Elmshorn/Neumünster. Sonnabend sind wieder Hengstkörung und Pferdeauktion. Sigrun Günther hat in 40 Jahren Verbandsarbeit Interessantes und Kurioses erlebt

Sie ist ein Magnet für Züchter und Händler aus Europa, Lateinamerika und China. Bei der 48. Holsteiner Körung und Elite-Pferde-Auktion werden an diesem Wochenende 35 junge Reitpferde und 61 Zuchthengste angeboten. Potenzielle Käufer schauen sich sehr genau in den Stallungen des Holsteiner Verbands an der Westerstraße um. Sie studieren den Katalog, machen Proberitte. Dann werden die Tiere verladen und nach Neumünster in die Holsten-Hallen transportiert. Nur dort reicht der Platz für etwa 4000 Interessierte.

Sigrun Günther ist seit 40 Jahren beim Holsteiner Verband im Auktionsteam dabei. „Auktionen und das ganze Drumherum sind wie ein Krimi, und es passieren Dinge, die nicht kalkulierbar sind“, sagt die 55-Jährige und erinnert sich an skurrile, schräge und dramatische Episoden. Namen nennt sie nicht, Diskretion gehört zum Geschäft.

Flora und die Plastiktüte: Es ist Liebe auf den ersten Blick, als der gut gekleidete Herr auf Flora trifft. Bewegungsablauf, Springvermögen und Abstammung der Stute interessieren ihn nicht; völlig untypisch. „Sie ist so hübsch und schmusig“, sagt der Frischverliebte. Am nächsten Tag kommt er wieder – mit einer Plastiktüte voll Geld. Er zählt Geschäftsführer Norbert Boley den geforderten fünfstelligen Betrag in kleinen Scheinen auf den Tisch und entführt die Braut nach Hause.

Der schlecht gelaunte Scheich: Für einen Scheich, der mit seinem Gefolge anreist, wird der rote Teppich ausgerollt. Das Feinste vom Feinsten wird beim Caterer bestellt. Leider trifft es nicht seinen Geschmack, der Herrscher hat schlechte Laune, das Team flitzt los, beschafft alles neu und vor allem anders. „Was für ein Aufstand“, sagt Sigrun Günther.

Letztlich kauft der Scheich einen Hengst und zwei Reitpferde. Ohne weitere Absprachen lässt er die Tiere 18 Monate beim Holsteiner Verband stehen und komplett versorgen. Die Rechnung im sechsstelligen Bereich wird schleppend aber vollständig bezahlt. Dann entscheidet sich der Scheich endlich für einen Standort in Frankreich und lässt die Tiere dorthin transportieren.

Pferdespediteur Jens Müller (63, l.) aus Neuendeich ist seit 45 Jahren im Geschäft und kennt jeden Verladetrick. Ehefrau Heleni (57) und Horst Jürgs (67) aus Haselau sind vom Pferdefach.
Pferdespediteur Jens Müller (63, l.) aus Neuendeich ist seit 45 Jahren im Geschäft und kennt jeden Verladetrick. Ehefrau Heleni (57) und Horst Jürgs (67) aus Haselau sind vom Pferdefach. © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Die hohe Kunst, Pferde zu verladen: Die edlen Tiere zu transportieren, ist eine Wissenschaft für sich, egal ob sie ins Ausland oder wie jetzt nach Neumünster gebracht werden sollen. Die ersten acht Pferde stehen auf Hochglanz geputzt bereit.

Beim Verladen ist es wichtig, dass die Pferdebeine sehr gut geschützt sind. Die Athleten können nicht nach rechts oder links ausweichen, jeder Handgriff sitzt. 
Beim Verladen ist es wichtig, dass die Pferdebeine sehr gut geschützt sind. Die Athleten können nicht nach rechts oder links ausweichen, jeder Handgriff sitzt.  © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Der Pferdetransporter, ein 19 Meter langer 18-Tonner, hat vier Laderampen und Platz für acht Pferde. Der Durchschnittswert der kostbaren Vierbeiner liegt bei mehr als 45.000 Euro. Damit die zum Teil unerfahrenen Vierbeiner zügig in den Lkw steigen, gibt es nur einen Weg. „Wir parken exakt vor der Stalltür, die Pferde können nicht nach rechts oder links ausweichen“, sagt Spediteur Jens Müller (63) aus Neuendeich. Zügiges Arbeiten ohne Hektik ist nun Trumpf. Seine Frau Heleni (57) packt mit an. Jetzt muss die Truppe heil in Neumünster ankommen. Bei dem Transport geht alles glatt.

Und plötzlich fehlt ein Pferd: Selbst wenn die Vierbeiner dann endlich auf dem Lkw stehen, passieren manchmal verblüffende Dinge. Die Pferde sind am Halfter rechts und links gesichert. Dennoch poltert es schrecklich bei einer Tour auf der A7, die Videoüberwachung zeigt, dass plötzlich ein Pferd fehlt. „Wir haben dann mit der Kamera hin und her gezoomt, das Pferd hatte sich im Lkw überschlagen und lag unter der Nachbarstute, ein Albtraum“ sagt Sigrun Günther. „Auf der Autobahn kann da nichts geregelt werden.“ Also hieß es: Nerven behalten, langsam weiterfahren.

Dann endlich, nach endlos erscheinenden Minuten in Neumünster angekommen, ist das Team mit einem Tierarzt auf das Schlimmste vorbereitet. Sechs der acht Pferde werden vorsichtig abgeladen. Um an das gestürzte, eingekeilte Tier heranzukommen, müssen Verstrebungen und Seitenwände auseinander geschraubt werden; ständig mit der Angst, dass die beim verunfallten Artgenossen verbliebene Stute in Panik gerät. „Diese erfahrene Stute ist dann ganz vorsichtig über ihren wie durch ein Wunder unverletzten Artgenossen hinweggestiegen“, sagt Sigrun Günther. „Da hatten alle verdammt viel Glück.“