Einen Monat nach dem Rücktritt wegen der “Lolita-Affäre“ ließ sich Christian von Boetticher erstmals wieder zur Sitzung im Kieler Landeshaus sehen.

Kiel. Der schleswig-holsteinische CDU-Politiker Christian von Boetticher ist nach seinem spektakulären Verzicht auf alle Spitzenämter wegen einer Beziehung zu einer 16-Jährigen in den politischen Alltag zurückgekehrt. Als einfacher Abgeordneter nahm der 40-Jährige am Dienstag nach einmonatiger Auszeit wieder an einer Fraktionssitzung im Kieler Landtag teil. Seine Kollegen begrüßten ihn überaus freundlich per Handschlag und mit Umarmungen.

„Sie sehen, ich bin wieder da“, sagte Boetticher vor den Kameraleuten und Journalisten, die ihn dicht bedrängten. Er werde sein Mandat als direkt gewählter Abgeordneter bis Ende der Wahlperiode wahrnehmen. Ob er zur Landtagswahl im nächsten Mai erneut antritt, ließ er offen. Darüber werde er zu gegebener Zeit mit den Gremien der Partei sprechen. Boetticher dankte seiner Familie und allen, die ihn in den letzten Wochen sehr stark unterstützt hätten. Er sei zwei Wochen mit seinem Vater in den Bergen wandern gewesen. „Das war persönlich sehr wichtig für mich.“

Die schwarz-gelbe Koalition braucht am Mittwoch Boettichers Stimme, um im Landtag ihr umstrittenes Glücksspielgesetz beschließen zu können. CDU und FDP haben nur ein Mandat mehr als die Opposition. Im Plenarsaal wird Boetticher statt in der ersten Reihe künftig in der dritten sitzen.

„Ich freue mich, dass er wieder da ist“, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. „Das ist ein Willkommen unter Freunden“, meinte auch Wirtschaftsminister Jost de Jager (46), der an Boettichers Stelle nun Spitzenkandidat zur Landtagswahl und CDU-Landesvorsitzender werden soll. „Die Zusammenarbeit wird freundschaftlich und kollegial sein.“ Der gefallene Kronprinz Boetticher betonte, er unterstütze de Jager von ganzem Herzen, damit er der nächste Ministerpräsident des Landes werde. Der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister soll am 24. September zum Landesvorsitzenden und am 4. November zu Spitzenkandidaten gewählt werden.

Nach der letzten Umfrage lag allerdings die SPD, die mit Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig (48) in die Wahl am 6. Mai 2012 geht, knapp vor der CDU. Möglich wären demnach Regierungen von SPD oder CDU mit den Grünen sowie eine Große Koalition.

„Wir nehmen ihn in unserer Mitte auf“, sagte Johannes Callsen, der Boetticher als Fraktionschef abgelöst hat, über seinen Vorgänger. Die Fraktion wolle ihm den Wiedereinstieg in die Arbeit so leicht wie möglich machen und jetzt wieder nach vorne schauen. Er habe den Eindruck gewonnen, dass Boetticher sehr verantwortungsvoll seine Arbeit als Abgeordneter fortsetzen wolle, sagte Callsen. Angesichts der Turbulenzen um Boetticher Mitte August formulierte Ministerpräsident Carstensen den Wunsch vieler Christdemokraten: „Wir wollten jetzt wieder zu einer Normalität kommen“.

In der CDU-Fraktion teilt sich Boetticher jetzt ein Büro mit Fraktionsvize Hans-Jörn Arp. „Ich freue mich, dass er wieder da ist“, sagte Arp der dpa. „Nach seiner Auszeit geht es jetzt wieder los.“ Er sehe der Bürogemeinschaft absolut positiv entgegen. Boetticher bleibt medienpolitischer Sprecher der Fraktion und Mitglied im Richterwahlausschuss. In welchen Ausschüssen er darüber hinaus mitarbeiten wird, steht noch nicht fest.

Im Hinblick auf die Entscheidung im Landtag am Mittwoch über das schwarz-gelbe Glücksspielgesetz sagte Fraktionschef Callsen, er rechne aus seiner Fraktion mit einem klaren Signal der Zustimmung. Die Kieler Koalition will die Glücksspiele viel weitreichender privaten Anbietern öffnen als nach bisherigem Stand die anderen 15 Länder. Das gilt vor allem für Sportwetten. Dafür sollen ab März 2012 Lizenzen vergeben werden und nicht schon ab Jahresbeginn. Damit gibt es zumindest theoretisch noch Einigungsmöglichkeiten mit den anderen Ländern. „Wir wollen keinen Alleingang, aber wenn es sein muss, gehen wir auch alleine“, sagte CDU-Glücksspielexperte Hans-Jörn Arp. „Wir halten die Tür für die anderen Bundesländer offen“, bekräftigte Callsen. Die Ministerpräsidenten werden im Oktober und im Dezember über das Thema reden. (dpa)