Wedel. Mit Justus Hollatz und Sebastian Gleim haben zwei deutsche Basketball-Helden eine Wedeler Vergangenheit. Was sie dort gelernt haben.

„Es klingt noch immer absurd, dass wir Weltmeister sind. Von Tag zu Tag realisiert man das aber immer mehr“, spricht Justus Hollatz mit etwas Abstand über den Gewinn des Weltmeistertitels – der erste überhaupt für Deutschland. Mit den Spielern wie Dennis Schröder oder Franz Wagner kommen viele der Leistungsträger aus der NBA oder 1. Basketballbundesliga – doch auch der SC Rist aus der 2. Basketballbundesliga Pro-B trug einen kleinen Teil zum Erfolg bei.

Mit Hollatz und Co-Trainer Sebastian Gleim bildete Wedel gleich zwei wichtige Persönlichkeiten des Weltmeisterteams aus. Der ehemalige Bundesligacoach Gleim und der mittlerweile Euroleague-Spieler Hollatz begannen ihre Profikarrieren beim SC Rist in Wedel.

Wedels Weltmeister im Basketball: „Es klingt immer noch absurd“

Der gebürtige Hamburger Hollatz spielte bereits in den Jugendteams der Hamburg Towers und durfte bereits mit 16 Jahren im Profibereich des SC Rist Erfahrung sammeln. „Die Zeit in Wedel war sehr wichtig für mich. Es kommt mir vor, als sei es gestern gewesen, vor drei Jahren habe ich noch dort gespielt“, erinnert sich der mittlerweile 22 Jahre alte Spielmacher zurück.

„Dass ich in so jungen Jahren schon Verantwortung im Profibereich übernehmen durfte, tat meiner Entwicklung sehr gut. Der Verein hat mir Vertrauen geschenkt, auch wenn es mal nicht so lief.“ Durch die Kooperation zwischen Hamburg und Wedel habe er enorm profitiert, so Hollatz. „Aus den Fehlern in den Spielen habe ich immer viel mehr gelernt als im Training, dafür bin ich sehr dankbar. Die Kooperation hilft Jugendspielern enorm, da man so früh im Profibereich Verantwortung übernehmen muss.“

Weltmeister Sebastian Gleim coachte als Cheftrainer das Team aus Wedel

Auch Gleim sammelte erste Profi-Erfahrung jedoch als Trainer beim SC Rist. Nachdem er als Jugendtrainer in Bremerhaven fungierte, wechselte er 2009 an die Elbe und war auch dort zunächst verantwortlich für die Jugendabteilung. Der Aufstieg der 1. Herren in die Pro-B ermöglichte neue Wege für Gleim und er erhielt unter Cheftrainer Özhan Gürel die Rolle des Assistenztrainers. Von 2012 bis 2014 coachte Gleim dann als Cheftrainer das Pro-B-Team in der Steinberghalle.

Sebastian Gleim, hier noch während seiner Zeit beim SC Rist Wedel.
Sebastian Gleim, hier noch während seiner Zeit beim SC Rist Wedel. © Meincke | Meincke

„Das war eine sehr wichtige Zeit für mich in Wedel, weil ich mich weiterentwickeln und mehr Verantwortung übernehmen konnte. Ich hatte viel Raum vom Verein, mich zu probieren und als Trainer weiterzuentwickeln“, so Gleim über seine Zeit in Wedel. „Der SC Rist ist einer der wenigen Traditionsvereine in Deutschland, der immer sein Level gehalten und gleichzeitig etwas Neues entwickelt hat.“

Weltmeistercoach: „Während des Turniers ist keine Zeit zum Realisieren“

Dass er sich selbst irgendwann mal als Weltmeister bezeichnen kann, hätte er in seinen ersten Trainerstationen nicht zu träumen gewagt. „Es ist noch irreal, dass wir tatsächlich Weltmeister geworden sind“, so Gleim. „Während des Turniers sind wir Trainer in so einem Workflow, dass da keine Zeit zum Realisieren ist, was hier eigentlich passiert. Das war ein toller und besonderer Moment für uns alle“, so Gleim.

