Schleswig-Holsteins Grüne kritisieren die Stagnation in der Zusammenarbeit mit Hamburg und sehen wirtschaftliche Interessen gefährdet.

Kiel. Mehr hehre Worte als reale Fortschritte: Die viel beschworene Kooperation zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg droht in schwieriges Fahrwasser zu geraten. Mehrere Landtagsfraktionen haben am Dienstag in Kiel vor Rückschlägen gewarnt. Die härteste Kritik kam von den Grünen: Die Kooperation, die Hamburg schon immer mit langen Fingern angefasst habe, sei völlig ins Stocken gekommen, sagte Fraktionschef Robert Habeck. Unter Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schlage die „Pfeffersäckische Mentalität“ immer wieder durch.

Habeck rügte besonders Hamburger Pläne für eine eigene Windenergiemesse als Konkurrenz zur weltgrößten Messe dieser Art in Husum. „Uns das wegnehmen zu wollen, ist ein massiver Angriff auf die Wirtschaftsinteressen Schleswig-Holsteins.“ Die Grünen brachten einen Dringlichkeitsantrag ein, um über das Thema in der am Mittwoch beginnenden Landtagssitzung zu debattieren.

Scholz und der Hamburger Senat dürften sich nicht wie die Axt im Walde benehmen, befand Habeck. Ein Nordstaat scheitert aus seiner Sicht schon daran, dass Hamburg einen Bürgermeister habe, „der zwischen sich und der Sonne keine weitere Ebene mehr kennt“. Der Norden habe als Region nur gemeinsam eine Chance.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner räumte ein, Hamburg verteidige seine Interessen von jeher burschikos. Er könne aber nicht erkennen, dass Scholz gegenüber Schleswig-Holstein weniger aufgeschlossen sei als seine Vorgänger. Vielmehr verhalte sich die Regierung in Kiel wie eine schlechte Opposition, indem sie stets andere beschimpfe.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki riet zu Gelassenheit, betonte aber die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit beider Länder, die voneinander abhängig seien. „Wir können ohne Hamburg zwar leben, aber nicht gut. Hamburg kann ohne Schleswig-Holstein gar nicht leben.“

Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) hatte die Hamburger Windmesse-Pläne zulasten Husums als Frontalangriff auf die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern bezeichnet und Konsequenzen für die Wirtschaftsförderung angedroht. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen nannte es am Dienstag sehr befremdlich, dass Hamburg Kooperationschancen auch im Kleinen nicht nutze, wie es möglich wäre.

Beginnen wird die dreitägige Landtagssitzung mit einer Aktuellen Stunde zu Folgen aus dem Scheitern des sogenannten CCS-Gesetzes im Bundesrat. Das Gesetz sollte es ermöglichen, in Deutschland das Klimagas Kohlendioxid unterirdisch zu speichern, zugleich aber Ländern wie Schleswig-Holstein die Möglichkeit geben, dies auf ihrem Gebiet zu verhindern. Im Norden sind alle Parteien gegen die Anwendung dieser Technik. Kubicki sagte voraus, ein neues Gesetz werde keine Länderklausel mehr enthalten. Deren Verankerung sei diesmal nur in einer besonderen Konstellation gelungen.

Am Mittwoch wird auch ein neuer Flüchtlingsbeauftragter gewählt. CDU/FDP schlagen mit Stefan Schmidt einen früheren Kapitän des Flüchtlingsrettungsschiffes „Cap Anamur“ vor. Für ihn zeichnet sich eine große Mehrheit ab. Außerdem geht es um ein Gesetz, mit dem die Regierung stark verschuldeten Städten und Kreisen helfen will, die Haushalte zu sanieren. 95 Millionen Euro jährlich sind dafür vorgesehen.

Am Freitag berät der Landtag die Forderung von Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) nach Bund-Länder-Anleihen. Jährlich bis 40 Millionen Euro will er damit an Zinsen sparen. „Die Deutschland-Bonds sind richtig“, sagte Grünen-Finanzexpertin Monika Heinold zu der geplanten Bundesratsinitiative. „Wir wissen nicht, warum der Bund sich weigert, den Ländern entgegenzukommen“, äußerte Kubicki. Auch SPD-Kollege Stegner hält Deutschland-Bonds in der Sache für richtig.

Die SPD hofft für Freitag auch darauf, die schwarz-gelbe Koalition vorführen zu können: Sie will in der Flüchtlingspolitik einen Antrag

zur Abstimmung stellen, der im Wortlaut einer Bleiberechtsinitiative des von der FDP gestellten parteilosen Integrationsministers Emil Schmalfuß entspricht. Dessen Vorlage haben die Koalitionsfraktionen für ihren eigenen Antrag im zuständigen Landtagsausschuss stark aufgeweicht. Nun warten die Sozialdemokraten voller Vorfreude darauf, dass sich die FDP im Plenum gegen die Ursprungsvorlage des eigenen Ministers stellt. (abendblatt.de/dpa)