Wedel. Unliebsame Werke landeten auf dem Scheiterhaufen – In Wedel wird zum Holocaust-Gedenktag der Bücherverbrennungen von 1933 gedacht.

Exakt 90 Jahre liegen mittlerweile zwischen der Gegenwart und dem deutschen Schicksalsjahr 1933. Eine lange Zeit. Doch der Wedeler Arbeitskreis gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit setzt sich vehement dafür ein, dass der Weg zur Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nicht vergessen wird, dass die Erinnerungen an deren Gräueltaten niemals verblassen.

Wedel gedenkt zum Holocaust-Gedenktag der Bücherverbrennung

Auf das Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 folgte das Gleichschaltungsgesetz. Gewerkschaften wurden aufgelöst. Am 10. Mai brannten Bücher unliebsamer Autoren des Regimes auf den Scheiterhaufen vieler Universitätsstädte.

Irmgard Jasker vom Arbeitskreis zitiert Heinrich Heine, der schon im Jahrhundert zuvor 1823 in seiner Tragödie „Almansor“ geschrieben hatte: „Da, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“.

Mit der interessanten Losung „Wieso die Nazis Angst vor ‘Pünktchen und Anton’ hatten“ beginnt am Freitag, 27. Januar, anlässlich des Holocaust-Gedenktags um 19.30 Uhr eine Gedenk- und Informationsveranstaltung in der Stadtbücherei Wedel (Rosengarten 6). Auch die Amschler-Stiftung, die sich für die Förderung von Kunst und Kultur einsetzt, und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zählen zu den Organisatoren.

Auch Erich Kästners Bücher wurden in Berlin verbrennt

Auch die Wedelerin Marianne Wilke (93) und ihr Sohn Jens sind in diesem Bündnis aktiv. „Dem damaligen Leiter der Bücherei hier in Wedel war eine Liste übergeben worden, welche Bücher verboten waren. Daran musste er sich halten“, erzählt Wilke. Alles, was der NS-Ideologie ansatzweise widersprach, landete auf dem Index – und ging in Flammen auf. Selbst Kinderbücher von Erich Kästner wie Pünktchen und Anton. Zwischen den Kapiteln gab es sogenannte Nachdenkereien Kästners, die den Nazis missfielen. Beispielsweise, dass auch Jungen in der Küche mithelfen sollten. Kästner blieb als einer der wenigen prominenten Gegner des Regimes stets in Deutschland.

„Erich Kästner hat in Berlin bei den Bücherverbrennungen zugesehen. Er war von diesem Erlebnis auch Jahre später noch sehr geschockt“, berichtet Jasker. Insgesamt verbrannten die Nazis Werke von mehr als 350 Autoren, darunter auch „Bambi“, in dem die Rehe in der Originalfassung von 1923 des jüdischen Autors Felix Salten als Metapher für das Judentum stehen.

Neunt- und Zehntklässler der Ernst-Barlach-Gemeinschaftsschule hatten während einer Projektarbeit ein halbes Schuljahr recherchiert und unter anderem auch die Zeitzeugin Wilke, die sich seit vielen Jahren für die Aufarbeitung Deutschlands dunkler Geschichte engagiert, zu einem Video-Interview gebeten.

Wedeler Schüler arbeiten mit der Zeitzeugenbörse zusammen

„Was mich ganz besonders gefreut hat: Die älteren Schüler haben selbstständig den Kontakt mit beispielsweise der Zeitzeugenbörse in Wedel aufgenommen und die Zusammenarbeit gesucht“, sagt Lehrerin Dana Gora. Eine sechste Klasse der Gebrüder-Humboldt-Schule war ebenfalls in die Arbeit zum Gedenktag eingebunden.

Die Veranstaltung soll auch den Bogen zur Aktualität schlagen. Sie soll „zum Nachdenken auffordern über die Anfänge von Konflikten und über die Eskalationsgefahr – sowie einen Denkansatz geben für den Einsatz für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit“, so Jasker. „Vor allem die Bücherverbote müssen uns zu denken geben, werden doch auch aktuell wieder Verbote von Büchern gefordert. Diesmal geht es um russische Literatur, Kunst und Kultur, ausgelöst durch den schrecklichen Krieg Russlands gegen die Ukraine“, sagt sie.

Dagegen müsse man sich stemmen, um weitere Spaltungen zu verhindern. Denn mit Kriegswünschen hätten die „Bevölkerungen selbst in der Regel nichts zu tun.“ Dr. Achim Juse wirft kritisch ein, dass möglicherweise nicht immer die richtigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen würden, da auch auf wissenschaftlicher Ebene Forschungsprojekte mit russischen Institutionen aktuell ruhten. Die Rhetorik, kulturell wertvolle Bücher in russischer Sprache als „Bücher des Feindes“ zu deklarieren, hält Jasker für problematisch bis gefährlich.

Wedel: Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar

„Unsere Verpflichtung zum Frieden gilt nach wie vor. Am 27. Januar gedenken wir der Millionen Opfer des zweiten Weltkrieges, für den Deutschland maßgeblich verantwortlich war. Wir trauen um sie“. sagt Jasker.

Das Bündnis setzt sich im aktuellen Geschehen für Friedensverhandlungen und einen Waffenstillstand ein, denn: „Es gilt den Frieden zu gewinnen, nicht den Krieg.“ Finn Plüschau, Zehntklässler der Barlach-Schule, war schon im Vorjahr bei der Gedenkaktion dabei: „Man lernt vieles aus der Vergangenheit für die neue Zeit dazu. Das ist aus meiner Sicht unglaublich wichtig. Es lassen sich immer wieder Vergleiche ziehen. Es gibt auch heute viele schreckliche Verbrechen.“

Das Grußwort spricht Heidi Garling von der Amschler-Stiftung. Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Achim Juse, Irmgard Jasker führt in die Thematik ein, Uta Amer referiert über die Folgen der Bücherverbote. Musikalisch untermalt wird der Abend von Elbsound 5, einem Quintett des Elbsound Jazz Orchestras. Zu hören sind Songs aus den 30er-Jahren wie etwa Frank Sinatras „Night & Day“, das damals jedoch nur in der deutschen Version der Comedian Harmonists abgespielt wurde. Der Eintritt kostet vier Euro, ermäßigt einen Euro.