In Schleswig-Holstein müssen Flüchtlinge schon nach zwei Wochen die überfüllte Unterkunft verlassen. Für Asylverfahren und Deutschlernen ist die Zeit viel zu kurz. Kommunen fühlen sich überfordert. Minister Studt will die Asylbewerber wieder länger in der Landesunterkunft behalten.

Kiel. Neue Asylbewerber sollen nach Ansicht von Innenminister Stefan Studt künftig wieder deutlich länger in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster bleiben. „Wir müssen die derzeit sehr kurzen Verweilzeiten von 10 bis 14 Tagen wieder verlängern“, sagte der SPD-Politiker. „Ich empfinde es als sehr unglücklich, die Flüchtlinge nach so kurzer Zeit den Kommunen zu übergeben, ohne dass die Verfahren hinreichend auf den Weg gebracht sind und die Asylbewerber wenigstens etwas Deutsch gelernt haben.“ Studt würde die Flüchtlinge am liebsten sechs Wochen lang nach ihrer Ankunft zentral betreuen lassen.

Die Flüchtlinge sollten in der Erstaufnahme zunächst etwas zur Ruhe kommen, Gelegenheit zur medizinischen Vorsorge haben und ihre Asylverfahren an zentraler Stelle beantragen können, sagte Studt. Dies würde auch die Kreise und Kommunen entlasten, die danach die Asylbewerber aufnehmen.

In der überfüllten Landesunterkunft in Neumünster leben derzeit 552 Asylbewerber und damit 150 mehr, als es eigentlich höchstens sein sollten. Die Zahl der Flüchtlinge, die Schleswig-Holstein aufnimmt, wird zum Jahresende wahrscheinlich mit etwa 6500 Asylbewerbern um zwei Drittel über dem Vorjahreswert liegen. Dies ist beileibe kein Höchstwert. 1992 waren 12 000 Menschen ins Land gekommen, 1993 noch 9000. Nach dem sogenannten Asylkompromiss sanken die Zahlen rapide. 1994 kamen 3400 Flüchtlinge; 2003 noch 1400.

Warum bereitet die Unterbringung heute mehr Probleme als vor 20 Jahren bei damals viel höheren Zahlen? „Der Rückgang seitdem über eine sehr lange Zeit hatte natürlich Konsequenzen“, sagte Studt. „So wurden die zweite zentrale Einrichtung in Lübeck geschlossen und das Personal beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten verringert.“ Jetzt gegenzusteuern sei bei der aktuellen Dynamik eine besondere Herausforderung. Das Landesamt hat sein Personal um 3 Stellen auf 32 aufgestockt. Eine neue Mitarbeiterin in der Erstaufnahme kam vor 20 Jahren selber als Flüchtling nach Schleswig-Holstein.

Bis zu 500 Neuankömmlinge will das Land künftig in Boostedt bei Neumünster in fünf ehemaligen Kasernengebäuden der Bundeswehr unterbringen. Damit kann Neumünster erheblich entlastet werden. „Wir wollen unseren bestmöglichen Beitrag dazu leisten, den Menschen nicht nur eine ordentliche Unterkunft zu geben, sondern sie auch angemessen zu betreuen, zu verpflegen und medizinisch zu versorgen“, sagte Minister Studt und betonte den humanitären Ansatz seiner Flüchtlingspolitik. „Wichtig ist es uns auch, mit den Menschen in Boostedt und anderen Standorten mit Flüchtlingsunterkünften das Gespräch zu führen und ihre Fragen oder Besorgnisse ernst zu nehmen.“

Studts Vorgänger Andreas Breitner (SPD) hatte mit Lütjenburg im Kreis Plön noch einen weiteren möglichen Standort für eine Erstaufnahmeeinrichtung ins Spiel gebracht. „Lütjenburg ist nicht zu den Akten gelegt, wird im Moment aber nicht mit der höchsten Priorität verfolgt“, sagte Studt. Vorrang habe Boostedt. Der Innenminister geht angesichts der Entwicklungen im Irak und in Syrien davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge eher weiter steigen wird.

Studt befürchtet, dass rechte Kräfte versuchen werden, die aus seiner Sicht unabdingbare humanitäre Hilfe für ihre Zwecke zu missbrauchen. „Damit müssen wir uns dann auseinandersetzen und deutlich machen, wie wichtig uns die Hilfe für jene ist, die in ihrer Not zu uns kommen.“