Vertreter von SPD, Grünen und FDP haben in Kiel ihre Sondierungsgespräche aufgenommen. Albig hat zudem immer noch die Piraten im Blick.

Kiel. Sie wollen gemeinsam regieren und sie müssen es wohl auch: Zur „Dänen-Ampel“ in Schleswig-Holstein aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) gibt es derzeit keine realistische Alternative. „Wir sind zum Erfolg verdammt, denn etwas Anderes geht nicht“, sagt ein Sozialdemokrat, der seit vielen Jahren bei allen wichtigen Entscheidungen dabei war. Am Donnerstag und Freitag führen SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig und Landesparteichef Ralf Stegner mit Grünen und SSW Sondierungsgespräche, die Mitte nächster Woche in Koalitionsverhandlungen münden dürften.

Realistische Alternativen zur „Dänen-Ampel“ mit ihrer Einstimmen- Mehrheit im Landtag sind nicht in Sicht. Rechnerisch wären auch eine große Koalition, „Jamaika“ aus CDU, FDP und Grünen oder eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen möglich. Aber: „Eine große Koalition würde keine Mehrheit auf einem SPD-Parteitag bekommen“, sagt ein Insider. „Jamaika“ würde die Grünen zerreißen. Rot-Gelb-Grün schließt die FDP wegen Stegner aus, die Grünen tun es wegen Wolfgang Kubicki.

Die Grünen um Fraktionschef Robert Habeck geben sich gelassen: Sie wollten die „Dänen-Ampel“, aber nicht auf Biegen und Brechen. „Wir können auch Opposition“, sagte Landeschefin Eka von Kalben. „Bei uns gehen Inhalte vor Macht.“ Doch große Ministerien zu führen, für Finanzen und Energiewende etwa, reizt schon sehr.

Albig vermittelt den Eindruck, dass er am Zustandekommen des einmaligen Bündnisses keinen Zweifel hat. Apropos Mehrheit: Die SPD rechnet neu. Demnach steht es im Landtag nicht 35 zu 34, sondern 35 zu 28 – zwischen „Dänen-Ampel“ und Schwarz-Gelb. Die SPD sieht die 6 Piraten anders in der Opposition als CDU/FDP. Stimmen von ihnen nähme Albig auch gern bei der Ministerpräsidenten-Wahl am 12. Juni mit. Die Umworbenen nennen Forderungen: Nein zur Vorratsdatenspeicherung, mehr Transparenz und Mitbestimmung, Wahlalter 16 – das kann zumindest zum Teil ins Profil von Rot-Grün plus SSW passen. Vielleicht tragen die Piraten die Anderen mit Impulsen von außen ja ein bisschen zum Jagen.

Auf 80 bis 85 Prozent beziffert Stegner gemeinsame Schnittmengen von SPD, Grünen und SSW. Aber Dissense sind da. So lehnen die Grünen Verkehrsbauten ab, die SPD und SSW wollen. Beispiel: Weiterbau der A20 samt Elbquerung westlich Hamburgs. Aber an einem Projekt wollen die Grünen eine Koalition nicht scheitern lassen. Das Problem beim Haushalt: Ausgabenwünsche für mehr Lehrer, Kitas, Kommunen, Soziales, mehr Blindengeld oder dänische Schulen treffen auf einen Schuldenberg von 27 Milliarden Euro. Die drei Parteien haben beschlossen, Mehrausgaben gegenzufinanzieren. Doch im Konkreten kann es knirschen.

+++ Dänen-Ampel - wer wird was in Schleswig-Holstein? +++

Schon kursieren Spekulationen über Ministerien und Posten. Dass die SPD Bildung und Wissenschaft mit der Flensburger Uni-Präsidentin Waltraud Wende besetzen will, ist klar. Für Inneres gilt Rendsburgs Bürgermeister und SPD-Landesvize Andreas Breitner als gute Wahl. Die Finanzen können Verhandlungsmasse zwischen SPD und Grünen werden, die ihre Expertin Monika Heinold aufbieten. Aber das Schlüsselressort wird Albig nicht ohne weiteres abgeben. Vieles hängt vom Gesamtpaket ab. Für ein Energiewende-Ministerium käme Grünen-Fraktionschef Habeck infrage. Der SSW will auch ein wichtiges Ministerium führen.

