Hetlingen. Dreifacher Derbysieger Nisse Lüneburg wird Zweiter bei Landesmeisterschaften in Bad Segeberg. Seine Schwester Jule siegt bei den Amazonen.

Wenn Nisse Lüneburg eine Rampensau wäre, hätte er allen Grund, eine große Party zu feiern und auf den Erfolg zu trinken. Doch der überschwängliche Auftritt ist seine Sache nicht. Privat wirkt der Hetlinger eher zurückhaltend und bescheiden. Aber im Parcours dreht er mächtig auf, ist ganz der coole Profi.

So auch bei der 71. Landesmeisterschaft vor insgesamt 12.000 Zuschauern in Bad Segeberg. Da hat Nisse Lüneburg einmal mehr seine Klasse gezeigt und ist Vize-Landesmeister geworden. Es war das letzte Turnier der grünen Profisaison – und für Springreiter Nisse Lüneburg persönlich der diesjährige Schlusspunkt einer außergewöhnlich erfolgreichen Outdoor-Etappe.

Damit nicht genug: Seine Schwester Jule ritt in der Liga der Amazonen allen Konkurrentinnen davon und ist nun Landesmeisterin. Mit den beiden freuen ihr Bruder Rasmus, der selbst erfolgreicher internationaler Springreiter ist, sowie ihre Eltern, die Pferdezüchter Karin und Jan Lüneburg. Erfolg im und Leidenschaft für den Reitsport ist bei den Hetlingern eben Familiensache.

Nisse Lüneburgs diesjähriger sportlicher Höhepunkt ist der Sieg beim Derby in Klein Flottbek, dem anspruchsvollsten und schwersten Springturnier der Welt. Dort hat er nach 2012 und 2014 zum dritten Mal gewonnen; eine Höchstleistung, die ihn endgültig in die Riege der weltbesten Reiter aufsteigen ließ. Natürlich ruht Nisse Lüneburg, der gestern 31 Jahre alt geworden ist, sich nicht auf seinem Erfolg aus. Er gewann vor elf Tagen den Großen Preis von Paderborn und ist damit Spitzenreiter der Riders Tour, die im Februar 2020 ihre Finaletappe bei den VR Classics in Neumünster erlebt.

In Bad Segeberg traten 700 Reiter aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg mit mehr als 1200 Pferden an. Wurmt es Lüneburg, dass er sich im Finale der ebenfalls bei den Herren gestarteten Inga Czwalina (42) von der Insel Fehmarn geschlagen geben musste und „nur“ Zweiter wurde? „Keineswegs, mit dem Titel Vize-Landesmeister kann ich sehr gut leben, und ich bin sehr stolz auf meinen Wallach Westbridge“, sagt Lüneburg. „In der ersten Qualifikation ist uns ein ganz leichter Fehler passiert. Ärgerlich, aber so ist nun mal der Sport.“

Der Parcours in Bad Segeberg bietet Licht und Schatten

Bei der zweiten Qualifikationsrunde sind viele Konkurrenten gescheitert. „Der Grasplatz ist mit dem Baumbestand und dem daraus resultierendenständigem Wechselspiel von Licht und Schatten sehr speziell“, sagt der Hetlinger, der Chefbereiter des Magdalenenhofes in Wedel ist. „Fehler haben sich vor allem am Wassergraben gehäuft. Der schimmert mit tiefer stehender Sonne anders, die Pferde können ihn nicht genau erkennen und einschätzen. Ich hatte mit Westbridge auch eine dicke Portion Glück. Inga Czwalina hat den Titel verdient, sie ist in allen drei Prüfungen plus Stechen fehlerlos durchgerauscht.“

Lüneburgs Westbridge ist immerhin 16 Jahre alt. „Mein Wallach hat immer noch Lust und Freude am Sport, er blüht dann förmlich auf. Den Grasplatz in Bad Segeberg mag er besonders“, sagt Lüneburg. „Geübt wird nichts mehr, der kann alles. Seit elf Jahren kennen wir uns, und wir vertrauen uns blind. Dazu gehört auch eine Portion Feeling. Wenn ich ein gutes Gefühl habe und überzeugt bin, dass die Kraft und Energie da sind, nehme ich ihn mit.“ So konnte Lüneburg beim Landesturnier auch den Titelverteidiger Carsten-Otto Nagel (55) schlagen. Der zweifache Derbysieger (1999 und 2010) vom Wedeler Moorhof kam auf den vierten Platz.

Für Nisse Lüneburgs Schwester Jule Lind (32) ist das Finale ein persönlicher Grund zum Jubeln: Die Amazone aus Hetlingen, die bis zu ihrer Hochzeit mit dem Unternehmensberater Christian Lind (34) vor wenigen Wochen unter dem Namen Lüneburg bekannt war, erwischte mit der Stute Sternenbanner einen Top-Auftritt in der dritten Wertungsprüfung der Landesmeisterschaft Damen im Springen und machte damit die Goldmedaille perfekt.

Und sie spielte auch beim feucht-fröhlichen Siegesprozedere mit. Traditionell wird der oder die Beste von unterlegenen Reitern in voller Montur mit Schwung in den künstlichen Wassergraben auf dem Parcours geworfen. „Zappeln und Widerstand sind zwecklos“, sagt Jule Lind. „Jetzt konnte ich buchstäblich im Erfolg baden.“ Gleich danach galt ihre Aufmerksamkeit dann den Brüdern Rasmus und Nisse. „Das ist so bei uns, wir helfen uns immer gegenseitig“, sagt die Sportpsychologin.

Nisse Lüneburg macht jetzt erst einmal seinen wohlverdienten Urlaub. „Die Hallensaison beginnt für mich Mitte Oktober im dänischen Herning, dann geht es nach Chemnitz“, sagt der Silbermedaillengewinner der Landesmeisterschaften. „Richtig spannend wird es dann im Februar beim Finale der Riders Tour in Neumünster. Nach fünf von sechs Etappen führe ich, hoffentlich bleibt es so.“