Quickborn. Im Streit wurde der 1. FCQ vor 25 Jahren aus der Taufe gehoben. Ein Trainer erinnert sich an die Anfänge, als es ordentlich Ärger gab.
Mit Streitigkeiten hatte alles begonnen. Ein Vierteljahrhundert später sind die Protagonisten des 1. FC Quickborn beinahe die Friedens-Botschafter des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV). Zum zweiten Mal nach 2013 belohnte sie der HFV-Sponsor, die Holsten-Brauerei, mit dem Vereinsehrenamtspreis. Für besonderes Fairplay der ersten Mannschaft (Kreisliga) und ihres Trainers Jan Ketelsen gab es in den Jahren dazwischen schon insgesamt drei Auszeichnungen.
Passend zum 25. Geburtstag des Vereins bekamen die Vorsitzenden Oliver Kalupke und Ronny Seliger von HFV-Präsident Christian Okun einen Scheck über 5000 Euro in die Hände gedrückt. Ein Teil des Geldes wird in eine elektronische Anzeigetafel investiert. Davon steht zwar schon eine im Holsten-Stadion. Die darf aber nur Nachbarschaftsrivale TuS Holstein einschalten, nicht etwa der FCQ. Darauf hat besonders Uwe Langeloh ein Auge. Das TuS-Urgestein, ehemaliger Abteilungsleiter, Träger der Goldenen Vereinsnadel und der Silbernen HFV-Ehrennadel für besondere Verdienste um den Fußballsport, kann nicht vergessen, was im Mai 1999 geschah.
Mit Streit fing alles an: Trainer Ketelsen erinnt sich noch genau, was vor 25 Jahren geschah
Jan Ketelsen, FCQ-Mitgliedsnummer 001, erinnert sich noch ganz genau an den Ablauf. „Der TuS Holstein hatte eine starke erste D-Jugend, die von der Jugendabteilung die volle Unterstützung genoss. Die von mir trainierte zweite D-Jugend wurde stiefmütterlich behandelt.“
Ohne vorherige Gespräche sei eines Tages ein Schreiben an die Eltern der Zwölf- und 13-Jährigen herausgegangen. D1 sollte mit Spielern von D2 aufgefüllt werden und D2 deshalb aufhören zu existieren. Als sich die Erziehungsberechtigten von 18 zumeist gut befreundeten Nachwuchskickern am 19. Mai trafen, war die Meinung einhellig: „Wir verzichten auf das letzte Spiel und die Staffelmeisterschaft. Wir treten aus.“
Drei komplette Nachwuchsteams schlossen sich mit Trainern und Betreuern dem FCQ an
Angedacht war zunächst ein Wechsel zum SC Ellerau, TuS Hasloh oder TuS Hemdingen. Bei der nächsten Zusammenkunft eine Woche später machte Thomas Wegner, Vater von Torhüter Florian, aber den Vorschlag, einen neuen Verein ins Leben zu rufen. Im selben Moment legte Wegner eine von ihm ausgearbeitete Satzung auf den Tisch. Geboren war der 1. FC Quickborn, dem aktuell 550 Personen angehören.
2003 der nächste Stich ins Herz des TuS Holstein. Drei komplette Nachwuchsteams schlossen sich mit Trainern und Betreuern aus Unzufriedenheit dem FCQ an. Während der Stern des TuS Holstein in der höchsten Hamburger Spielklasse allmählich sank, schickte der neue Stadtrivale 2005 sein erstes Herrenteam ins Rennen. Fast 500 Fans sahen das erste Saisonspiel ausgerechnet gegen die Reserve des TuS Holstein (1:4), „die allermeisten davon in unseren Vereinsfarben Orange und Schwarz gekleidet“ (Ketelsen). Als ein Jahr später TuS-Fußballchef Albert Kutscheid zurücktrat, war der Weg frei, an der Vormachtstellung des Hamburger Meisters von 1985 kräftig zu rütteln.
Enrik Nrecaj zählte jahrelang zu den besten Stürmern der Oberliga
Dabei geht es den FCQ-Verantwortlichen gar nicht ausschließlich um den sportlichen Ertrag. „Dass wir intern eine so hohe Verbundenheit zum Verein erzeugt haben, stufe ich höher ein als unseren zweimaligen Aufstieg in die Bezirksliga“, sagt Ketelsen.
