Tornesch. Im Ortsteil Esingen hat der letzte Tornescher Bäcker aufgegeben. Aber die Rettung naht. Ein Kollege haucht dem Betrieb neues Leben ein.
Auf der Internet-Plattform Facebook pfiffen es die Spatzen schon lange von den Dächern: Der letzte eigenständige, familiengestützte Bäcker in Tornesch schließt im Sommer seine Türen. Gemeint war die Bäckerei Pein an der Pinneberger Straße im Ortsteil Esingen. Doch nun geht es dort unter neuer Ägide weiter.
Es ist jetzt doch schon ein paar Monate her, dass sich Pein mit einem Kollegen aus dem Nachbarort einig wurde, das Ladengeschäft zu übernehmen. Christoph Eggers, selbst Chef in fünfter Generation des gleichnamigen Betriebs in Moorrege, wird den alten Standort übernehmen. Zurzeit wird fleißig umgebaut. Am 2. Juli geht es los.
Moorreger Bäckermeister übernimmt Traditionsbetrieb in Tornesch-Esingen
„Ich finde es immer traurig, wenn ein Traditionsbetrieb schließt, weil es keinen Nachfolger mehr gibt“, erzählt Eggers. Da der 54-Jährige gerade Kapazitäten freihat und der Standort alteingesessen und interessant ist, griff er zu. Eggers führt außer im Stammhaus noch Filialen in Uetersen, Heist und Appen. Darüber hinaus beliefert er diverse andere Händler und Märkte. Edeka Paulsen in Holm gehört dabei zu den ältesten Kunden.
In Esingen wird Christoph Eggers anfangs nur seine „Knackfrischen“ direkt backen. Alles andere kommt aus der zentralen Backstube in Moorrege. Da sei er ein wenig eigen, gesteht der Bäckermeister. Ihm sei es wichtig, bei der Produktion dabei zu sein und selbst alles im Blick zu haben.
Bäckerei Eggers ist seit fünf Generationen in Familienhand
Christoph Eggers ist der Ururenkel des Firmengründers. 1897 hatte Hinrich Eggers die Bäckerei in Moorrege gegründet. Seit 2019 ist Christoph Eggers der Chef des Ganzen. Die Bäckerei ist neben ihren Brot- und Backwaren auch für ihre Kuchen und Torten bekannt und für ihre Flexibilität.
„Wenn noch jemand in der Konditorei da ist, versuchen wir alle Wünsche sofort zu erfüllen“, berichtet Christoph Eggers stolz. Mit diesem Konzept will Eggers jetzt auch die Tornesch-Esinger überzeugen. Geöffnet ist in der Bäckerei an der Pinneberger Straße dienstags bis freitags von 6 bis 18 Uhr sowie sonnabends von 6 bis 12 Uhr und sonntags von 8 bis 11 Uhr.
Christiane und Sabine Dieckmann sowie Anja Plüschau führen Esinger Filiale
Hinterm Tresen haben die Kunden in der Regel mit Christiane und Sabine Dieckmann zu tun sowieso als Neuling mit Anja Plüschau. Der Standort in Tornesch wird am Dienstag, 2. Juli, mit einer Aktionswoche fürs urige Brot und „Butterkuchen nach Opas Hausrezept“ sowie kostenloser Grillwurst am ersten Tag öffnet.
Eggers beschäftigt im Stammhaus sowie den Filialen zurzeit etwa 40 Kräfte. Personalsorgen, so der Chef, habe er wenig. Dafür danke er seinem engagierten Team. In einem Familienbetrieb dürfe man sich darauf verlassen, dass man sich kümmere und auch in Notsituationen nach Lösungen suche.
Christoph Eggers lernte das Bäckereihandwerk 1995 von seinem Großvater
Während Tornesch nun als Standort starte, hat Eggers in Uetersen eine kleine Zweigstelle am Tornescher Weg geschlossen. „Das rechnete sich dort gar nicht mehr“, sagt Eggers. Zudem hätte er an dem alten Standort erheblich investieren müssen.
Christoph Eggers hat das Bäckerhandwerk 1995 bei seinem Großvater gelernt. Ob es noch eine sechste Generation Eggers geben werde, sei noch offen. Vor allem der wachsende bürokratische Aufwand mache kleinen und mittleren Unternehmen oft das Leben sehr schwer, gesteht der Firmenchef.
Aus der Bäckerei-Geschichte Esingens: Als Geselle Walli Pein übernahm
Über die Geschichte des Bäckereihandwerks in Tornesch-Esingen weiß natürlich Stadtarchivarin Annette Schlapkohl viel zu berichten. Die Ursprünge liegen nach ihren Quellen im Hause Groth an der heutigen Pinneberger Straße/Ecke Hafenstraße. „Auf einem vom Groth-Hof (Hof 5) abgeteilten Grundstück wurde 1862 das noch 2024 stehende Gebäude errichtet und darin durch Claus Hinrich Groth mithilfe seines Bruders Berend zunächst eine Grützrossmühle eröffnet“, berichtet Annette Schlapkohl.
In den 1870er-Jahren wich die Rossmühle einer Bäckerei und einem Handel mit Textilien und anderer Wäsche, den sogenannten Weißwaren. 1892 übernahm der Sohn Johannes Groth die Bäckerei und Hökerei. Den landwirtschaftlichen Betrieb gab er 1915 auf und betrieb die Bäckerei bis zur Ablösung durch seinen ehemaligen Gesellen Walli Pein 1930.
Stadtarchivarin erzählt, dass der Bäcker zu seiner Firma durch die Pinnau schwamm
Walli Pein aus Appen (Jahrgang 1905), der in Esingen das Bäckereihandwerk bei Bäcker Groth Anfang der 1920er-Jahre erlernte, „watete oder schwamm durch die Pinnau je nach Wasserstand, um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen“, erzählt die Stadtarchivarin eine von vielen skurrilen Geschichten. 1930 heiratete Bäckermeister Walli Pein Irma Fleege (Jahrgang 1910) und begründete mit ihr eine Bäckerei in einem Neubau an der heutigen Pinneberger Straße 3.
- Wahnsinn: Rinder in der Stadt – Züchter lieben Galloways
- Pinneberg: Lebensmittel retten – Hier gibt‘s Überraschungstüten für kleines Geld
- Edeka und Lidl: Großprojekt für neues Wohnviertel - so profitieren 1500 Neubürger
Zwei Traditionsfirmen im Bäckerhandwerk blieben bis nach 2000 in der Gemeinde Tornesch tätig. Die Bäckerei Bätje in der Friedrichstraße 6 bis zum Abriss des Gebäudes 2003 und die Esinger Bäckerei Pein, 1930 von Walli Pein begründet und 1972 an Sohn Gerhard Pein übergeben.
Enkelsohn Olaf Pein führte den Bäckerei- und Konditoreibetrieb am alten Standort in der Pinneberger Straße 3 bis zur Schließung am 31. Mai 2024 mit großem Engagement fort. Die letzte Stunde am geschichtsträchtigen Backofen dokumentierte Stadtarchivarin Annette Schlapkohl in einem Film. Nun übernimmt Eggers in diesen Räumen die Regie und setzt damit die Geschichte fort.