Elmshorn. Lea Boy vom Swim-Team Elmshorn hat früh die Liebe zu den langen Schwimmstrecken entdeckt. Jetzt geht sie an den Bundesstützpunkt
Wenn der normale Schüler sich nochmals in seine Bettdecke kuschelt und sich ein vorletztes Mal vor dem Aufstehen umdreht, dann steht Lea Boy schon am Beckenrand. Denn gleich beginnt ihr erstes Training des Tages. Die 18-Jährige aus Elmshorn ist eine der besten Langstreckenschwimmerinnen Deutschlands. Vor wenigen Wochen feierte sie ihren größten internationalen Erfolg, mit der Qualifikation für die offenen europäischen Titelkämpfe Anfang August in Glasgow.
Tag ein, Tag aus dasselbe Ritual bei Lea: 5.50 Uhr aufstehen und vor der Schule ins Freibad zum ersten Training. Dann Unterricht, nach der Schule das zweite Training – insgesamt 23 Stunden pro Woche. Abends dann Lernstoff aufarbeiten oder für Klausuren üben. Platz für weitere Hobbys: Fehlanzeige. „Mir fehlt aber nichts. Mein Tag ist ausgefüllt“, sagt Lea Boy. Langeweile, die manche Teenager in ihrem Alter schieben, gibt’s nicht, aber auch keine Computerspiele oder Netflix. „Das kenne ich gar nicht. Wie soll ich das vermissen?“, sagt die Zwölftklässlerin der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule Elmshorn.
Ein ausgefülltes Leben, das sich Lea Boy da ausgesucht hat. Früh stand für sie fest, sich dem Langstreckenschwimmen zu widmen. „Kurze Distanzen waren nie mein Ding“, gibt Lea freimütig zu. Als sie vor fünf Jahren in den Leistungsbereich wechselt, sind sofort die langen Strecken ihr Ziel. Als 14-Jährige ist Lea norddeutsche Jugend-Meisterin über 400, 800 und 1500 Meter Freistil. Richtig wohl fühlt sie sich aber im Freiwasser, ihre Lieblingsstrecken sind die fünf und zehn Kilometer. Letzteres ist die Distanz, auf der sie im portugiesischen Setubal erstmals die EM-Norm der offenen Klasse geschafft hat. Lea schlug als 18. in 2:08:34,15 Stunden an.
Aber um Zeiten geht es beim Langstreckenschwimmen nur in zweiter Näherung. „Jede Strecke ist anders. Mal gibt es Strömung, mal ist – wie in London bei den olympischen Spielen – Dreck im Wasser, mal ist es kalt, mal warm. Bei den Qualifikationsrennen geht es darum, einen bestimmten Platz zu erreichen“, weiß die Wassersportlerin vom Swim-Team Elmshorn.
Dass dafür eine gewisse Grundschnelligkeit nötig ist, muss nicht extra erwähnt werden. Denn wenn Platz 18 für die Qualifikation Pflicht ist, dann muss man eben schneller als der 19. schwimmen.Die Qualifikation für Glasgow ist der bisher größte Erfolg für die 18-Jährige. Leas Traum ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Dafür verlässt sie jetzt die Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule mit dem Fachabitur in der Tasche und zieht nach Würzburg in den Bundesleistungsstützpunkt fürs Freiwasserschwimmen.
Ihre volle Konzentration ist in den kommenden Jahren auf den Sport gerichtet. „Lea wird mir fehlen. Das Training mit ihr war immer nett. Wir hatten viel Spaß zusammen“, sagt Miriam Fraß. Trainer Jörg Freyher begrüßt den Schritt von Lea, nach Würzburg zu gehen. „Leas Stärke ist ihre unglaubliche Zielstrebigkeit. Bei uns in Schleswig-Holstein kann sie die nun benötigten Trainingsumfänge nicht wahrnehmen. Der Wechsel nach Würzburg ist konsequent und logisch“, sagt der Leistungstrainer des Swim-Teams Elmshorn.
Vor ihrem Wechsel nach Bayern hat Lea aber noch die Farben des Swim-Teams Elmshorn vertreten. Am vergangenen Wochenende startete sie bei der Deutschen Meisterschaft im Freiwasserschwimmen in Mölln – mit Erfolg.
Für Lea Boy sprang im Jahrgang 2000 über fünf Kilometer Platz zwei heraus (1:02:19,84 Std.), in der offenen Wertung bedeutet dies Rang elf. An dem Tag „stahlen“ ihr aber die Clubkameraden Arti Krasniqi und Miriam Fraß mit den Gewinnen der deutschen Jahrgangsmeisterschaft die Show. Krasniqi siegte bei den Junioren 2000 in 54:48,80 Minuten, Fraß war im Jahrgang 2002 in 1:02:24,28 Stunden die Schnellste. Gemeinsam mit Arti Krasniqi wird Lea Boy bei der Junioren-EM vom 13. bis 15. Juli auf Malta starten.
Über das, was nach dem Sport kommt, hat Lea Boy noch nicht nachgedacht. Nächstes großes Ziel ist die Olympia-Qualifikation für Tokio 2020. „Ich denke, ich habe einen kleinen Vorteil, weil ich mich recht früh aufs Langstreckenschwimmen spezialisiert habe“, sieht Lea Chancen für Olympia. Und wenn Tokio nicht klappt, ist da 2024 eine weitere Chance. In Paris wäre Lea ein Jahr älter als die amtierende 10km-Olympiasiegerin Sharon van Rouwendaal bei ihrem Triumph 2016, also im besten Langstreckenschwimmeralter.