mit den vielen freien Stellen nicht nur auf Sylt so sei – die Insel hat das Problem.
Die Fachkräfte haben unterdessen die Qual der Wahl bei der Suche des Arbeitgebers. Die Branche weiß das: „Wer in der Sylter Hotellerie Personal finden möchte, der steht vor einer großen Herausforderung. Das gilt besonders für Fachkräfte und Auszubildende“, sagt Gordon A. Debus. Seit 2011 ist der 40-Jährige Direktor vom A-Rosa Resort in List, einem Fünf-Sterne-Haus mit 177 Zimmern. Fakt ist: „Auch wir müssen beim Rekruting von Mitarbeitern, insbesondere im Housekeeping, auf ausländische Personalagenturen zurückgreifen. Es kommt auch vor, dass diese Angestellten zunächst kaum Deutsch sprechen“, so Debus. Der Hotelier weiß, dass es Anreize braucht, um Bewerber für einen Job auf der Insel zu begeistern. Wenige Gehminuten vom Hotel entfernt, gibt es 103 Wohneinheiten für das Personal – die Warmmieten liegen bei ab 150 Euro für Auszubildende und ab 350 Euro für ausgelernte Kräfte. Debus ist sehr kreativ, um Personal zu finden und lockt Mitarbeiter mit diversen Extras: Dazu gehören zum Beispiel transparente Dokumentation und Entlohnung für jede Überstunde, Nutzung eines Mitarbeiter-Autos oder ein monatlicher Schulungsplan zur Weiter- und Fortbildung für alle Mitarbeiter. Im A-Rosa Sylt arbeiten 192 Mitarbeiter, davon sind 36 Auszubildende. Aktuell hat Debus noch 11 Stellen zu besetzen.
Zusammenarbeit mit Vermittlungsagenturen für Arbeitskräfte
Westerland ist das Zentrum der Insel, und am Ende der pulsierenden Friedrichstraße liegt das Miramar, eines der ältesten Luxushotels mit einer mehr als 100-jährigen Tradition. Das anspruchsvolle Klientel, häufig Stammgäste seit Jahrzehnten, erwartet einen exzellenten Service. Dafür ist entsprechendes Personal notwendig: „Aber das ist rar, und gute Mitarbeiter zu rekrutieren, stellt uns jedes Mal vor große Herausforderungen. Deutsche Fachkräfte zu bekommen, ist so gut wie unmöglich“, sagt Christiana Kreis, die das Haus gemeinsam mit ihrem Mann Nicolas mittlerweile in fünfter Generation führt.
Deshalb arbeiten die Inhaber zum Beispiel mit einer polnischen Agentur zusammen, die Arbeitskräfte vermittelt. Die Mitarbeiter kommen dann zum ersten Mal nach Sylt und kennen die Insel meist nur von der Landkarte: „Das ist für alle Beteiligten zunächst mal nicht leicht. Es gibt Sprachbarrieren, und natürlich haben wir in unserem Haus auch hohe Anforderungen, die erfüllt werden müssen“, berichtet Kreis. Manchmal würden die Arbeitsverhältnisse auch nach kurzer Zeit wieder beendet. Und dann schickt die Agentur den nächsten Kandidaten. Aber Kreis sieht es auch positiv: „Wenn wir die ausländischen Kräfte nicht hätten, dann müssten wir im schlimmsten Fall unser Haus schließen.“
Aber was treibt die ausländischen Arbeitskräfte an? Die 22-jährige Monika Saran aus der Nähe von Krakau, die dort eine Hoteloberfachschule besucht hatte, war schon eine Saison im Miramar und kehrte dann in ihre Heimat zurück: „Dort ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt sehr kritisch“, sagt Saran und ist nun wieder in das Sylter Luxushotel zurückgekehrt: „Ich bin glücklich, wieder hier zu sein und arbeite im Service. Die Bezahlung ist gut, und ich habe auch schon Freunde gefunden.“
Wie schwierig der Arbeitsmarkt in anderen Ländern ist, zeigt das Beispiel von Maria Lopez. Seit Februar arbeitet sie im Service im Miramar und hat ihre drei Kinder bei ihrer Mutter in Spanien zurückgelassen, um Geld für die Familie zu verdienen.
Neu auf Sylt ist auch der Portugiese Panerácio Guerreiro. Der 59-Jährige aus der Nähe des Ferienorts Albufeira an der Algarve war nach vielen Jahren in der Schweiz zurück in die Heimat gekommen. Doch dann wurde sein Vater sehr krank. Für die Kosten kam Guerreiro auf, und irgendwann waren die Ersparnisse weg: „Ich muss Geld verdienen, und in Portugal bekommt ein Ober etwa 460 Euro im Monat. Das reicht nicht zum Leben.“ Eine Agentur hat ihn dann weit weg auf die Insel vermittelt: „Ich liebe das Meer, und hier habe ich es sogar bei der Arbeit im Blick.“ Guerreiro will noch bis zu seinem 65. Lebensjahr arbeiten. Wenn alles gut geht, hat das Miramar ihn noch sechs Jahre als Arbeitskraft.
Forderungen nach einer fairen Bezahlung
Der Dehoga Sylt, dem auf der Insel rund 160 Betriebe angeschlossen sind, kennt die Sorgen und Nöte in Sachen Personal, besonders wenn es um den Nachwuchs geht: „ Die Zeiten haben sich geändert. Heute müssen wir uns bei den jungen Menschen bewerben, um sie als Auszubildende zu gewinnen“, sagt Claas-Erik Johannsen. Der Hotelier führt das Romantik Hotel Benen-Diken-Hof in Keitum und weiß um die mehr als 100 Ausbildungsplätze, die laut IHK Flensburg zum 1. September noch im Hotel- und Gaststättengewerbe auf der Insel zu besetzen sind: „Die Situation ist schwierig. Und natürlich ist der Branche klar, dass langfristiger Erfolg nur mit gut ausgebildeten Nachwuchs möglich ist“, sagt Johannsen, der Sprecher der Fachgruppe Hotels vom Dehoga Sylt ist. Johannsen sucht mit seinen Verbandskollegen nach Lösungen: „Eine Hotelfachschule auf der Insel anzusiedeln, ist zum Beispiel eine Idee. Das hätte Strahlkraft“, sagt der zweite Vorsitzende Ipsen. Aber Johannsen zeigt noch einen weiteren wichtigen Aspekt auf: „Wer engagierte Mitarbeiter haben will, muss diese auch gut behandeln.“ Was heißt das? „Neben einer bezahlbaren Unterkunft muss eine faire Bezahlung auch von Überstunden selbstverständlich sein. Außerdem gehören ein angenehmes Arbeitsklima und vor allem auch regelmäßige Weiterbildungen dazu.“
Michael Schack, Geschäftsbereichsleiter für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Flensburg , bemängelt: Die Fluktuation bei den Ausbildungsbetrieben ist hoch. Deshalb müssen die Betriebe erkennen, dass die jungen Menschen buchstäblich mit den Füßen abstimmen. Das heißt, wenn sie sich nicht gut behandelt fühlen, wechseln sie den Arbeitgeber oder die Branche.“
Wie will Sylt dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken? Dehoga-Vorstand Raphael Ipsen fordert: „Wir müssen alle an einem Strang ziehen und das Ziel haben, dass die Attraktivität der Insel nicht nur von den Urlaubern, sondern vor allem auch von Mitarbeitern in Hotel- und Gastronomie wahrgenommen wird.“