Wedel. Sogenannte Power-to-Heat-Anlage verwandelt überschüssigen Windstrom in Wärme – und das womöglich schon in Kürze.
Wedel bekommt – aller Voraussicht nach – auf dem Kraftwerksgelände eine Power-to-Heat-Anlage, in der Ökostrom in Fernwärme umgewandelt werden soll. Die Anlage soll bereits zur Heizsaison 2022/23 in Betrieb gehen. Die Vertragsunterzeichnung mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, über den die gewonnene Fernwärme in Hamburgs Westen geleitet werden soll, steht zwar genau wie die Baugenehmigung noch aus, doch „wir sind sehr optimistisch, dass wir das Projekt wie geplant umsetzen werden“, so Stefan Kleimeier, Sprecher von Betreiber Wärme Hamburg.
Vorgestellt wurde das Projekt bei der Sitzung des Wedeler Planungsausschusses am Dienstag, wo es über alle Fraktionen hinweg und auch von Seiten der Verwaltung großen Anklang fand. Der Baugenehmigung, die Wärme Hamburg laut Kleimeier im November beantragen möchte, sollte also nichts im Wege stehen. Im zweiten Quartal 2021 soll der Bau der 26 bis 30 Millionen teuren Anlage beginnen.
Der verwendete Strom ist überschüssig
Folgendes ist geplant: Auf dem südöstlichen Gebiet des Kraftwerksgeländes entsteht ein 54 Meter langes, 20 Meter breites und 16 Meter hohes Gebäude. Es beherbergt im Wesentlichen zwei große Elektrokessel, in denen vergleichbar zum heimischen Wasserkocher Wasser erhitzt wird, das dann in das Hamburger Fernwärmenetz eingespeist wird. Der Strom dazu stammt aus Windparks an Ost- und Nordsee; Strom, der überschüssig ist: „Die Anlagen produzieren mehr Strom, als benötigt wird, deshalb müssen sie zeitweise abgeschaltet werden. Einen Teil dieses überschüssigen Stroms können wir nutzen“, so Markus Wonka, Leiter des Bereichs Erzeugung bei Wärme Hamburg.
Die Leistung der beiden Kessel beziffert Wärme Hamburg mit jeweils 40 Megawatt, insgesamt also 80. „Da gleichzeitig die elektrische Leistung im Kraftwerk um 80 Megawatt reduziert wird, bedeutet das insgesamt eine Energie- und CO2-Einsparung aus fossilen Brennstoffen von 160 Megawatt “, so Projektleiter Jörg Isengardt. Zum Einsatz kommen soll die neue Anlage vorrangig in den Wintermonaten – in den Sommermonaten sei der Wärmebedarf zu gering.
Altes Kraftwerk abzuschalten ist keine Option
Eine ausschließliche Nutzung der Öko-Anlage bei gleichzeitiger Abschaltung des Heizkraftwerks im Winter schließt er aus: Der Wind, Voraussetzung für den genutzten Stromüberschuss, sei nicht konstant genug, „und wir können das Kraftwerk nicht alle paar Stunden rauf- und wieder runterfahren.“ Die neue Anlage könne deshalb nur als Ergänzung genutzt werden.
Nun sind die Jahre des Kohlekraftwerks aber gezählt, spätestens 2025 soll es durch den sogenannten Energiepark Hamburg an der Dradenau in Hamburg-Waltershof ersetzt werden. Zum Konzept desselben gehört auch ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD), mit dem die neue Wedeler PtH-Anlage dann gekoppelt werden soll. „Die Anlage soll also auch über 2025 hinaus betrieben werden“, so Isengardt. Das ursprünglich in Wedel geplante GuD ist damit eigentlich vom Tisch. Dennoch hält Wärme Hamburg an diesen alten Plänen als Alternativlösung fest.
Der Grund laut Pressesprecher Kleimeier: „Das Genehmigungsverfahren für die Leitung sowie die GuD Dradenau haben begonnen. Die unternehmerische Sorgfaltspflicht gebietet es jedoch, dass wir aufgrund der nicht vorhersehbaren materiellen und rechtlichen Unwägbarkeiten die bestehende Genehmigung und damit die Alternativlösung in Wedel aufrechterhalten.“
Bürgerinitiative ist noch skeptisch
Ein Standpunkt, der für die Bürgerinitiative Kraftwerk nicht akzeptabel ist. Die im Frühjahr erfolgte dritte Fristverlängerung für die Baugenehmigung des Wedeler GuD ist nach Ansicht von BI-Sprecherin Kerstin Lueckow nicht rechtens. „Die Genehmigung für ein fossiles Großkraftwerk kann nur erfolgen, wenn es wirklich eine konkrete Bauabsicht gibt. Die gibt es aber nicht, es handelt sich nur um einen Plan B. Eine sogenannte Vorratsgenehmigung sieht das Gesetz aber nicht vor“, erklärt sie. Die BI hat dagegen geklagt, am 16. Dezember wird am Oberverwaltungsgericht Schleswig die mündliche Anhörung in dieser Sache stattfinden. Völlig unnötig, findet Lueckow. „Wir haben Wärme Hamburg eine richterliche Mediation angeboten, diese wurde jedoch abgelehnt. Es handelt sich hier um ein öffentliches Unternehmen, warum ist es nicht möglich, sich an einen Tisch zu setzen und eine Lösung zu finden?“ Stattdessen habe die Bürgerinitiative am 16. Oktober ein „sehr harsches“ Schreiben vom Anwalt des Unternehmens erhalten. Darin heißt es: „Aus Sicht der Beigeladenen besteht kein Anlass und auch keine Grundlage für ein Mediationsverfahren.“ An der Planung des streitigen Vorhabens werde festgehalten, und in Sachen Power-to-Heat-Anlage gebe es zwar Überlegungen, jedoch hätten diese „noch keinen belastbaren Planungsstand erreicht“.
Die Bürgerinitiative steht der geplanten Power-to-Heat-Anlage nicht komplett ablehnend gegenüber: „Ich kann mir vorstellen, dass eine solche Anlage hier deutlich besser hinpasst als ein Großkraftwerk.“ Eine abschließende Einschätzung des Unterfangens könne sie aber noch nicht abgeben, da ihr die Pläne noch nicht vorlägen. „Wie sieht es beispielsweise mit der Lärmbelastung aus?“ In diesem Punkt kann Stefan Kleimeier beruhigen: „Bei der Festsetzung der Immissionsgrenzwerte im Rahmen der Baugenehmigung wird von der Behörde berücksichtigt, dass auch die Werte für die angrenzende Wohnbebauung nicht überschritten werden.“