Es sind die ersten Flüchtlinge in Schleswig-Holstein – insgesamt 5000 Menschen will Deutschland direkt aus Syrien aufnehmen, Schleswig-Holstein voraussichtlich 168 von ihnen.
Kiel. Innenminister Andreas Breitner (SPD) hat am Dienstag in Kiel eine dreiköpfige syrische Flüchtlingsfamilie herzlich willkommen geheißen. Es handelt sich um die ersten Flüchtlinge in Schleswig-Holstein jener 5000 Menschen, die Deutschland direkt aus Syrien aufnimmt. Zugleich übte Breitner in einem dpa-Interview massive Kritik an der seiner Meinung nach unzureichenden, widersprüchlichen und inaktiven Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. „Millionen Flüchtlinge sind in Jordanien, und Deutschland kommt hier mit einem 5000er-Kontingent - ich finde das der Lage in Syrien unangemessen.“
„Im Moment haben wir eine Bundesregierung, die einen Abschottungskurs verfolgt, die geringe Kontingente wählt und die innerlich hofft, dass der Flüchtlingskelch an ihr vorübergeht“, sagte Breitner. Dies sei die falsche Grundeinstellung. Notwendig sei ein Reformwille auf europäischer Ebene im Sinne einer humanitären Flüchtlingspolitik. Kontingentierungen seinen grundsätzlich problematisch, er lehne starre Zahlenregelungen ab.
Breitner kritisierte das bestehende europäische Asylrecht, das zu absurden Situationen führe. So habe er sich gefreut, in Kiel die Familie im Rahmen des von der Bundesregierung zugesagten Kontingents in Sicherheit begrüßen zu dürfen. Gleichzeitig seien 85 syrische Flüchtlinge, die als Teil der organisierten Kriminalität durch Deutschland geschleust wurden, am Wochenende kurz vor der dänischen Grenze aufgegriffen und in die zentrale Aufnahmestelle nach Neumünster gebracht worden. 75 von ihnen haben sich inzwischen vermutlich nach Skandinavien abgesetzt.
„Wenn man ihrer habhaft geblieben wäre, hätte man sie nach geltendem Asylrecht nach Italien als ihrem europäischen Einreiseland zurückführen müssen – ich finde das unangemessen und falsch“, sagte Breitner und fügte hinzu: „Wir brauchen eine europäische Flüchtlingsagentur, die diese unterschiedlichen Ebenen auf einen Nenner bringt und miteinander abstimmt.“ Diese Agentur sollte die Flüchtlinge in Europa verteilen, wobei Deutschland mehr aufnehmen müsste als bisher.
168 Syrer nach Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein wird 168 Syrer des 5000er-Kontingents aufnehmen. Die ersten gut 100 Flüchtlinge, die vor zwei Wochen in Deutschland eintrafen und seither im Aufnahmelager im niedersächsischen Friedland untergebracht waren, kommen nun an ihre Wohnorte. Ursprünglich sollte die jetzt in Kiel angekommen Familie nach Nordfriesland, aber sie wollte in die Landeshauptstadt , weil dort schon Verwandte leben. „Das Land und die Stadt Kiel haben dem Wunsch natürlich entsprochen“, sagte Breitner.
Unabhängig von diesen 5000 Flüchtlingen kamen seit Ausbruch des syrischen Konflikts im März 2011 rund 18.000 Menschen auf eigene Faust aus dem Bürgerkriegsland nach Deutschland, um hier um Asyl zu bitten. Schleswig-Holstein wird bis Ende des Jahres insgesamt mehr als 3000 Asylbewerber aufnehmen, einen Teil davon aus Syrien.
„Die Forderung der Opposition geht ins Leere“
Der Landtag in Kiel debattiert an diesem Mittwoch über die Flüchtlingsproblematik. Die CDU fordert ein gemeinsames Konzept von Land und Kommunen zur „menschenwürdigen Unterbringung“. Wenn die Zahl der Flüchtlinge stark ansteige, drohe sowohl in der Aufnahmeeinrichtung des Landes in Neumünster als auch in den Kommunen eine Überlastung, warnte die Union.
„Die Forderung der Opposition geht meines Erachtens ins Leere“, sagte Breitner. „Wir wissen um das Problem, auch um die angespannte Lage in vielen Städten und Gemeinden und begegnen ihr durch eine umfangreiche Beratung und eine sehr großzügige Kostenteilung.“ Das Land übernehme 70 Prozent der Kosten. Zugleich räumte Breitner ein, die im Koalitionsvertrag beschriebenen Standards der Flüchtlingsbetreuung zurzeit nicht vorrangig verfolgen zu können. Zunächst gehe es darum, „den Flüchtlingen ein heiles Dach über dem Kopf zu verschaffen, und das machen wir mit den Kommunen im ganz engen Schulterschluss“.