Wedel. Trotz Oberliga-Klassenerhalts wird kein Team gemeldet. Neustart in der Kreisklasse. Verantwortliche rechnen mit der Szene ab.
„Der Fußball im Wedeler TSV darf nicht sterben.“ Ligachef Walter Zessin, sein Sohn Thorsten (Teammanager), B-Jugendtrainer Christian Buhrke, C-Jugendcoach André Kordts und Abteilungsleiter Uwe Drews, waren sich einig, als sie sich am Freitag um 20.30 Uhr in der Blockhütte am Eingang des Elbestadions von ihren Plätzen erhoben. Aber der Leistungs-Fußball im WTSV ist tot.
Am 17. Mai hatte die Oberliga-Mannschaft noch den Klassenerhalt nach einer großen Aufholjagd in der höchsten Hamburger Spielklasse gefeiert. Zwei Wochen später existierte die Mannschaft nicht mehr. In einer Mitteilung gab der Club am Sonnabend bekannt, dass er die Meldefrist für die Oberliga-Runde 2019/20 verstreichen ließ. Herren-Fußball im Namen des WTSV gibt es ab sofort nur noch in der B-Klasse als Spielgemeinschaft mit Sportfreunde Holm zu sehen. Gleichzeitig verabschieden sich die Zessins von ihren Positionen.
Der Neustart „ganz unten“ obliegt der Federführung von Sportfreunde-Trainer Kai Seeliger, ebenfalls bei der fünfstündigen Besprechung im Elbestadion zugegen – jünger Bruder des früheren Bundesligaprofis Thomas Seeliger.
Walter Zessin (69) verabschiedet sich nach mehr als 20 Jahren desillusioniert von der Fußball-Szene, um sich zukünftig lieber seinem Garten, seiner Ehefrau Susanne und seinen Enkelkindern zu widmen. Als sich die Mannschaft in Gegner und Befürworter des damaligen Aufstiegstrainers Heiko Barthel spaltete, wollte er das Handtuch ursprünglich schon 2016 werfen.
Diese Saison bekam er erneut vor Augen geführt, dass der Fußball nicht mehr so ist, wie er einmal war. Das größte Problem: „Der Klassenerhalt stand erst sehr spät fest. Die Zeit reichte dann nicht mehr, ein wettbewerbsfähiges Team auf die Beine zu stellen.“ Walter Zessin kritisiert die neue Spielergeneration. „Wenn du den einen fragst, ob er bleibt, dann macht der das davon abhängig, ob der und der ebenfalls bleibt. So drehen sich die Gespräche immer im Kreis. Ich habe von vielen Spielern ein klares Bekenntnis zum Wedeler TSV vermisst.“ Bezeichnend: Ein Nachwuchsspieler, den der WTSV bis 2021 an sich gebunden hat, bat plötzlich um seine Freigabe. Und dann die überhöhten Forderungen. „Wenn du einen aus Hamburg nach Wedel holen willst, musst du gleich 100 Euro mehr im Monat bezahlen. Clubs wie TuS Dassendorf und Teutonia 05 haben die Preise verdorben“, kritisiert Zessin.
Wichtiger Gönner des Teams zog sich plötzlich zurück
Weitere Beweggründe, warum Walter Zessin sich „das alles nicht mehr antun und keine schlaflosen Nächste mehr haben“ wollte: Ein wichtiger Gönner des Teams zog sich im Februar urplötzlich zurück und strich seine finanziellen Zuwendungen. Außerdem klappte die Betreuung der Mannschaft nicht so reibungslos wie gedacht, sodass Zessin die Trikots sogar einmal persönlich in der Wäscherei abliefern musste. Tüchtige Wegbegleiter wie Ligaobmann Wolfgang Röttger und Erhard Bagowsky, Leiter des Förderkreises, starben viel zu früh und hinterließen Lücken, die nie vollständig geschlossen werden konnten.
Dann sei die Resonanz bei den Heimspielen einfach nur enttäuschend gewesen. Die Fußball-Fans der Stadt verweigerten dem WTSV die Gefolgschaft, obwohl sich die Leistungen nach der Winterpause wieder sehen lassen konnten. „Für wen reißen wir uns eigentlich den Hintern auf?“, fragte Clubmitarbeiter Rolf Lau, der ebenfalls aufhört, mehrfach beim Blick ins leere Rund.
Walter Zessin hat alles hin- und her berechnet. „Wenn man dann noch sieht, dass uns Regionalliga-Aufsteiger Altona 93 als Zuschauermagnet wegbricht, dann droht uns ganz einfach das Loch im Etat. Oder es wird eine Horrorsaison aufgrund fehlender Qualität im Kader.“
Mosaiksteinchen für Steinchen bauten sich so zu einer zentnerschweren Last auf, die Walter Zessin am Ende nicht mehr bereit war, zu tragen. Da noch einige Ablösesummen fällig werden, ist er aber zuversichtlich, plusminusnull aus der vorerst letzten Oberligasaison herauszukommen.
Die Übergangsphase will er zusammen mit seinem Sohn Thorsten begleiten und sein Knowhow in den Betrieb der Spielgemeinschaft einbringen. Offen ist, ob die Statuten überhaupt einen Aufstieg der Holmer und Wedeler als Spielgemeinschaft zulassen. Walter Zessin richtete an den Spielausschussvorsitzenden Joachim Dipner den Wunsch, das zu klären. Bei einer negativen Antwort sollen die Holmer Spieler nach Möglichkeit in den WTSV übergehen.
Die weiterhin zahlreichen (Klein-)Sponsoren und Förderer werden gebeten, den neuen Weg mit zu beschreiten. Dass Grün und Weiß nicht ewig in der B-Klasse dümpeln, zeichnet sich ab. Die Wedeler B-Junioren stehen auf dem Sprung in die Oberliga. Bei den C-Junioren äußerte Trainer Kordts gar Regionalliga-Ambitionen. Thorsten Zessin formuliert es so: „Manchmal musst du einen Schritt zurückgehen, um zwei Schritte vorwärts zu kommen.“