Wedel. Neue Linie 395 sollte die Anbindung verbessern. Aber es fehlt die Haltestelle. Und: In die Stadt geht es nur selten.
Bereits seit 2018 haben die Bewohner des Fährenkamps den Wunsch, mehr Bus fahren zu können. Und: „Wir wollen endlich eine vernünftige Bushaltestelle in Richtung Wedel haben“, sagt die zweifache Mutter Patricia Römer (46). Die Siedlung liegt gut drei Kilometer entfernt vom Ortseingang der Rolandstadt an der Landstraße in der Nähe des Catharinenhofs.
Wedel: Neue Buslinie bringt Fahrgästen vor allem Ärger
Passiert ist seitdem allerdings wenig. Das Paradoxe: In Richtung Pinneberg gibt es immerhin eine ziemlich heruntergekommene Bushaltestelle, die Buslinie 395 fährt nach dem Fahrplanwechsel seit Dezember 2021 zu den Hauptverkehrszeiten sogar im 30-Minuten-Takt. Am Fährenkamp rauscht er aber in die Gegenrichtung meist vorbei: In Richtung Wedel, Endhaltestelle S-Bahnhof, fährt der Bus in der Woche nur fünfmal am Tag (7.25, 7.55, 8.55, 12.10, 14.10 Uhr). An den Wochenenden gar nicht.
Zumal es auch zu den regulären Abfahrtszeiten nicht gewährleistet ist, dass Fahrgäste tatsächlich entdeckt werden. Die Buskehre ist schwer einsehbar. Der Bus müsste rechts vor einer großen Eiche in eine schmale Kehre einbiegen, einsteigende Personen warten nahe einer Linde auf einem Grünstreifen und müssen bei Regenwetter an der unbefestigten Haltestelle darauf achten, nicht im Matschboden oder einer riesigen Pfütze zu landen.
Der Bus hält meist direkt an der Straße. Um gesehen zu werden, ist das Winken möglichst nah an einer Landesstraße die beste Option. Aber auch die gefährlichste, denn das Tempolimit von 80 Stundenkilometern ist oft Auslegungssache. In der Siedlung leben viele Familien mit Kindern – etwa 300 Menschen. Tendenz steigend.
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Schulkinder müssen direkt an der Straße auf den Bus warten
Auch die Kita lütt Hütt liegt an der Straße. Für Martina Amoikon, Erzieherin der Kita, spielt neben der Sorge um die Sicherheit der Kinder bei Ausflügen Richtung Holmer Sandberge auch Zeitverlust beim Heimweg eine Rolle. Sie hat keinen Führerschein, muss nach Feierabend in einen Bus Richtung Pinneberg steigen, um dann von der Haltestelle Appen-Etz am Denkmal wieder in Richtung Wedel – an ihrer Arbeitsstelle vorbei – gefahren zu werden. Oft dauert dies fast eine Stunde. Zudem verlasse sie dadurch die Tarif-Zone AB und müsste mehr bezahlen.
Jasper (9) geht in die vierte Klasse der Grundschule Moorweg und nutzt wie andere Schulkinder dort den Bus. Er sei früher einmal „fast so halbwegs vor den Bus gesprungen, damit er anhält“, als er mit seiner Oma an der Landstraße stand.
Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein und die SVG (Südwestholstein ÖPNV-Verwaltungsgemeinschaft) hatten die Stadt Wedel ein halbes Jahr vor dem Fahrplanwechsel informiert. Die Haltestellen der Linie 389 sollten übernommen werden, damit die Linie 395 – bis dahin ausschließlich zwischen Pinneberg und Tangstedt fahrend – von Norderstedt (Garstedt) nach Wedel bis zur Endstation am S-Bahnhof reichen könne.
Geld für die Haltebucht ist im Wedeler Haushalt eingeplant
In der Theorie herrscht sogar in der Politik allgemeiner Konsens, dass Fahrgäste häufiger einsteigen sollten – mit einer Bushaltestelle direkt an der Landstraße Einmündung Eggernkamp/Fährenkamp. Eine Bedarfsampel – Kostenpunkt geschätzt ein mittlerer fünfstelliger Betrag – soll ebenfalls möglichst gebaut werden.