Trübe ist die Stimmung bei der CDU. Spitzenkandidat und Landeschef Jost de Jager hat kein Landtagsmandat. Dass ein Abgeordneter abtritt, damit de Jager über die Liste nachrückt, zeichnete sich bisher nicht ab. Abseits vom Parlament wird er es schwer haben, die CDU kraftvoll zu führen. Dass sie noch bei der Regierungsbildung eine Rolle spielt, erwartet kaum jemand. De Jagers Einladung zu Sondierungsgesprächen an SPD, Grüne und FDP erntete eine freundliche Abfuhr.

De Jager bekräftigt Führungsanspruch in Nord-CDU auch ohne Mandat

Nach dem enttäuschenden Ausgang der Landtagswahl für die CDU in Schleswig-Holstein hat der Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Jost de Jager seinen Führungsanspruch untermauert. Die Führung des Landesverbandes hänge für ihn nicht an einem Landtagsmandat, sagte de Jager auf einem Kleinen Parteitag am Mittwochabend in Neumünster. Er wolle nicht, dass ein direkt gewählter Abgeordneter sein Mandat zurückgibt, damit er, de Jager, über die Landesliste in das Parlament nachrücken kann. „Niemand muss für mich von seinem Mandat zurücktreten“, betonte de Jager. „Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil damit die Diskussion beendet ist.“

De Jager erhielt kein Mandat, weil kein CDU-Politiker mehr über die Liste der Partei ins Parlament kam. Die CDU gewann 22 Sitze direkt in den Wahlkreisen und damit exakt so viele, wie ihr nach dem Anteil an den Zweitstimmen zustehen. Somit blieb für de Jager auf Listenplatz 1 kein Mandat übrig. Nur wenn ein Abgeordneter auf sein Mandat verzichten oder aus anderen Gründen ausscheiden würde, könnte de Jager in den Landtag nachrücken.

Die CDU hatte 30,8 Prozent der Stimmen geholt und lag damit nur hauchdünn vor der SPD. De Jagers Ziel war es aber, mit Abstand stärkste Kraft zu werden. Außerdem sollte eine Regierungsbildung nur mit der CDU möglich sein. Doch jetzt können SPD, Grüne und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) eine Koalition bilden, was sie auch gerade vorbereiten. Obwohl er das Wahlziel verfehlte, erntete de Jager viel Beifall für seinen Wahlkampf und für eine kritische Wahlanalyse. Er rief seine Partei auf, weiterhin geschlossen und selbstbewusst aufzutreten, wie zuletzt im Wahlkampf. Auch der scheidende Ministerpräsident Peter Harry Carstensen rief die Partei zur Geschlossenheit auf und warb um Unterstützung für de Jager.

Der CDU-Landeschef betonte, seine Partei wolle weiterhin Verantwortung für das Land. Deshalb habe sie auch SPD, Grünen und FDP Sondierungsgespräche angeboten. Schleswig-Holstein brauche eine stabile und solide Regierung. Die CDU finde sich noch nicht mit einer Oppositionsrolle ab. Es gebe eine Alternative, die es besser könne als die „Dänen-Ampel“. De Jager räumte ein, dass die CDU bei der Wahl mehr Stimmen holen wollte. 30,8 Prozent seien für sie als Volkspartei zu wenig. Die CDU habe 14 000 Wähler an die Piraten verloren. „Wir müssen überlegen, ob die Wahlkampagne in allen Punkten richtig war“, sagte de Jager. Kritik gab es in der CDU unter anderem daran, dass Plakate in ganz unterschiedlichen Farben aufgestellt wurden.

Als problematisch gilt in der CDU auch die personelle Zusammensetzung der neuen Fraktion mit nur noch 22 Abgeordneten: Die großen Städte sind nicht vertreten, es gibt nur wenige Frauen und jüngere Parlamentarier. De Jager forderte außerdem, dass die CDU außer der Haushaltskonsolidierung als Markenkern mindestens noch ein zukunftsgerichtetes Gestaltungsthema entwickelt und vorantreibt. Es müsse ein Thema sein, das die Menschen berührt und mitnimmt.