Das ABC von Axt und Kettensäge erlernten 16 Frauen im Holzfällerinnen-Camp im Wildpark Eekholt. Denn fachgerecht einen Baum zu fällen und zu zerlegen, ist vor allem eine Frage der richtigen Technik.
Großenaspe. Sonja klappt den Gehörschutz über die Ohren, klemmt die Motorsäge vorschriftsmäßig zwischen die Oberschenkel, ruckt einmal kräftig am Anlasser. Nichts passiert. Neuer Versuch. Beim dritten Mal springt der Zweitaktmotor an. Die zierliche Blondine klappt das schwarze Visiergitter vors Gesicht, setzt das surrende Sägeschwert an, gibt Vollgas. In Sekunden steht Sonja in einer Wolke wirbelnder Sägespäne. Wie durch Butter gleitet das scharfe Metall durch den Stamm einer waagerecht in den Bock eingespannten Fichte. Mit einem sanften „Plopp“ landet eine etwa acht Zentimeter dicke Holzscheibe im weichen Moos des Wildparks Eekholt zu Sonjas Füßen, die in ledernen Schnittschutzstiefeln stecken.
Sonja, Anfang 40, Lehrerin aus Hamburg, hat ihr erstes persönliches Motorsägen-Erlebnis hinter sich. Und? „Das Sägen ging viel leichter, als ich dachte. Aber das Anlassen finde ich echt schwierig.“ Die Waldarbeiter-Elevin ist eine von 16 Frauen, die an diesem kühlen Sommerwochenende beim Holzfällerinnen-Camp im Wildpark Eekholt nahe Großenaspe den fachgerechten Umgang mit Axt und Motorsäge erlernen wollen. Angeboten wird das Holzfällerinnen-Camp vom Hamburger Unternehmen Globetrotter. Zwei Tage lang wird in dem Waldstück zwischen Hamburg und Neumünster nicht nur gefällt, entastet und zerlegt. Sondern das ganze Leben findet draußen statt. Koch Christopher Maul grillt abends über dem großen Lagerfeuer, geschlafen wird in hölzernen Gemeinschaftshütten.
Die meisten der Teilnehmerinnen kommen aus Hamburg. Sie arbeiten im Büro, sind Bauingenieurinnen oder planen, wie die jüngste unter ihnen, die 20-jährige Laura, eine Tischlerlehre zu beginnen. Die wenigsten sind so versiert im Umgang mit Bohrmaschine und Hammer wie die schweigsame Susa. Aber alle haben eine besondere Beziehung zu Bäumen und Holz.
„Ich bin eine Art Holz-Messi“, sagt Tanja. „Wenn ich etwas Schönes aus Holz sehe, muss ich es einfach haben und in den Garten stellen.“ Das Interesse am Sägen entdeckte die 43-Jährige auf einer Reisemesse am Stand des Hamburger Outdoor-Spezialisten Globetrotter. „Ich hab es ausprobiert, fand es faszinierend und wollte es richtig lernen.“ Tanja überzeugte ihre Freundin Frauke, 40, sich gemeinsam für das Camp anzumelden. Und die zieht nun ganz praktischen Nutzen aus dem ungewöhnlichen Lehrgang. „Wir haben das Brennholz für unseren Ofen bis jetzt immer fertig gesägt gekauft“, sagt Frauke. Damit sei jetzt Schluss: „Von jetzt an erledige ich das selbst.“
Charlotte, 27, will fit an Axt und Motorsäge werden, weil sie einen Spezial-Deal mit Vater und Freunden geschlossen hat. „Ich fahre wahnsinnig gern große Pick-ups.“ Die dürfe sie aber nur lenken, wenn sie auch dabei mithelfe, Brennholz zu machen. Das hieß bis jetzt: langweilige Hilfsarbeiten wie Holz stapeln und schleppen übernehmen. „Aber ich will auch fachgerecht einen Baum fällen und zerlegen können.“
Nicht ausgeschlossen, dass Charlotte das am Ende des Kurses besser kann als ihre männlichen Freunde. Denn viele Hobby-Kettensäger machen schon beim Tragen und Anlassen der Geräte lebensgefährliche Fehler. „Es gibt genau zwei erlaubte Varianten, die Säge anzulassen“, sagt Forstexperte Dirk Lafrenz, Ausbilder der Berufsgenossenschaft bei der Deutschen Lehranstalt für Agrartechnik (Deula). „Das meiste, was eure Freunde und Ehemänner in dieser Hinsicht machen, ist verboten.“ Sicherheit ist ohnehin oberstes Gebot bei der Arbeit im Wald und steht auch auf dem Camp-Lehrplan an erster Stelle. Bevor es an die Praxis geht, erläutert Lafrenz den Frauen den korrekten Umgang mit dem gefährlichen Werkzeug. Ohne Schutzhelm, gepolsterte Schnittschutzhose, Spezialhandschuhe und Stiefel lassen die vier Ausbilder niemanden in den Wald.
An einer amerikanischen Roteiche, zugewanderte Exotin im norddeutschen Mischwald, geht es ans Eingemachte. Fällrichtung festlegen, Sicherheitsabstand beachten, Rückzugsmöglichkeit garantieren. Ist der Baum ein Vor- oder ein Rückhänger? Droht Gefahr durch herabstürzendes Totholz? Je länger Lafrenz redet und sägt, desto größer werden die Fragezeichen in den 16 Gesichtern. Fallkerbdach? Fallkerbsohle? Bruchleiste? Bruchstufe? Fallkerbhöhe? Schließlich bricht die Eiche vorschriftsmäßig ab, zehn Meter und satte zwei Tonnen Baum senken sich krachend ins Unterholz. Höchste Zeit für die Holzfällerinnen, selbst Hand an Säge und Baum zu legen.
Unter Führung ihrer Ausbilder verteilen sich die Frauen in vier Kleingruppen zwischen den Eekholter Fichten. An vorbereiteten Stämmen schneiden sie senkrechte und waagerechte Scheiben, trainieren die fachmännische Haltung der Säge, lernen, die Kette nachzuziehen und den Ölstand zu prüfen. Aus vier Richtungen knattern jeweils 110Dezibel aufs Gehör, die penetrante Duftmarke der Zweitaktmotoren überlagert das Aroma frisch gesägter Hölzer. „Anstrengend", sagt Susa. „Trifft aber bis jetzt voll meine Erwartungen“, schiebt Charlotte in einer Sägepause ein. Knöcheltief stehen die Holzfällerinnen in Spänen, Fichtenschnipsel bedecken Jacken und Hosen.
Nach gut zwei Stunden ist Feierabend. Die Mannschaft trottet zurück ins Camp. Dort wartet der Koch bereits mit Kartoffelsalat und frisch gegrillten Delikatessen am wärmenden Feuer. Die Frauen schälen sich aus der Schutzkleidung, einige genehmigen sich den rustikalen Mix aus Eierlikör und Schokokuss, den Camp-Chef Semih Serbes anbietet. Am Lagerfeuer sammeln sie Kraft für den nächsten Tag. Denn dann wird’s richtig ernst: Sie werden ihren ersten eigenen Baum umlegen.
Globetrotter bietet voraussichtlich im Sommer 2015 das nächste Holzfällerinnen-Camp an. Genaue Termine stehen noch nicht fest. Alle Details dazu gibt es im Internet unter www.globetrotter.de.