Wedel. Nicole Leidenfrost hatte der Königin von England 2015 ein Gemälde geschenkt – und hielt über Jahre Kontakt zur Queen.
Es war 2015. Die Queen sitzt als junges Mädchen auf dem Rücken eines blau gemalten Pferdes. Daneben ist ihr Vater König Georg VI. in einem leuchtend gelben Sakko zu sehen. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck überreichte Queen Elisabeth II. bei einem Staatsbesuch dieses Gemälde als Geschenk. Die Queen soll sich über die ungewöhnliche Farbwahl für das Pferd gewundert haben. Auch ihren Vater habe sie nicht erkannt. Und doch wurde Künstlerin Nicole Leidenfrost, die damals in Wedel lebte, mit diesem Bild und der Reaktion der Queen weltweit bekannt. Eine Fotografie diente ihr als Vorlage.
Queen Elizabeth II.: Warum eine Wedeler Malerin besonders trauert
Nun, sieben Jahre später, ist die Queen, die der Malerin so viel Aufmerksamkeit verschafft hat, tot. Und auch Leidenfrost trauert. Denn sie hatte nach dieser Episode ein besonderes Verhältnis zur Queen. Damals versuchte Gauck, die Situation zu retten, indem er das Augenmerk des britischen Staatsoberhaupts auf das Lübecker Marzipan lenkte, das ebenfalls als Geschenk bereit lag. Sein Originalzitat „If you don’t like it, get this marzipan“ ließ Nicole Leidenfrost auf T-Shirts drucken.
Dennoch brach ein Shitstorm in der englischen Presse los. Die Queen sei „not amused“, wurde behauptet. „Das stimmte gar nicht, wie eine spätere Mimikanalyse der Queen zeigte“, sagt Leidenfrost heute. Auf ihrer Facebook-Seite hat sie die Analyse nun erneut veröffentlicht.
Queen Elizabeth II. freute sich wohl über das Bild der Wedelerin
Michael Kirchhoff, der sich selbst einen Persönlichkeitsscout nennt, hatte den Gesichtsausdruck der Königin in den ersten Sekunden der Geschenkübergabe analysiert. Die sogenannten Micro-Expressions tauchen für einen Bruchteil einer Sekunde auf und sind nicht steuerbar. Sie spiegeln die wahre Gefühlslage. Der Augenblick, indem die Queen das Bild wahrnahm, zeigt laut Experten ein Lächeln in der Mundpartie und – besonders wichtig – auch in der Augenpartie.
„Die Ringmuskulatur ist angespannt, was leichte Fältchen am Rand der Augen verursacht. Dieses Lächeln nennt man Duchenne-Lächeln, nach dem Mann, der es entdeckt hat. Und dies ist der erste emotionale Impuls, den die Queen beim Anblick des Geschenks zeigt“, so der Mimik-Leser.
Dabei sei die Queen eine Meisterin der Selbstbeherrschung gewesen. Alles, was nach einer Sekunde in ihrem Gesicht zu sehen war, konnte sie perfekt hinter einer Maske verbergen. Der erste Impuls aber sei nicht steuerbar, auch nicht von einer Königin. Dieser Gesichtsausdruck sei echt, so Kirchhoffs Analyse. Bedeutet: Die Queen zeigte echte Freude, ob über das Bild, die Geste oder die Erinnerung, die das Bild womöglich auslöste. „Dieses Lächeln war situativ und mit dem Bild, das sie anblickt, verbunden.“
Queen-Bild machte Nicole Leidenfrost schlagartig berühmt
Geschadet hat die öffentliche Diskussion um das farbenfrohe Bild der Künstlerin nicht, im Gegenteil. „Es war ein Glücksfall“, sagt Leidenfrost, die als Queen-Malerin auch beim Verkauf ihrer Kunst profitierte. „Ich habe auch viel positives Feedback bekommen – übrigens auch aus dem Bundespräsidialamt – und darüber viele Menschen kennen gelernt, die mit der Queen persönliche Erinnerungen verbanden.“ Die Queen habe sich immer farbenfroh gekleidet, da habe sie ihren Vater in ihrer Lieblingsfarbe gelb gemalt. „Vorrangig ging es mir aber um das Lächeln der Queen auf dem Pferd“, erklärt die Malerin ihr Werk. Heute befindet sich das Gemälde im Buckingham Palace und ist Teil der berühmten Kunstsammlung „Royal Collection Trust“.
Leidenfrost, die selbst mehrere Male in London und auch am Buckingham Palace war, habe sich der Regentin darüber nahe gefühlt. Auch deshalb sei die Nachricht über ihren Tod am Donnerstag ein Schock gewesen. „Sie war eine unglaubliche Person, und für die Welt ist ihr Tod ein großer Verlust“, sagt sie traurig.
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Elizabeth II.: Wedeler Malerin hielt über Jahre Briefkontakt
Nachdem sie der Königin ihr Geschenk machte, hat Leidenfrost ihr noch sechsmal geschrieben, zu feierlichen Anlässen und zu Weihnachten. „Ich dachte, vielleicht freut sie sich ja über diese persönliche Geste.“ Auch als ihr Mann Prinz Philip starb, kondolierte die Malerin. „Ich habe jedes Mal eine Antwort erhalten, nur zum 70. Thronjubiläum nicht“, sagt sie. Die Briefe aus London hält sie in Ehren.
Leidenfrost musste nach 21 Jahren aus ihrem Haus in Wedel ausziehen, weil der Besitzer Eigenbedarf angemeldet hatte. Doch die Queen brachte ihr indirekt bei der Suche nach einer neuen Heimat Glück. Sie und ihr Mann fanden es in Thüringen. „Wir haben in Waltershausen-Schnepfenthal eine 600 Quadratmeter große Jugendstil-Villa gekauft und daraus eine Kulturvilla gemacht“, erzählt Leidenfrost. Es habe mehrere Interessenten gegeben. Das Haus habe sie bekommen, weil sie der Verkäufer als Queen-Malerin kannte.
„Die Menschen hier sind sehr adelsaffin“, sagt die Künstlerin. Queen Victoria reiste mit ihrem Gemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha regelmäßig nach Thüringen. „Ich fühle mich hier so zu Hause“, schrieb sie 1845 in ihr Tagebuch. Darin schwärmt Victoria von Schloss Friedenstein und Schloss Reinhardsbrunn, ganz in der Nähe der Kulturvilla. Und irgendwie schließt sich der Kreis damit für Leidenfrost.