Uetersen/Heidgraben. Pilotprojekt auf dem Lindenhof in Heidgraben: Acht- und Neunjährige erfahren zum ersten Mal, was Urlaub ist. Und sie lernen, für Tiere zu sorgen

Urlaub? Was ist das eigentlich, und wie fühlt es sich an, einmal zu verreisen, mit anderen Kindern ein paar unbeschwerte Tage zu verbringen? Viele Mädchen und Jungen, vor allem aus sozialen Brennpunkten, können mit dem Begriff nichts anfangen, weil sie noch nie weggefahren sind. Zwölf Mädchen haben jetzt erfahren, wie schön es sein kann, fern von zu Hause Tier und Natur hautnah zu entdecken – und neue Freundinnen zu finden.

Erstes Fazit: Pilotprojekt ist ein voller Erfolg

Die Acht- und Neunjährigen aus Hamburg haben Ferien in einer dörflichen Idylle verbracht, auf dem Reiterhof von Sarah de Boer-Stut in Heidgraben bei Uetersen. Es ist das erste Herbstcamp, das der Verein Hamburger Sommerschule unter Leitung von Hubertus Leo (56) organisiert hat. Und soviel steht nach einer Woche auf dem Lindenhof fest: Das Pilotprojekt ist ein voller Erfolg.

„Kann ich nicht länger bleiben?“, bittet Cindy aus Indonesien, die wie elf der zwölf Mädchen einen Migrationshintergrund hat. Wer in die fragenden Augen der Kinder blickt, erkennt: Cindy spricht aus, was alle denken. Begleitet und umsorgt werden die Schülerinnen von dem Team um Katharina Bergholdt (42), Deutsch- und Geschichtslehrerin an einer Altonaer Stadtteilschule, die Leitung hat die ehemalige Bundeschampionatsreiterin Sarah de Boer-Stut (40).

Pädagogen haben die zwölf Teilnehmerinnen aus unterschiedlichen Schulen ausgewählt; die Mädchen kennen einander nicht. Finanziert wird das Projekt aus Spenden, die Eltern müssen keinen Cent bezahlen. Katharina Bergholdt opfert ihre Herbstferien.

Der Umgang mit Pferd, Hund und Katze steht im Mittelpunkt

Auch für Sarah de Boer-Stut ist das Herbstcamp eine Herzensangelegenheit. „Ich habe selbst drei Töchter“, sagt die studierte Architektin und Reitlehrerin. „Der manchmal schwierige Alltag der Mädchen berührt mich. Sie sind hoch motiviert, lernen alles rund um das Thema Natur und Tiere – besonders, wie man mit Pferden, Hunden und Katzen umgeht.“

Bevor es soweit ist, gilt es, ein paar Spielregeln einzuhalten. Regenfeste Kleidung, Gummistiefel und Fahrradhelm, der als Reitkappe dient, müssen die Kinder in der Reisetasche haben. Handys, Gameboys und Fernseher sind tabu, Taschengeld gibt es nicht, Süßigkeiten werden eingesammelt und gegebenenfalls später gerecht unter allen Mädchen verteilt.

Ahana (l.) aus Indien und Yakien (beide acht Jahre alt) können nach den Übungen mit Shetty Lilly (13), die jeden Spaß geduldig mitmacht, ein Pony richtig auftrensen und satteln.
Ahana (l.) aus Indien und Yakien (beide acht Jahre alt) können nach den Übungen mit Shetty Lilly (13), die jeden Spaß geduldig mitmacht, ein Pony richtig auftrensen und satteln. © Melanie Mallon

„So wollen wir dem Neidfaktor begegnen“, sagt Gymnasiallehrerin Kathrin Bergholdt. „Die Mädchen schauen schon beim Frühstück genau hin, ob alles gerecht aufgeteilt ist. Da darf bei der Nachbarin nicht mehr Marmelade auf dem Brötchen sein.“

Nach der Stärkung in der Wohn­küche gibt es erst einmal lockeren Deutschunterricht, die Mädchen backen, basteln oder spielen. Das alles verblasst, sobald es zu den Tieren geht. Selbst der Spielplatz ist auf einmal völlig uninteressant.

Okay, die schwarze Labradorhündin Wilmchen (14) zu kraulen oder eine der acht Katzen zu streicheln, macht einen Riesenspaß. Doch das Highlight sind die ebenso erfahrenen wie tiefenentspannten Ponys Klarissa (22) und Dakota (14). Denn keines der Mädchen hat je zuvor Kontakt zu Pferden gehabt. „Das ist wie ein schöner Traum“, findet Yakien. „Zeig mir doch mal bei Klarissa die Hüfte, wo ist der Ellenbogen, wo ist das Knie?“, ermuntert de Boer-Stut. „Wie ist ein Sattel aufgebaut? Wie funktioniert eine Trense? Und was gehört für die Fellpflege alles in den Putzkasten?“, will sie wissen.

Auch das Putzen und Füttern der Tiere bereitet Freude

Im Sattel werden die Mädchen zu kleinen Königinnen. „Klarissa und Dakota haben ein ganz weiches und schönes Fell, es fühlt sich sooooo gut an“, sagt Tyra mit einem verzückten Lächeln. „Ich finde es toll, reiten zu dürfen“, freut sich Chiara. „Auch das Putzen und Füttern machen mir ganz viel Spaß.“

Die Magie der Pferde hat auch Katharina Bergholdt gepackt. „Ich hatte bis jetzt noch nie mit Tieren zu tun“, sagt die Lehrerin. „Ich bin angenehm überrascht, wie viel Positives besonders die Pferde auslösen. Unser erstes Herbstcamp ist praktisch ein Selbstgänger“, sagt Bergholdt. „Das müssen wir wiederholen.“ Die professionelle „Steighilfe“ jedenfalls bekommt sie. Reitlehrerin Sarah de Boer-Stut: „Ich bin gerne wieder dabei.“