Pinneberg. Pinneberger Landesligist hat mit dem zu dieser Saison verpflichteten Coach den Vertrag verlängert. Der Wohlfühlfaktor ist entscheidend

Zu gerne versammelte Familienmensch Marc Zippel („Ich bin wunschlos glücklich verheiratet.“) an Heiligabend ja die gesamte Verwandtschaft auf einen Schlag um sich. Mutter Heidi, Vater Holger, den Kulttrainer mit der rauen Schale und dem riesigen Herzen (77), der sich gut von einer Erkrankung erholte, Bruder Nick, kreativer Unternehmer in der Elektroauto-Branche, dem das NDR-Fernsehen kürzlich eine Reportage widmete (49).

Der harte Lockdown wird dem im Wege stehen. „Wir sind uns noch nicht sicher, aber wir machen das wohl in Etappen. Jeder kommt für zwei Stunden.“ Und am 25. Dezember führt der Weg dann zu den engsten Angehörigen von Ehefrau Madeleine in Richtung der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort will Marc Zippel (52) noch einmal ein bisschen Kraft schöpfen für den harten Abstiegskampf, der den Landesliga-Fußballern des VfL Pinneberg und ihrem Coach bevorsteht. Irgendwann geht es ja wieder los, muss es wieder losgehen.

Klassenerhalt hätte für Zippel Stellenwert einer Meisterschaft

Es werden spannende Zeiten, ob mit oder ohne Corona als ständigen Wegbegleiter. Marc Zippel vergleicht den möglichen Klassenerhalt mit dem Stellenwert einer Meisterschaft. Schließlich geht es seit Jahren an der Fahltsweide sportlich bergab. Saison 2018/19: letzter Platz in der Oberliga, drei Zähler, 21:199 Tore, der VfL eine „Lachnummer“. Spielzeit 2019/20: Vorletzter ohne realistische Chance aufs Überleben in der Hammonia-Staffel. Wohl nur der Saisonabbruch bewahrt die Pinneberger davor, in die Bezirksliga durchgereicht zu werden.

Aber es gibt die Hoffnung, dass der Halstenbeker Marc Zippel den Umkehrpunkt entdeckt. Der Anfang nach seiner Verpflichtung als Nachfolger von Wojciech Krauze konnte sich sehen lassen. Seine Mannschaft holte in den ersten vier Saisonspielen vier Zähler, bevor der Spielbetrieb eingestellt wurde. Die kurze Zeit seines Schaffens reichte, die VfL-Verantwortlichen zu überzeugen. Abteilungsleiter Heinz Sellmann blickt zuversichtlich in die Zukunft, das verriet seine Pressemitteilung, in der er die Vertragsverlängerung verkündete. „Wir gehen mit Marc den logischen Schritt, die auf allen Ebenen gute Zusammenarbeit fortzusetzen. Gemeinsam wollen wir das Team stabilisieren und auf dieser Basis weitere sportliche Schritte planen.“

Nach Nackenschlägen in Serie fasst der VfL mit Zippels Ankunft wieder Mut

Die Pinneberger, dieser geschundene Elefant des Hamburger Amateur-Fußballs, vor allem in der 60er- und 70er- Jahren ein Aushängeschild der Kreisstadt. Kleinlaut haben sie alle heftigen Niederlagen und Genickschläge, den Spott, die Häme über sich ergehen lassen. Jetzt sind sie wieder so mutig, in Zimmerlautstärke zu trompeten. Schon mal ein Verdienst des „Neuen“. Dabei gilt Marc Zippel nicht unbedingt als dickhäutig.

Der 27. September 2015: sein Rücktritt nach acht zumeist unglücklichen Niederlagen in acht Partien beim FK Nikola Tesla, den er vorher sensationell in die Landesliga geführt hatte. „Keine angemessenen Bedingungen. Ich habe komplett den Spaß am Fußball verloren“, gibt er drei Tage später im Hamburger Abendblatt zu Protokoll.

Der April 2016: Nach drei Monaten und 14 Tagen ist der gebürtige Altonaer nicht mehr Trainer von TBS Pinneberg, dessen Talfahrt in der Landesliga er nicht stoppen kann.

