Hamburg. Weil ein Tunnel absackte, kann das marode Kraftwerk erst Ende 2026 ganz vom Netz gehen. Das sind die Folgen für Fernwärmekunden.
Das ist keine gute Nachricht für den Klimaschutz und auch nicht für die Anlieger: Das längst in die Jahre gekommene Kohlekraftwerk in Wedel, das weite Teile des Hamburger Westens mit Fernwärme versorgt, muss länger laufen als bisher vorgesehen. Das erfuhr das Abendblatt exklusiv aus der Umweltbehörde. Demnach soll das Heizkraftwerk nun erst ab Anfang 2026 in den Reservebetrieb gehen, also dann nur noch bei großem Bedarf ausnahmsweise Wärme produzieren. Erst im Herbst 2026 soll es jetzt endgültig vom Netz gehen. Bisher war vorgesehen, das sehr alte und als marode geltende Kraftwerk im Winter 2024/25 abzuschalten.
Schuld an den verzögerten Termin ist diesmal nicht der Ukraine-Krieg. Vielmehr kann das auf der Dradenau geplante Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) erst später genügend Wärme liefern, weil der dafür nötige Fernwärmetunnel unter der Elbe nicht rechtzeitig fertig wird. Verantwortlich für die Verzögerungen sind laut Umweltbehörde Probleme beim Bau des rund 1,2 Kilometer langen Tunnels unter der Elbe, der die Wärme aus dem neuen GuD-Kraftwerk im Hafen in den Hamburger Westen leiten soll.
Bei den bereits im August 2022 gestarteten Tunnelarbeiten sei „im Bereich des Startschachts eine Spundwand des bestehenden Hochwasserschutzes aufgrund nicht planbarer baulicher Gegebenheiten abgesackt“, heißt es aus der Umweltbehörde. Vor der Fortsetzung der Arbeiten habe man zunächst den Hochwasserschutz sicherstellen müssen. Anders als geplant werde der Tunnel zwischen dem „Energiepark Hafen“ und dem Hindenburgpark an der Elbchaussee daher nun erst im Juli 2025 fertig. Deswegen verschiebe sich auch der Probebetrieb der GuD-Anlage Dradenau. Ein Abschalten des Kraftwerks Wedel schon im Winter 2024/25 sei daher nicht möglich.
Kohlekraftwerk Wedel: Probebetrieb der neuen GuD-Anlage verschiebt sich
Bis etwa Ende März 2025 muss Wedel demnach nun weiter mit seinen zwei Blöcken im Volleinsatz bleiben. Erst im zweiten Quartal wird die Produktion auf nur noch einen Block reduziert, Ende des Jahres 2025 stelle das Kraftwerk die Wärmeproduktion ein – bleibe aber noch im Reservebetrieb, könne also bei Bedarf wieder angefahren werden und Energie liefern.
„Der Energiepark Hafen an der Dradenau ist ein ehrgeiziges Energiewende-Projekt, das mitten in der Umsetzung ist“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) dem Abendblatt. „Dabei hängen einzelne Planungskomponenten direkt voneinander ab: die Inbetriebnahme der neuen Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD), die Abwasserwärmepumpe des Klärwerks Dradenau, die Nutzung industrieller Abwärme, der Bau des Fernwärmetunnels unter der Elbe und die Abschaltung des Heizkraftwerkes Wedel. Durch die entstandene Verzögerung beim Bau der Fernwärmeleitung verschiebt sich auch der Probetrieb der neuen GuD-Anlage und somit der Reservebetrieb des Kraftwerkes Wedel.“
Kohlekraftwerk Wedel: Behörde beruhigt die Kunden – für sie soll sich nichts ändern
Das bedeutet laut Kerstan: „Wedel wird ab Ende des vierten Quartals 2025 heruntergefahren und kommt nur im absoluten Notfall wieder zum Einsatz, wenn die GuD-Anlage nicht reibungslos laufen sollte.“ Unumkehrbar vom Netz getrennt werde Wedel zum Oktober 2026. „Das Kohlekraftwerk Wedel gehört dann der Vergangenheit an“, so Kerstan. „Es bleibt dabei: Bis spätestens 2030 werden wir den Kohleausstieg aus der Fernwärme schaffen, wenn möglich auch vorher.“
Hintergrund der aktuellen Planungen ist der im Volksentscheid 2013 entschiedene Rückkauf der Energienetze durch die Stadt. Als 2019 nach dem Strom- und Gasnetz dann auch das Fernwärmenetz an die Stadt übergegangen war, hatte Umweltsenator Kerstan ein umfassendes Konzept zum klimafreundlichen Umbau der Fernwärmeversorgung vorgestellt. Betroffen sind 489.000 Wohneinheiten in Hamburg, die Fernwärme beziehen. Das marode Kohlekraftwerk Wedel sollte nach damaliger Planung 2024/25 abgeschaltet werden. Bis spätestens 2030 soll auch das Kraftwerk Tiefstack ohne Kohle laufen.
Kohlekraftwerk Wedel: Fernwärmeumbau bringt größten Batzen zur Hamburger Zielerreichung
Nach den Plänen von 2019 sinkt der Anteil der Kohlewärme binnen zehn Jahren von 64 auf null Prozent. Zugleich soll der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) von jährlich einer Million Tonnen bis 2025 auf 640.000 und 2030 dann nur noch 400.000 Tonnen gesenkt werden. Nach neueren Berechnungen soll sogar eine Senkung um bis zu 800.000 Tonnen möglich sein, heißt es mittlerweile. Damit soll die Umstellung der Fernwärme den größten Beitrag zur Erreichung der Hamburger Klimaziele leisten. Das Kraftwerk Wedel wird in dem Konzept durch einen „Energiepark Hafen“ ersetzt, bei dem die Wärme im Wesentlichen südlich der Elbe erzeugt wird.
Den größten Einzelanteil soll das neu zu errichtendes GuD-Kraftwerk auf der Dradenau leisten, das langfristig von Gas- auf Wasserstoffnutzung umgerüstet werden soll. Insgesamt 55 Prozent des Wedel-Ersatzes sollen aber von Beginn an aus unterschiedlichen regenerativen Quellen stammen. Neben industrieller Abwärme und einer Abwasser-Wärmepumpen soll Energie aus der Müllverwertung kommen, zudem soll das Heizwerk Haferweg Wärme und aus überschüssigem Windstrom liefern.
Fernwärme: Kosten für Umbau sollen bei 750 Millionen Euro liegen – Stand 2019
Trotz der jetzigen Verzögerungen bei der Stilllegung des Kraftwerks Wedel werde man den Plan einhalten, ab 2030 die Fernwärme in Hamburg vollständig ohne den Einsatz von Kohle zu erzeugen, betonte auch Umweltbehördensprecherin Renate Pinzke. Das Kohlekraftwerk Tiefstack solle wie geplant 2030 vom Netz gehen. Für die Fernwärmekunden ändere sich durch die aktuelle Verzögerung nichts.
2019 hatten Kerstan und seine Behörde 750 Millionen Euro für den Fernwärme-Umbau und die Errichtung des „Energieparks Hafen“ veranschlagt. Am teuersten ist dabei der Bau des Gaskraftwerks. Hinzu sollten schon damals rund 60 Millionen Euro für eine weitere Ertüchtigung des Kohlekraftwerks Wedel kommen, damit dieses überhaupt noch die gesetzlichen Vorgaben erfüllt und bis 2025 laufen darf. Ob die Kosten durch die Verzögerungen und die erneut verlängerte Laufzeit des Kraftwerks Wedel steigen, ist derzeit unklar.