Das Segeberger Jugendamt wurde in der „Kellerkind”-Affäre nun durch ein Gutachten entlastet. Laut Experte hätte es keine Fehler gemacht.

Bad Segeberg. In einem Gutachten zur Segeberger „Kellerkind“-Affäre hat ein Kinderschutzexperte das zuständige Jugendamt entlastet. „Es gab keine Verstöße und keine fachlichen Fehler, die den beteiligten Fachkräften persönlich zugerechnet werden könnten“, sagte der Soziologe Reinhart Wolff am Donnerstagabend bei einer Ausschusssitzung des Kreistages in Bad Segeberg. Er hatte den Fall des dreijährigen Jungen beleuchtet, der im Juni in einer völlig verdreckten Kellerwohnung entdeckt worden war. Dort hatten ihn seine offenbar völlig überforderten Eltern eingesperrt. Die Familie mit sechs Kindern war seit 2006 vom Jugendamt betreut worden.

Der Fall hatte Entsetzen ausgelöst und Fragen zu möglichen Fehlern der Behörden aufgeworfen. Wolff stellte nun fest, die Mitarbeiter des Jugendamtes und der Sozialen Dienste hätten „ganz ordentlich gearbeitet“, so wie das in vielen deutschen Jugendämtern üblich sei. Aber: „Es geht noch besser“, betonte der Experte. Das Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen wie etwa Jugendamt und Gerichte hätte

seiner Ansicht nach in dem Fall besser sein können. Dies sei eine große Herausforderung gewesen. Die Eltern hätten einerseits dringend Hilfe benötigt, diese aber immer wieder massiv abgelehnt, „wie ein Patient, der dem Zahnarzt beim Bohren in den Arm fällt“, sagte Wolff.

Zeitweise würden Helfer von solchen Menschen wie „Agenten einer feindseligen Außenwelt“ wahrgenommen. „Mal ließen die Eltern Hilfe zu, dann wieder nicht“, erklärte der Experte. Dieses große Schwanken habe sich auf die beteiligten Institutionen übertragen. So habe der eine Richter gesagt, „Jetzt ist Schluss“ und habe die Kinder aus der Familie nehmen wollen. Ein anderer dagegen habe noch einmal „eine Bewährungszeit“ angesetzt. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte das ursprünglich dem Jugendamt übertragene Sorgerecht für alle fünf Kinder wieder geändert – zwei jüngere Kinder durften die Eltern behalten, die danach noch ein drittes Kind bekamen.

„Das war keine sadistische Familie“, betonte Wolff. Die Eltern seien um das Wohl ihrer Kinder bemüht gewesen, aufgrund ihrer eigenen

Geschichte aber stark belastet und überfordert. „Es gibt einfach Familien, die man nicht ambulant betreuen kann“, sagte er. Inzwischen lebten der Dreijährige und seine Geschwister alle in Einrichtungen.

Im Segeberger Jugendamt gebe es – wie auch andernorts – eine „große Personalnot“ und damit wenig Zeit für die Fachkräfte, über Probleme wie das „Schwanken“ zu reflektieren. Man solle aus dem Fall Lehren ziehen und diese landesweit im Norden verbreiten, empfahl Wolff. So solle es gezielte Qualifizierungen zum Umgang mit „hilferesistenten Familien“ geben. Wolff betonte: Man könne letztlich nicht verhindern, dass sich ein solcher Fall wiederhole. „Man kann leider nicht immer genau vorhersehen, was passiert, und alle Risiken ausschließen.“

Die Segeberger Landrätin Jutta Hartwieg (SPD) kündigte an, die Ratschläge aus dem Gutachten sollten umgesetzt werden. So wolle man etwa eine maßvolle Personalaufstockung angehen. „Das Gutachten ist entlastend und sehr zielführend“, lobte sie. Die Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes, Irene Johns, meinte, der Gutachter habe gut dargestellt, „wie komplex Kinderschutz ist“. „Wenn die Empfehlungen umgesetzt werden, kann das Gutachten dazu beitragen, dass der Kinderschutz in Schleswig-Holstein gestärkt wird“, sagte sie. Dabei gehe es etwa um mehr Ressourcen, mehr Fachkompetenz und den Einstieg in Qualitätsbildungsprozesse.