Wedel. Ralph Dieckmann vom Streuobstwiesenverein führt durch die grüne Idylle nahe der Elbe. Nächster Erntetag findet am Sonnabend, 10. August, statt.

Das Thermometer misst 32 Grad Celsius, Bienen summen, die Pappeln rauschen. Fast übersieht der Besucher das Gartentor des Streuobstwiesenvereins, hinter dem sich ein einziger Paradiesgarten versteckt. Ralph Dieckmann kommt mehrmals pro Woche her. „Das ist hier wirklich ein lauschiges Plätzchen“, sagt er. Auf der Wedeler Klimakonferenz erfuhr der 50-Jährige von der Streuobstwiese nahe dem Elbstrand. Es wurden helfende Hände gesucht und „ich wollte mich körperlich betätigen. Das kann man hier im Grünen mehr als genug. Außerdem tut man dabei noch etwas Gutes und ist der Natur nahe.“

Auf 1,6 Hektar erstreckt sich das Areal aus Obstbäumen, Sträuchern, hohem Gras und heimischen Kleintieren. Die Idylle entstand Ende der 80er Jahre dank Horst Tresselt. Der Pächter pflanzte damals Bäume und besucht bis heute fast täglich sein Grundstück. Auch im Alter von 82 Jahren klettere er laut Dieckmann noch in Bäume und kümmere sich um die Pflege. Mittlerweile stehen auf dem Gelände knapp 200 Bäume, davon rund 30 verschiedene Apfelbäume, deren Sortennamen auf kleinen Schildern vermerkt sind. Seit Herbst 2018 ist Dieckmann Chef des Streuobstwiesenvereins Apfelsortenvielfalt Wedel und zuständig für Pflege, Bestellung, Ernte und Organisation von Veranstaltungen.

Brennnesseln in der Pfanne über Lagerfeuer gebraten

Zu Gast war vor Kurzem eine Diplombiologin, die einen Vortrag zu Blüten und Pflanzen hielt. Außerdem gab es einen Kräuterfun-Abend. Hierbei konnten die Besucher ausprobieren, wie es schmeckt, wenn sie Brennnesseln mit Zwiebeln in der Pfanne über einem gemütlichen Lagerfeuer braten. Geplant sind weitere Veranstaltungen, wie zum Beispiel das Pressen von Äpfeln. „Man schmeckt den Unterschied zum Saft aus dem Supermarkt sofort. Wir mischen teilweise Birnen- und Quittensaft dazu“, so Dieckmann. Der nächste Erntetag ist am Sonnabend, 10. August, geplant. 2018 wurden fünf Tonnen Äpfel geerntet.

Der Verein


1988 legte der Gründer des Streuobstwiesenvereins Wedel, Horst Tresselt, den Grundstein für die in der Wedeler Elbmarsch gelegene Streuobstwiese. Durch die vielen Nährstoffe im Boden hat sich der anfangs kleine Bestand heute auf rund 200 Obstbäume erhöht. Überwiegend handelt es sich um Äpfel- und Birnenbäume.


In dem Verein engagieren sich derzeit 30 Mitglieder. Gemeinsam mit Gemeinschaftsprojekten wie „Wedel is(s)t regional“ hat der Verein seit Oktober 2017 über 40 Aktionen realisiert, um den Bürgern klimafreundliche Ernährung näherzubringen. Weitere Infos auch zu Veranstaltungen wie am nächsten Erntetag am 10. August finden sich auf www.streuobstwiese-wedel.de.


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Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Walnüsse: Während eines Rundgangs wird die Auswahl an Obstsorten deutlich. In der hinteren Mirabellenecke leuchten die roten und gelben Früchte, Vogelkästen hängen in den Zweigen. Auch Rehe, Fasane und anderes Wild fühlen sich hier wohl, wie Dieckmann erklärt. Hinzukommt, dass die Hetlinger Honigmanufaktur auf der Fläche Bienenkästen bewirtschaftet. Für die Insekten sei das optimal, da die Pflanzen nie mit Pestiziden behandelt worden seien. Dann fallen kleine Wassergräben ins Auge, die sich durch den ganzen Garten ziehen. Sie dienen der natürlichen Bewässerung.

Für Pausen wurden überall kleine Ruheplätze aus Ästen und Holz zusammengebastelt. Ein weiteres Beispiel dafür, dass ohne Maschinen gearbeitet wird. Das Holz dient zudem für Zäune und für schöne Abende am Lagerfeuer.

Auch auf dem Boden gibt es viel zu entdecken. Neben dem Walnussbaum huscht eine Maus vorbei und die Grashüpfer springen um die Wette. Der Rhabarber zeigt seine großen Blätter, und aus dem Boden ragen weiße Riesenpilze, die Schaumstoffbällen ähneln. „Keine Angst, die sind ungefährlich“, sagt Dieckmann. „Man kann sie sogar essen.“

Die Hetlinger Honigmanufaktur betreibt hier Bienenkästen.
Die Hetlinger Honigmanufaktur betreibt hier Bienenkästen. © Hannah Turlach | Hannah Turlach

Besonders begeistert seien immer die Kinder der umliegenden Schulen und Kitas. Vom Tor aus werden sie auf Entdeckungstour über das Gelände bis zum Arbeitstreffpunkt geführt. „Momentan sind wir etwa 30 Leute, die sich um den Garten kümmern“, berichtet Dieckmann. Dabei gebe es keine festen Zeiten, und weitere helfende Hände seien willkommen. Um den Leuten das Projekt näherzubringen, hat er vor Kurzem einen Sing-Abend organisiert. „Ich möchte zeigen, dass es nicht sofort um harte Arbeit geht“, erklärt Dieckmann. Der nächste Sing-Abend auf der Wiese ist am 21. September von 17.30 Uhr an geplant.

Klar, gebe es immer viel zu tun. Aber wichtiger sei, dass man hier zur Ruhe kommen könne, sagt Dieckmann, dem die Leidenschaft für den Garten anzusehen ist. Das grüne Paradies soll kein Ort für Touristen werden oder als Spielplatz für Kinder dienen. Vielmehr will der Verein Menschen erreichen, die Freude an der Gartenarbeit haben und Interessierten die Vorzüge regionaler Produkte näherbringen.

Bevor sich das Tor wieder schließt müssen die bereits reifen Mirabellen probiert werden: Sie schmecken süß und machen Lust auf mehr. „Aber bloß nicht von der französischen Birne kosten!“, warnt Dieckmann. „Da zieht sich alles im Mund zusammen.“ Verwenden ließe sich diese Birnensorte aber sehr gut für Schnaps. Damit endet die schöne Stunde im Garten. Die Außenwelt, von der Besucher für einen Moment abgeschottet zu sein schien, begrüßt einen lärmend, der Alltag hat einen wieder.