Wedel. Mit einem „Hängebeschluss“ soll bei Gericht Tempo gemacht werden. Bezirk Altona schaltet sich in Streit ein.

Nach der angekündigten Abschaltung des hochmodernen Kohlekraftwerks Moorburg im Jahr 2021 fragen sich viele Wedeler: Und was wird aus dem ältesten Kohlemeiler der Republik am Hochufer der Elbe? Bleibt es bei einer Abschaltung im Jahr 2025?

Die revisionsbedingte Sommerpause im Kraftwerksbetrieb hat jedenfalls nicht zur Befriedung des Konflikts zwischen Anwohnern und dem Betreiber, der Wärme Hamburg, beigetragen. Im Gegenteil: Es gibt zwei neue Schauplätze im Kampf der Wedeler Anwohnerinitiative gegen ätzende Flugasche aus dem Kohlekraftwerk. Zudem kommt Unterstützung aus Hamburg-Altona, denn die von den Grünen dominierte Bezirksversammlung hat beschlossen, dass die Hamburger Umweltbehörde aufgefordert werden soll, „unverzügliche Klimaschutz- und Emissonsminderungsmaßnahmen für das Kraftwerk“ durchzusetzen.

Sofortige Stilllegung des Meilers ist dass Ziel

Unterdessen hat der Anwalt der Wedeler Bürgerinitiative im aktuellen juristischen Streit um eine sofortige Stilllegung des Kraftwerks beim Oberverwaltungsgericht die nächste Eskalationsstufe erwirkt. Er hat einen sogenannten „Hängebeschluss“ beim OVG Schleswig eingereicht. Damit soll bewirkt werden, dass das Kraftwerk bis zu einem Gerichtsurteil im andauernden Eilverfahren abgeschaltet wird, um Gesundheitsgefahren abzuwenden und Schäden an Häusern sowie Autos auszuschließen. Dieser Hängebeschluss soll das stockende Eilverfahren beschleunigen. Denn schon im April beantragten die Kraftwerksgegner bei Gericht, die Anlage bis zur Behebung der Probleme stillzulegen.

Seinerzeit hatte eine gutachterliche Stellungnahme eine „akute Gesundheitsgefahr“ für Anwohner des Heizkraftwerks festgestellt. Das damalige Schreiben an die Aufsichtsbehörde, das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), hatte schon eine Abschaltung zum 30. April zum Ziel.

Doch seither liegt die Klage in Schleswig. Passiert ist demnach nicht viel. Einen Termin für das Hauptverfahren zu dieser Eilklage gibt es nicht, das Kraftwerk wurde nach der planmäßigen zweimonatigen Sommerstilllegung wieder angefahren. Seither sei es laut Hanns-Christian Fricke, Anwalt der Initiative, zu mindestens fünf weiteren Schadensmeldungen im Kraftwerksumfeld gekommen. Um weitere „erhebliche Nachteile“ seiner Mandanten auszuschließen, sieht er in dem nun eingereichten „Hängebeschluss“ das letztes Mittel, um das Eilverfahren zur Stilllegung zu beschleunigen.

Neues Kraftwerk an altem Standort geplant

Zudem seien die Wedeler Anwohner über neue Nachnutzungspläne des Kraftwerks irritiert. Der Kraftwerkseigentümer, der Wärme Hamburg GmbH, führt nach Abendblatt-Informationen derzeit Gespräche mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz. Der Plan: Ein Kraftwerksbau, in dem Windstrom in Wärme umgewandelt werden kann. Von Wedel aus soll damit das Fernwärmenetz Hamburgs beliefert werden. Gleichzeitig wird vor Gericht noch um eine Fristverlängerung für den Bau eines Gas- und Turbinenkraftwerks gestritten.

Zum neuen Plan des „Windkraft-zu-Wärme-Kraftwerks“ seien offiziell weder Kosten- und Zeitschätzungen möglich. Aber nach Abendblatt-Informationen sollen bereits Gespräche mit Wedels Politik und Verwaltung geführt werden, ein unterschriftsreifer Vertrag so gut wie besiegelt sein. Zuvor hatten sich offenbar bereits Wärme Hamburg, die Umweltbehörde der Stadt sowie der mögliche Betreiber 50Hertz verständigt.

Hintergrund dieses neuen Vorhabens in Wedel ist, dass Hamburg sich das ehrgeizige Ziel gesteckt hat, 2025 bundesweit als Vorreiter bei der Wärmewende gesehen zu werden. Klimaneutralität soll in der Metropole vor dem Jahr 2050 erreicht werden, nach Möglichkeit schon 2035. Ein wichtiges Projekt dabei ist der Umbau der Fernwärme. Weg von Wedel, hin zur Dradenau.

Dafür braucht Hamburg eine neue Leitung durch die Elbvororte, um das Kraftwerk Wedel 2024/25 abschalten zu können. Es gebe auf Hamburger Gebiet zwar Widerstände gegen den Leitungsbau, aber die Leitung verlaufe nicht über Privatgrund. Deshalb sei die Stadt zuversichtlich, dass ein Planfeststellungsbeschluss 2021 vorliegt.

Kommt es dabei allerdings zu Verzögerungen, würde sich auch die Abschaltung des Kraftwerks Wedel weiter nach hinten verschieben. In einem Abendblatt-Interview nannte Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) dieses Szenario „nicht gut“. Zumal nun auch Vattenfall sein hochmodernes Kohlekraftwerk in Moorburg zum Jahr 2021 abschalten will und die Altonaer Bezirksversammlung Druck auf Kerstans Behörde ausübt. Denn nun setzt sich sogar die Hamburger Bezirkspolitik für den Anwohnerschutz in Wedel ein.

In Altona wurde nun beschlossen, dass sich die zuständige Behörde gegenüber der Wärme Hamburg dafür einsetzt, den Kohlebedarf des Kraftwerks zu reduzieren, „insbesondere durch eine verringerte Stromproduktion in den Sommermonaten“. Mehr noch: Eine Sommerabschaltung sowie eine Ausweitung der Revisionszeiträume sollen geprüft werden. Selbst länger andauernde Abschaltungen von Kraftwerksblöcken sollen geprüft werden. Und: Der Umweltbehörde wurde von der Politik aufgetragen, Maßnahmen zur Reduzierung der Partikelemissionen am Kraftwerk Wedel durchzusetzen..