Der 26. Oktober 2018: Marc Zippel hat den Hetlinger MTV als Kreisligameister in die Bezirksliga gehievt. Erstmals und sogar zweimal gewinnt der Club mit ihm den Wanderpokal der Raiffeisenbank Elbmarsch. Unvergessen sind die Erfolge im Oddset-Pokal. Doch dann beanstanden Spieler seine Trainingsinhalte.
Marc Zippel bleibt sich treu. Tschüs und auf Wiedersehen, sofort.

Emotionale Anteilnahme ist ein Markenzeichen des Halstenbekers

Albert Kutscheid, der gefeierte frühere Macher des TuS Holstein Quickborn in der Oberliga, am Ende kritisiert, hatte es einmal so schön formuliert. „Wer mich nicht will, der hat mich nicht verdient.“ Aus Marc Zippel spricht derweil längst die Reife, wenn er bittet, nichts Negatives über diese drei Stationen zu schreiben. „Wir hatten schöne Zeiten und tolle Feste. Unser Verhältnis ist vollkommen entspannt. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich in dem einen oder anderen Fall vielleicht auch zu spontan und impulsiv reagiert.“

Doch diese emotionale Anteilnahme, sie ist sein Erkennungsmerkmal und treibt ihn immer wieder an, sich zu 100 Prozent für seine Aufgabe einzusetzen. Lautstark engagiert er sich an der Seitenlinie bis hin zur Erschöpfung, so wie früher auf dem Spielfeld in Diensten des SV Lurup oder von Teutonia 05. Immer volle Pulle, keine halben Sachen.

Beruflich ist Zippel beim NDR gefordert, aber auch erfüllt

Erfolg? Mal so, mal so. Beruflich aber ging es nur bergauf. Beim NDR fing er in der Honorarabteilung an. Dann teilte er die Komparsen bei Fernseh-Produktionen ein. Schließlich bestimmte ihn der Sender zum Besetzer der Schauspielrollen im Hörspiel-Bereich. Ein Job, der ihn erfüllt, aber fordert. „Ich brauche den Fußball, um Stress abzubauen.“

Zum Arbeitsplatz an der Rothenbaumchaussee radelt er übrigens bei nicht zu schlechter Witterung jeweils
15 Kilometer hin und zurück. Das fördert auch den Muskelaufbau beider in Mitleidenschaft gezogener Knie. Ärgerlich ist unterdessen die Verletzung, die sich Bennet Zippel (17) einhandelte, als er dem Vater beim Renovieren half und dabei auf der Treppe stürzte – Zehenbruch.

Marc Zippel erhofft sich von seinem Älteren einen ähnlichen Werdegang wie von Neffe Lennart (21), der alle Rückschläge überwand und sich zur Stammkraft im Mittelfeld des VfL durchgebissen hat. In der Zwischenzeit setzt sich sogar sein Jüngerer Moritz (14) auf die Tribüne und äußert den Wunsch, es mal mit Fußball zu versuchen. Vater Holger lässt sich ebenfalls blicken.

Martin Düsing bleibt Coach Marc Zippel als Co-Trainer des VfL Pinneberg erhalten. Der angehende B-Lizenz-Inhaber hat wie Zippel seinen Vertrag verlängert.  
Martin Düsing bleibt Coach Marc Zippel als Co-Trainer des VfL Pinneberg erhalten. Der angehende B-Lizenz-Inhaber hat wie Zippel seinen Vertrag verlängert.   © HA | Ulrich Stückler

Von gegenseitigem Vertrauen ist die Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Wegbegleiter Theo Ourgantzidis und Martin Düsing, den Co-Trainern, geprägt. Betreuer Mike Treede legt den Spielern die frisch gewaschenen Trikots in der Kabine zurecht, der neue Kunstrasen im Stadion II verspricht Trainingsbedingungen, von denen Marc Zippels Vorgänger nur träumten.

Alles ergibt für den Familienmenschen eine „Wohlfühloase“, in der er, bekennender Freund schwieriger Aufgaben, aufblühen könnte. Wie von 2003 bis 2011 beim SC Teutonia 10, als er eine mittelmäßige Kreisligatruppe zu Landesligaformat entwickelte. Schafft er eine ähnliche Zeitspanne in Pinneberg? Das bedeutete dann, dass Marc Zippel beim VfL sein sportliches Lebenswerk vollenden würde.