Das Geld für die Haltebucht ist im Wedeler Haushalt eingeplant, auch wenn sich die Kosten erhöhen werden. In der Mitteilungsvorlage aus diesem Sommer heißt es: „Die Unterlagen sind verwaltungsintern geprüft worden. Dabei musste festgestellt werden, dass die grob geschätzten Kosten von 50.000 Euro für die Errichtung der Busbucht, inklusive Wartebereich nicht ausreichen werden, Es ist mit einer Verdoppelung der Kosten zu rechnen.“ Das läge vor allen an der Länge von 60 Metern und der massiven Befestigung, aber auch an Baumschutzmaßnahmen und weiteren Verkehrssicherungsmaßnahmen in der Bauzeit.
Aktuell geht es bei Planung und dem potenziellen Bau vor allem um Zuständigkeiten, Finanzierung und mögliche Fördergelder. Die Planungsunterlagen liegen seit Ende Juli beim SVG und beim Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV SH). Es sollte Zuschüsse geben. Die Genehmigung würde der LBV SH als Baulastträger erteilen.
Wedel: Eine sichere Querungsmöglichkeit der Landstraße fehlt
Das Thema einer sicheren Überquerung der Landstraße, um zur Haltestelle zu gelangen, ist noch ungeklärt. „Die Debatte um die Bushaltestelle sowie eine sichere Querung der Landesstraße zieht sich jetzt schon fast ein Jahr hin. Die Bushaltestelle kommt, aber die von der unteren Verkehrsbehörde vorgeschlagene Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 Kilometer pro Stunde für eine sichere Querung der verkehrsstarken Landstraße erscheint uns überhaupt nicht sicher“, sagt Petra Kärgel, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Wedeler Grünen.
Schon jetzt halte sich kaum jemand an die vorgeschriebenen 80 Stundenkilometer. Es sei mehr als fraglich, dass sich daran etwas ändern würde, zumal auch eine abgesenkte Geschwindigkeit vor allem für Senioren und Kinder nach wie vor zu gefährlich sei.
Abhilfe würde nur eine Bedarfsampel schaffen, die per Knopfdruck funktioniert. Innerorts sei eine solche in Appen-Etz an der Bushaltestelle am Denkmal auch entstanden. Vor allem die Begründung – es sei keine Bedarfsampel nötig – erschließt sich der Politikerin nicht. „Entscheidungsgrundlage hierbei ist die Richtlinie 2001 für Fußgängerüberwege. Das verstehen wir nicht. Denn diese gilt nur innerorts und bei maximal 50 erlaubten Stundenkilometern Geschwindigkeit. Außerorts, beziehungsweise am Fährenkamp, wird aber sehr viel schneller gefahren und die Verkehrssituation ist durch eine Kurve auch noch extrem unübersichtlich“, sagt sie.
Wedel: Anwohner sind genervt von fehlender Bushaltestelle
Die Buslinie solle von „Jung und Alt angstfrei und ohne Unfallrisiko genutzt werden“ können. Im Umwelt-, Bau- und Finanzausschuss stellt die Grünen-Fraktion am 10. November deshalb den Antrag, die Verwaltung zu beauftragen, eine Bedarfsampel zu planen und zu errichten, die entsprechenden Haushaltsmittel dafür dem Haushalt zu entnehmen beziehungsweise im kommenden Jahr einzuplanen. Unabhängig davon soll zudem mit dem LBV SH eine Kostenübernahme für die Ampel erreicht werden.
„Wir bauen den ÖPNV aus, damit sich der Individualverkehr reduziert. Das ist ein Muss, um auch Treibhausgase im Verkehrssektor einzusparen. An dem verbesserten Angebot der Buslinie 395 partizipieren die Anwohner Fährenkamp aktuell aber überhaupt nicht“, sagt die Wedelerin.