Wedel. Im ehemaligen Hilfskrankenhaus proben heute Bands. Altbau des Johann-Rist-Gymnasiums darüber wird abgerissen.
Die Sorgen vor einer weiteren Eskalation bleiben europaweit wegen des Russland-Kriegs groß. Seit Monaten. Gab es für den Bunker in Wedel bereits Anfragen von Leuten, die dort Räume aus Sicherheitsgründen mieten wollen? „Diese Anfragen gibt es immer“, sagt Rene Grassau, IT-Unternehmer und Pächter der Bunker-Anlage unter dem Altbau des Johann-Rist-Gymnasiums, während er durch die Anlage mit ihren schier endlos langen Gängen schlendert. Doch für solch eine Nutzung, dauerhaft unter der Erdoberfläche auszuharren, liegt gar keine Genehmigung vor. Und Anhänger der Prepper-Szene, die sich auf alle Eventualitäten eines Ernstfalles einstellen und Essens- und Getränkevorräte für Jahre horten (abgeleitet von englisch to be prepared für bereit sein), haben sich unterhalb des Rist-Gymnasiums auch nicht eingenistet.
Wedel: Altbau oberhalb des Bunkers wird abgerissen
Überirdisch ist mit dem Abriss des Altbaus im Mai begonnen worden. Die Bauarbeiten laufen nach wie vor. Ursprünglich sollten die über dem Bunker liegenden, maroden Klassenräume im südlichen Bereich der Schule bereits in den vergangenen Osterferien abgerissen werden. Doch es sei schwierig gewesen, Baufirmen zu bekommen, so Stadtsprecher Sven Kamin. „Für diese erste Phase des Neubaus haben gleich zwei Gewerke ineinandergreifen müssen“, sagt Kamin.
Zusätzlich zum Abriss war die Decke des unter der Baustelle liegenden Bunkers, der der Stadt Wedel gehört, abgedeckt worden, um das Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Für den Abriss selbst war bereits in der ersten Runde der notwendigen Ausschreibung ein Unternehmen gefunden worden, für die Abdeckarbeiten dagegen erst in der zweiten Runde.
Wedel: Neuer JRG-Gebäudekomplex soll im September 2023 fertig sein
Trotz der Verzögerungen soll der neue Gebäudeteil der Schule im September 2023 wie geplant fertig sein. „Dem Starttermin für den Bau steht bisher nichts im Wege – wenn nach der Ausschreibung die geeigneten Firmen dafür gefunden werden können“, sagt der Sprecher einschränkend. Dies gestalte sich, durch die bekannt hohe Auftragsauslastung im gesamten Bausektor, jedoch sehr schwierig, so Kamin.
Ein anderes, Bunker-internes Vorhaben ist bislang noch nicht verwirklicht worden: Ursprünglich sollte 2019 die bereits langgehegte Idee, ein Museum mit vielen Ausstellungsstücken aus der Zeit des Kalten Krieges zu eröffnen, forciert werden. „Das Museum gibt es leider noch nicht. In der Corona-Zeit macht das auch wenig Sinn“, sagt der Computerfachmann, der im unterirdischen Areal allerlei technische Finessen integriert hat.
Wedel: Stromausfall im Bunker sorgt für Feueralarm
Der Eingangsbereich an der Pinneberger Straße ist videoüberwacht, über einen vor den Sensor gehaltenen Chip gelingt der Einlass. Es folgt die Registrierung im System. Anonym kann sich kein Mieter auf den zweieinhalb Meter breiten Fluren oder in den unzähligen Räumen aufhalten. Auf die scherzhafte Bemerkung, ob es wenigstens keinen Handy-Empfang wegen der 50 Zentimeter dicken Betonwände gebe, folgt die Antwort: „Doch. Wir haben überall WLAN.“
Zumindest, wenn der Strom da ist. „Die Feuerwehr rief mich mitten in der Nacht an, dass es einen Feueralarm im Bunker gibt. Ich habe erst einmal von zu Hause aus versucht, über die Kameras in der Anlage zu gucken. Aber die gingen eben nicht“, sagt Rene Grassau. Es gab einen Stromausfall.
Wedel: Ehemaliges Hilfskrankenhaus ist 5000 Quadratmeter groß
Grassau eilte sofort zum Bunker. Es handelte sich um einen Fehlalarm, Feuerwehr und Polizei rückten wieder ab. „Die Brandschutzklappen fielen wegen des Stromausfalls ab und haben den Alarm ausgelöst“, so Grassau. Letztendlich gab es keinen Rauch um Nichts – zum Glück.
Immerhin gibt es nun einen endgültigen Beweis, dass die im 5000 Quadratmeter großen ehemaligen unterirdischen Hilfskrankenhaus – dem damals größten dieser Art in Deutschland – installierte Brandschutz-Anlage in der Theorie gut funktioniert. Genutzt wird das Areal, erbaut zwischen den Jahren 1964 und 1975 als Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Angriffen, nicht für den ursprünglich geplanten Zweck.
Wedel: Hilfsutensilien aus dem Bunker wurden gespendet
1700 Patientenbetten hätten damals zur Verfügung gestanden. Auf den Gängen und in einigen Räumen stehen noch heute alte Maschinen herum, die an vergangene Zeiten erinnern. Teilweise haben die Maschinen integrierte Kohlefiltern, die angeblich Radioaktivität aus der Luft hätten herausfiltern können. Andere sollten die Luftfeuchtigkeit reduzieren. Innerhalb von 48 Stunden wäre das Hilfskrankenhaus im Katastrophenfall einsatzbereit gewesen. Zum Einsatz kam es glücklicherweise nie.
Atomare Schreckensszenarien schienen längst vergessen, ein Krieg mitten in Europa war utopisch. Doch schon im Jahr 2015 spielten die Folgen eines Krieges eine Rolle im Bunker, als viele Geflüchtete aus Syrien nach Hamburg und Wedel kamen. Die Bunkerräume waren bis unter die Decke gefüllt mit Hilfsutensilien der Kleiderkammer Messehallen Hamburg, später in Hanseatic Help umbenannt. Dort ist Grassau seit Oktober 2015 im Vorstand.
„Den Inhalt von 108 Seecontainern haben wir mit einer kleinen Gruppe hier wieder rausgeschleppt. Das war schon eine Menge Arbeit“, sagt der Wedeler Unternehmer.
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Wedel: Vor allem Bands haben ihre Proberäume im Bunker
Vereinzelt sind noch Krankenhausbetten eingelagert. Der Schutzbunker soll jedoch ein friedlicher Ort bleiben. Es sind vor allem Musikbands mit Proberäumen im Wedeler Bunker die Mieter. In 32 Räumen wird musiziert . Zudem dem gibt es Lagerräume, Möglichkeiten, Computer-Server dort aufzustellen, einige Mieter haben sich ganze Werkstätten eingerichtet oder auch Tonstudios. Der Quadratmeter kostet ab 12,50 Euro Miete. Früher waren es 173 Räume unterschiedlicher Größen, aktuell habe jedoch niemand nach den Umbaumaßnahmen genau nachgezählt, wie viele Räume es genau seien, so Grassau, der das gesamte unterirdische Areal von der Stadt Wedel gepachtet hat. Fast alle Räume seien aktuell vermietet.
Eine Million Euro habe er bereits seit 2015 investiert. Unter anderem musste ein kostspieliges Lüftungssystem installiert werden. Lohnt sich das Geschäft überhaupt? „Es ist einfach ein super Projekt. Es geht ja hier auch um die soziale Komponente und die Kultur“, so Grassau, dessen Bunker-Verein 20 Mitglieder hat.
www.bunkerwedel.de