Kreis Pinneberg. Kommt die Wedeler Feuerwehr wegen Tempo-30-Zonen im Notfall zu spät zum Einsatzort? Auch andere Städte kennen die Diskussion.

Im Notfall zählt jede Sekunde. Dann müssen die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren so schnell es geht zur Wache und von dort zum Einsatzort kommen. Jetzt schlagen die Feuerwehrleute Alarm. Immer mehr Tempo-30-Zonen machen ihnen das Leben schwer – und könnten sogar zur Gefahr werden.

Das neue Mobilitätskonzept der Stadt Wedel sieht vor, die örtlichen Tempo-30-Zonen deutlich auszubauen. Doch das kommt bei der Feuerwehr nicht gut an. „Wir haben dazu eine Stellungnahme geschrieben und sie der Stadt vorgelegt“, sagt Michael Rein, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Wedel.

Feuerwehren schlagen Alarm: Tempo 30 könnte zur Gefahr werden

Das Hauptproblem sei, dass durch die geplante Erweiterung der Tempo-30-Zonen die Anfahrtszeiten im Notfall schlicht zu hoch seien, als dass die Feuerwehrleute noch rechtzeitig am Einsatzort eintreffen könnten. „Uns geht es vor allem um den Tinsdaler Weg, er ist unsere Hauptzufahrt zur Feuerwache“, erklärt Rein.

Da es sich um eine Freiwillige Feuerwehr handele, müssten die Wachmannschaften jedes Mal erst die Wache anfahren, bis sie dann mit Blaulicht ausrücken könnten. Während ihrer Anfahrt an die Feuerwache müssen sich auch die Feuerwehrleute an die Tempo-30-Regeln halten. So seien die vorgegebenen zehn Minuten, in denen die Feuerwehr spätestens am Einsatzort eintreffen müsse, in Zukunft unter Umständen nur noch schwer einzuhalten.

Wedel: Auch der Wehrführer freut sich als Privatmann über Tempo 30

Wedels Wehrführer Michael Rein befürwortet Tempo-30-Zonen – in Nebenstraßen.
Wedels Wehrführer Michael Rein befürwortet Tempo-30-Zonen – in Nebenstraßen. © Feuerwehr Wedel | Feuerwehr Wedel

„Bisher bin ich noch entspannt“, sagt Rein. „Als Feuerwehrmann muss man aber auf der Hut sein.“ So würden die Feuerwehrleute in politischen Diskussionen gerne mal vergessen. „Tempo 30 soll ja auch nur der Anfang sein. Langfristig reden wir hier auch von Fahrbahnverschwenkungen, Bäumen auf Verkehrsinseln und Ähnlichem, um den Verkehr zu beruhigen. Mit einem 18-Tonnen-Einsatzwagen kommt man dann womöglich nur noch schwer an den Brandort“, so Rein. Es werde dadurch immer schwieriger die Einsätze zu koordinieren.

Er selbst fände den Tempo-30-Ausbau grundsätzlich gut. „Ich freue mich auch, wenn ich in Zukunft entspannter mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren kann, keine Frage. Auf den Nebenstraßen finde ich es vollkommen in Ordnung“, sagt Rein. Nur müsse man eben auch der Sicherheit Sorge tragen.

Wedel: Feuerwehr in Verkehrsplanungen einbeziehen

Auf Anfrage räumt die Stadtverwaltung Wedel die Aussagen des Wehrführers ein. Es stimme schon, dass die Feuerwehr hin und wieder lauter werden müsse, um gehört zu werden. „Das liegt aber daran, dass wir als Stadt zwischen sehr vielen Interessensgruppen vermitteln, und alle angehört werden müssen“, sagt der städtische Pressesprecher, Sven Kamin. Generell sei die optimale Leistungsfähigkeit der Feuerwehr eine Pflichtaufgabe der Stadt und diese würde auch konsequent wahrgenommen.

Bezüglich der langfristig vorgesehenen Fahrbahnverschwenkungen heißt es von der Stadt: „Bei diesen Planungen werden die Erfahrung und das Fachwissen, aber auch die Sorgen der Feuerwehr mit einbezogen, sodass Fehlplanungen hier rechtzeitig vermieden werden können.“

Pinnebergs Wehrführer: „Tempo 30 ist der Tod der Freiwilligen Feuerwehren“

Die Sorgen um die Hauptanfahrtsstraße der Feuerwehr werde man wahrnehmen: „Zum Tinsdaler Weg gibt es noch keine Entscheidung. Diese muss von der Politik getroffen werden“, so Kamin. In der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Bau und Feuerwehr am Donnerstag, 14. September, würden die betreffenden Stellungnahmen aller Beteiligten dazu diskutiert.

