Die Schleswig-Holsteiner haben in sozialen Angelegenheiten bei der Bürgerbeauftragten des Landes 2011 so oft Hilfe gesucht wie nie zuvor.

Kiel. Zu wenig Geld, verspätete und unverständliche Bescheide, keine Ansprechpartner – vor allem Langzeitarbeitslose laden viel Ärger bei der Bürgerbeauftragten ab. Sie hat mehr Beschwerden auf dem Tisch als je zuvor. Auch Altersarmut bekommt sie zu spüren.

Exakt 3713 Eingaben erhielt Amtsinhaberin Birgit Wille und damit 120 mehr als im Vorjahr. Der bisherige Rekordstand aus dem Jahr 2008 wurde um fast 50 übertroffen. Oft geht es um Probleme von Hartz-IV-Empfängern , Streit mit Krankenversicherungen über Krankengeld und um die Grundsicherung im Alter. „Die Altersarmut zeigt hier wirklich ihr Gesicht“, sagte Wille am Donnerstag in Kiel.

Die Bürgerbeauftragte erreicht in den meisten Fällen etwas im Interesse der Bürger. Wenn deren Eingaben als zulässig eingestuft wurden – das war 2011 gut 3440 Mal der Fall – schlossen Wille und ihre neun Mitarbeiter fast 90 Prozent positiv ab.

Die meisten Beschwerden kommen weiterhin von Hartz-IV-Empfängern, auch wenn die Zahl etwas sank. „Es gibt keinen Bereich, wo die Menschen so stigmatisiert werden wie in diesem“, sagte Wille. Bürger und Verwaltung stünden sich oft unversöhnlich, sogar feindselig gegenüber. „Da muss sich etwas ändern.“

Trotz einer Gesetzesreform und vieler Grundsatzentscheidungen des Bundessozialgerichts ging die Zahl der Problemfälle bei den Langzeitarbeitslosen nur etwas zurück. Immer wieder geht es darum, ob die gewährten Leistungen korrekt sind. Fehlende Ansprechpartner und unverständliche Bescheide verunsichern die Leute außerdem. „Die zentrale Aufgabe der Jobcenter, nämlich die Integration von arbeitslosen Menschen in Arbeit, wird zu stark in den Hintergrund gedrängt“, stellt die Bürgerbeauftragte in ihrem Bericht fest.

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Oft überschreitet die Bearbeitung von Widersprüchen die gesetzlich vorgegebene Frist von drei Monaten, so dass bei den Sozialgerichten viele Untätigkeitsklagen landen. In gut 300 Eingaben ging es um die Kosten für Unterkunft und Heizung. Häufig wird bezweifelt, dass angemessener Wohnraum zu den vorgegebenen Richtwerten in dem jeweiligen Ort überhaupt vorhanden ist. Die Bürgerbeauftragte setzt hier auf weitere Gesetzesänderungen: So sollten die Kommunen per Satzung mehr selbst regeln dürfen. Ein entsprechender Gesetzentwurf werde im Landtag beraten.

Die Ratschläge der Bürgerbeauftragten halfen zum Beispiel einer Arbeitslosen im Streit um Heizkosten weiter: Sie erreichte es mit einem Widerspruch, dass ihr eine Nachzahlung komplett von über 900 Euro erstattet wurde und nicht nur 66 Euro, die ihr das Jobcenter bewilligen wollte. Eine weitere Frau bekam einen Bildungsgutschein für eine dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin, der ihr zunächst verweigert worden war.

Um richtig viel Geld ging es bei einer Frau, von der eine Krankenkasse rückwirkend fast 10 000 Euro Beitrag haben wollte, weil sie hauptberuflich selbstständig gewesen sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, wies die Bürgerbeauftragte nach – es blieb bei der betragsfreien Familienversicherung. Übrigens: Fast zwei Drittel aller Beschwerden kommen von Frauen.

(dpa/abendblatt.de)