Der 39 Jahre alte Ex-Coach des Bundesligisten Crailsheim war nach dem Titelgewinn ähnlich wie Headcoach Gordon Herbert besonders mental erschöpft. „Coaching ist so anspruchsvoll mit der Vor- und Nachbearbeitung und Gordon macht das auf einem so hohen Niveau. Ich war sehr emotional, als das Finale zu Ende war und wir Weltmeister geworden sind, weil ich in meinem Leben so viel für Basketball investiert habe, um voranzukommen“, so Gleim.

Auch er selbst kam während des Turniers kaum zu Ruhe. Neben der Leitung von Trainings gehörte das Scouten des nächsten Gegners zu seinen täglichen Aufgaben. So habe er vor dem Halbfinale gegen die USA die Verteidigung der Amerikaner genauer unter die Lupe genommen, vor dem Finale gegen Serbien waren es die Rollen bestimmter Spieler.

Hollatz: „Das war echt cool, wir haben etwas angestoßen in Deutschland“

Beide beschreiben die Geschehnisse der WM – ausgetragen in Japan, Philippinen und Indonesien – als einzigartiges Erlebnis. Auch die Ankunftsfeier in Frankfurt mit vollen Straßen und anschließenden Medienterminen sei für Basketballer in Deutschland ein Novum. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir von so vielen Menschen empfangen werden – besonders nicht an einem Dienstagvormittag. Das war echt cool und hat uns gezeigt, dass wir etwas angestoßen haben in Deutschland“, so Hollatz.

Sein alter Heimatverein Hamburg Towers schmiss spontan eine Überraschungsparty für den 22-Jährigen, als dieser in der Woche nach dem Sieg bei Familie und Freunden Kraft tankte. „Das war dann auch deutlich emotionaler als die Ankunft in Frankfurt.“ Für den gebürtigen Hessen Gleim, der als Trainer die ein oder andere Siegesfeier miterleben durfte, war auch die Ankunft in Frankfurt überwältigend. „Als Weltmeister empfangen zu werden, sowas habe ich auch nicht erlebt. Ich habe ehemalige Jugendspieler wiedergesehen aus meiner langen Zeit als Coach in Frankfurt. Das werde ich nicht vergessen.“

Basketball-Weltmeister hoffen auf mehr Aufmerksamkeit

Mit dem Gewinn eines großen Titels erhoffen sich die Gleim und Hollatz mehr Aufmerksamkeit für den Sport – nicht nur im Jugendbereich, sondern auch beim Publikum. „Ich kann mir schon vorstellen, dass mehr Kinder und Jugendliche mit dem Basketball anfangen. Ansonsten glaube ich, dass es eher eine Momentaufnahme sein wird und die Unterstützung langsam zurückgeht. Aber vielleicht kann man mit Olympia im nächsten Jahr die Präsenz aufrechterhalten oder sogar steigern“, so Hollatz.

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Für Gleim sind vor allem die Persönlichkeiten, wie Schröder oder die Wagner-Brüder, der Schlüssel für langfristigen Erfolg. „Es ist wichtig, dass Spiele von vielen gesehen werden und dass man Helden hat. Das ist so jemand wie Dennis Schröder, Franz Wagner – das sind Helden für viele Kinder. Ich denke, diese Jungs werden Vorbilder sein für viele und ein Grund sein, warum man mit Basketball anfängt.“ Auch kommende Nachwuchstrainer ermutigt Gleim, sich auszuprobieren und dranzubleiben.

„Ich habe mit 16 Jahren angefangen, nächstes Jahr werde ich 40. Der Weg zu einem Erfolg wie dem Weltmeistertitel ist sehr steinig. Ich hoffe, das ermutigt viele darin Zeit und Energie zu stecken.“ lgö