Bönningstedt. Marcel Schawo gilt als absolutes Bewegungstalent. Der Titelträger aus Tornesch qualifiziert sich erneut für die WM in den USA.

Weltmeisterschafts-Atmosphäre in Bönningstedt, so etwas hat es zuletzt vor zehn Jahren gegeben. Die 30 besten Rhönradturner Deutschlands trafen beim ersten von zwei Qualifikations-Wettkämpfen für die Weltmeisterschaft in US-Bundesstaat Cincinnati im Juli aufeinander. Schauplatz des turnerischen Hochkaräters in den Erwachsenen- und Juniorenklassen war die große Halle an der Kieler Straße. Dabei präsentierten sich die beiden Lokalmatadoren Yana Looft und Marcel Schawo vom SV Rugenbergen in ausgezeichneter Form.

Vizeweltmeister Marcel Schawo, 22, der den ersten Platz bei den Männern belegte, dürfte bereits sicher für die WM qualifiziert sein. Die amtierende Weltmeisterin Yana Looft, 24, die Vierte wurde, muss am 23. April bei der zweiten WM-Ausscheidung im hessischen Marburg ihre Leistung bestätigen und dann einen insgesamt fünften Platz verteidigen, um sicher das Ticket für die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in den USA zu lösen.

„Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen der beiden, die ja unsere Stars im Rhönrad sind“, sagte Coach Simon Knapp, der zugleich Nationaltrainer der deutschen Rhönradturner ist. „Es ist toll, wie sie sich vor heimischen Publikum präsentiert haben. Ich glaube, es war gleichzeitig eine rundum gelungene Veranstaltung und Präsentation dieser Randsportart“, ergänzt Knapp, der selbst siebenmaliger Weltmeister auf Rollen war und schon einmal, und zwar im Jahr 2005, die Weltmeisterschafts-Qualifikation nach Bönningstedt geholt hatte.

Für Marcel Schawo lief der Wettbewerb wie am Schnürchen. Schon nach der ersten Disziplin, dem Sprung, lag der 22 Jahre alte Tornescher vorn. Bei der Musik-Kür danach überzeugte er die Kampfrichterinnen mit einem ebenso harmonischen wie perfekten Vortrag, die ihm eine ausgezeichnete 11,5 Punktzahl von 13 möglichen Zählern einbrachte. Und selbst die Spiraldisziplin, bei der er früher Schwächen zeigte, gelang ihm so gut, dass der Kapitän der Nationalmannschaft voll des Lobes Dirk Balkenohl, der den Zuschauern mit einfühlsamen Worten den Wettbewerb erklärte und die einzelnen Sportler vorstellte, voll des Lobes war. „Es ist heute gar nicht mehr vorstellbar, dass Marcel Schawo mal wegen der schwierigen Spirale das Rhönradturnen aufgeben wollte“, sagt der in Berlin beheimatet Balkenohl.

So sei Marcel Schawo, der heute Sportmanagement in Köln studiert, mit 16 Jahren relativ spät zum SV Rugenbergen gekommen, erinnert sich Trainer Knapp. „Marcel ist ein Super-Bewegungstalent. Auf nationaler Ebene kann ihm kaum ein anderer Sportler das Wasser reichen. Wenn er etwas früher zum Rhönradturnen gekommen wäre und an den Junioren-Weltmeisterschaften teilgenommen hätte, wäre er noch besser als ohnehin schon. Sein Ziel sollte es sein, bei der WM im Sommer ganz oben auf dem Treppchen zu stehen, so Knapp. Insofern war der Wettbewerb in Bönningstedt für den Vizeweltmeister optimal, um Sicherheit und Routine für die WM zu gewinnen. Denn Knapp stellt fest: „Manchmal ist Marcel etwas nervös.“

In ihrer Paradedisziplin zeigt Yana Looft plötzlich Nerven

Nerven zeigte diesmal Teamkameradin Yana Looft vor dem interessierten Bönningstedter Publikum in der vollbesetzten Halle. Ausgerechnet in ihrer Paradedisziplin Spirale, in der sie voriges Jahr in Italien den WM-Titel errungen hatte, patzte die in Langenhorn wohnende SVR-Turnerin. Mitten in ihrer Kür rutschte sie plötzlich mit dem Fuß aus der Bindung und stand auf dem Boden, was ihr einen Punkteabzug bescherte. „Eine Zehntelsekunde lang war ich nicht zu 100 Prozent konzentriert. Das ist mir im Training noch nie passiert“, sagte sie. So drohte ihr ein hinterer Platz, der die WM-Qualifikation gefährdet hätte. „Ich dachte schon, ich wäre raus.“

Doch dann riss sie bei der Musik-Kür zu klassischen Klängen der Piano Guys wieder alles raus und ließ die Konkurrenz mit ihrem fehlerfreien und ästhetischen Vortrag hinter sich. Schon bei der WM in Italien hatte sie die Musik-Kür im Teamwettbewerb bestritten. Trainer Knapp wusste um ihr Können in dieser Rhönrad-Disziplin. Yana selbst war am Ende mit Platz vier zufrieden. „Ich lag die ganze Woche krank im Bett“, sagt sie. „Ich war so geschwächt, dass nicht mehr drin war.“ Die Medizinstudentin (sie steht vor dem 2. Staatsexamen) ließ sich übrigens nicht von ihrem Trainer Knapp, sondern von Astrid Stolle (Bayer Leverkusen), mit dessen Rhönradsportlern der SV Rugenbergen eng kooperiert.

Die Damen-Konkurrenz war enorm stark besetzt, befand Trainer Simon Knapp. Sieben talentierte Frauen kämpften um die fünf freien Plätze im deutschen Rhönrad-Kader für Cincinnati. Yana Looft fährt in knapp fünf Wochen mit sieben Punkten nach Marburg zur zweiten Qualifikation, wo ihr ein weiterer vierter oder fünfter Platz für die Qualifikation reichen sollte.

Bönningstedts Bürgermeister Peter Liske ließ sich das nicht alltägliche WM-Flair in seiner Gemeinde nicht entgehen und war bei der Siegerehrung dabei: „Es ist toll, dass wir in Bönningstedt solche Spitzensportler haben, die auch noch aus dem eigenen Nachwuchs stammen.“ So schickt sich bereits mit der erst elf Jahre jungen Hanna Plewa, die bei den deutschen Meisterschaften antritt, das nächste Super-Talent aus der Rhönradschmiede des SV Rugenbergen an, in die Fußstapfen von Knapp, Looft und Schawo zu treten.