Dabei schuftete der 47-Jährige für den Erfolg wie kein Zweiter. Jahrelang trainierte er parallel zu den Herren auch drei verschiedene Teams der A-Junioren, die jeweils in die Oberliga kletterten. Seine Arbeit förderte einen besonders starken Spieler zutage. Das ist Enrik Nrecaj (29), der in Diensten der SV Halstenbek-Rellingen, des WTSV Concordia und des TSV Sasel jahrelang zu den besten Stürmern der Oberliga Hamburg zählte. Als großes Talent galt Marko Mlinac, bis den Rechtsverteidiger in der A-Jugend-Bundesliga (Niendorfer TSV) permanente Schulterverletzungen komplett ausbremsten.
Steven Schönfeld erzielte 500 Treffer für die Quickborner
Dass dem FCQ noch weitere Talente den Rücken kehrten, ließ sich nicht vermeiden. Ketelsen: „Wenn einer nach Barmbek zieht, kann ich ihm den Aufwand für die Spiele mit dem FCQ und das Training nicht zumuten.“ Einige kehren wieder zurück, so wie Torjäger Steven Schönfeld (32/von Komet Blankenese), der es bis 2016 und dann wieder ab 2023 auf 500 Treffer für Orange und Schwarz gebracht haben soll.
Ansonsten steht zumeist Nachwuchs bereit, Lücken im Herren-Kader zu schließen. Dieses Jahr rücken fünf Akteure aus dem eigenen „Stall“ hoch. Keiner bekommt auch nur einen Cent. Allenfalls für „vernünftige Sportklamotten“ sei gesorgt.
Aliakbar Bayat – ein Beispiel für gelungene Integration
Mit dem Notwendigsten hatte der Club auch Aliakbar Bayat ausgestattet, der Anfang 2015 mit seinen erst 17 Jahren plötzlich vor der Tür stand. Dem Zugriff der Taliban unter abenteuerlichen Begleitumständen entronnen, fand der „unbegleitete Flüchtling“ in Quickborn auch dank des Fußballs eine neue Heimat. Inzwischen steht Bayat als Beispiel für gelungene Integration.
Rasch eignete er sich die deutsche Sprache an und absolvierte eine Ausbildung als Maler und Lackierer. Inzwischen ist er in seinem Beruf so gefragt, dass er den Quickbornern als Stürmer auf dem Feld nicht mehr zur Verfügung steht.
Rund 50 Flüchtlinge aus Afghanistan, der Ukraine, Syrien und dem Krisengebiet an der türkisch-irakischen Grenze kicken in der Zwischenzeit für den FCQ. „Bei allen spüre ich eine unfassbare Dankbarkeit, hier willkommen zu sein,“ sagt Ketelsen.
Rote Karte? Das kostet einen Kasten Bier und 25 Euro für die Mannschaftskasse
Der FCQ gibt die Spielregeln vor: „Deutsch lernen, pünktlich sein.“ Von vornherein werden Kandidaten mit undurchsichtigen Papieren oder die den Verdacht erwecken, sich nur in den Schoß der Sozialsysteme begeben zu wollen, abgelehnt.
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Die „volle Härte“ der FCQ-Gesetze bekam der Kurde Mohammad Khaled Mahmud nach einer umstrittenen Roten Karte am 13. Spieltag in der Partie gegen den TV Haseldorf (1:2) zu spüren: 25 Euro in die Mannschaftskasse, einen Kasten Bier. Dass der Schiedsrichter die Rote Karte in der Kabine in Gelb umwandelte, hinderte Ketelsen nicht daran, die HFV-Geschäftsstelle von der Roten Karte zu unterrichten.
Ziel ist ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zum TuS Holstein
Das kam beim Verband genauso gut an wie die gelungene Inklusion der gehörlosen Brüder Robby und Rowan Fischer sowie viele Aktionen (Familien-Tag, Fussi-Camp, AGs in den Schulen und Kitas), die Kinder von den Konsolen an die frische Luft zu holen.
Dass ihm ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zum sportlich wieder aufstrebenden TuS Holstein am Herzen liegt, zeigen Ketelsens regelmäßige Besuche der TuS-Spiele und seine Treffen immer an Heiligabend mit Schulkamerad Christian Kutscheid, jüngster Sohn von Albert Kutscheid. Sein Ruf als Pedant wegen diverser Proteste gegen Spielwertungen ist Ketelsen egal. „Es gibt Statuten und Bestimmungen, an die sich alle halten müssen. Meine Beanstandungen haben sich ausnahmslos als berechtigt erwiesen.“