Die Reibung zwischen Verkehrsberuhigung und Rettungskräften tritt nicht erst seit dem Wedeler Mobilitätskonzept ins Rampenlicht. Auch die Stadt Pinneberg kennt diese Probleme. „Tempo 30 ist der Tod der Freiwilligen Feuerwehren“, sagt der Pinneberger Wehrführer Claus Köster. „Wir hatten jetzt schon Einsätze, bei denen wir gerade noch so innerhalb der Zehn-Minuten-Vorgabe vor Ort waren.“

Pinnebergs Wehrführer: Tempo 30 sinnvoll einsetzen

„Bei dem Großbrand am Waldenauer Marktplatz waren die Kollegen schon nach fünf Minuten am Einsatzort und man sieht, was dennoch für ein Schaden entstanden ist“, so Köster. Das unterstreiche, dass im Ernstfall jede Minute zähle.

„Wenn der Thesdorfer Weg, die Rellinger- oder die Elmshorner Straße zu 30er-Zonen würden, könnte die Pinneberger Feuerwehr kaum mehr Einsätze fahren“, sagt Köster. „Es geht uns nicht darum, Tempo 30 zu verhindern, es geht nur darum, es sinnvoll einzusetzen.“

Hauptverkehrsadern werden kaum zu Tempo-30-Zonen

Dass eine dieser drei Hauptverkehrsadern Pinnebergs zur 30er-Zonen wird, brauchen die Feuerwehrleute laut der stellvertretenden Pressesprecherin der Stadt, Birgit Schmidt-Harder, nicht zu befürchten: „Eine Kommune kann nicht einfach so Tempo-30-Zonen festlegen.“ So sei es qua Gesetz unmöglich, die erlaubte Geschwindigkeit auf den genannten Vorfahrtsstraßen auf Tempo 30 zu begrenzen.

„Verkehrsplaner sind im Übrigen oft gegen den Ausbau von Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen, weil es dann keinen Unterschied mehr machen würde, welche Straße man nutzt. Es würde den Anreiz erhöhen, nicht auf den Hauptverkehrsachsen zu bleiben, sondern sich auch wieder offensichtlich attraktivere, weil kürzere Wege durch die Wohngebiete zu suchen“, so Schmidt-Harder.

Stadt Pinneberg plant aktuell eine neue Feuerwache

Was allerdings passieren könne, so Schmidt-Harder, sei, dass Teilstrecken der Straßen – ein paar Hundert Meter – zu 30er-Zonen erklärt würden. Zur besseren Erreichbarkeit der Einsatzorte seitens der Feuerwehr plane die Stadt eine neue Feuerwache.

„Zur Vorbereitung der Entscheidung durch die politischen Gremien wird aktuell die Erreichbarkeit möglicher Standorte durch einen Gutachter geprüft.“ Auch die Pinneberger Stadtverwaltung betont, dass die Feuerwehr immer in die städtische Entwicklung mit einbezogen würde.

Schleswig-Holstein: Tempo 30 sorgt in vielen Städten für Diskussionen

Volker Arp, Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands Schleswig-Holstein, kennt das Problem zur Genüge: „Das Problem ist ja nicht neu. Auch Kiel, Neumünster und einige andere Städte haben diese Diskussion.“

Es sei ganz normal, dass städtische Veränderungen Diskussionen hervorrufen. „Je größer die Stadt, desto schwieriger ist es natürlich für die freiwilligen Feuerwehrleute, bei gedrosselter Geschwindigkeit noch rechtzeitig zur Feuerwache zu kommen.“

Feuerwehr und Tempo 30: Zehn-Minuten-Vorgabe muss eingehalten werden

Doch darüber müssten sich die Kommunen eben im Klaren sein, so Arp. „Dann muss man sich den neuen Gegebenheiten anpassen und beispielsweise eine neue Feuerwache bauen, um auch in Zukunft noch alle Einsatzziele innerhalb der Zehn-Minuten-Vorgabe zu erreichen.“

In seiner Heimatstadt sei auch eine neue Tempo-30-Zone eingerichtet worden, so Arp. „Wir sind aber ein kleiner Ort mit 5.000 Einwohnern, wir kommen trotzdem noch rechtzeitig an alle Einsatzorte heran. Wenn das in einer anderen Stadt nicht der Fall ist, muss man sich eben Gedanken machen.“ Vor diesem Hintergrund sieht der Landesgeschäftsführer die Diskussionen als nicht dramatisch und sogar normal an.