Holm. Die rechte Sekte des „Königreichs Deutschland“ hält Kongress in Landgaststätte in Holm ab. In der Region ist die Szene ein Problem.
Sie sehen aus wie die meisten von uns: Sie tragen T-Shirts, Jeans, Röcke. Doch was sie wollen, ist ein neuer Staat: etwa das „Königreich Deutschland“, eine rechtsextreme Sekte mit eigener Fantasiewährung. Jüngst trafen sich etwa 70 Frauen, Männer und Kinder dieser Gruppe, die der Reichsbürger-Bewegung zugeordnet wird, mitten unter Normalbürgern: im gutbürgerlichen Gasthof und Hotel Ladiges in Holm. Was über die Gruppe und die Bedeutung der Organisation in unserer Region bekannt ist.
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBGR) hatte nach Recherchen das Treffen öffentlich gemacht und Bilder sowie einen Bericht dazu publiziert. Der Koch und Kampfsportler Peter Fitzek hatte nach diesen Recherchen als „Peter Menschensohn“, so der Name des selbsternannten Königs, zu dem Zukunftskongress in der 3300-Einwohner-Gemeinde im Kreis Pinneberg eingeladen. Der Tagungsort sei nur ausgewiesenen Mitgliedern nach Anmeldung bekannt gegeben worden. Eine Mitarbeiterin eines Hamburger Kulturzentrum wurde dabei bereits als Mitglied der rechtsextremen Reichsbürgerszene enttarnt.
Betreiber des Gasthofs Ladiges: „Wir sagen grundsätzlich nichts über unsere Gäste“
In dem um 1800 gegründeten Gasthof wollen sich die Familienmitglieder nicht näher zu den kruden Tagungsteilnehmern äußern. „Wir sagen grundsätzlich nichts über unsere Gäste“, heißt es aus dem Familienbetrieb zur Anfrage des Abendblattes. Auf die Frage, ob die Gruppe denn versucht habe, mit der Währung ihres Königreichs zu bezahlen, dem Engelsgeld, wird dann zumindest nicht abwehrend reagiert: „Nein. Bei uns gilt nur eine Währung.“
Im Amt Geest und Marsch Südholstein, zu dem die Gemeinde Holm gehört, wird die lokale Reichsbürgerszene indes sehr genau beobachtet. „Wir melden jeden, der bei uns damit auffällt, dass er beispielsweise seinen Namen in Ausweispapieren ändern oder Abgaben an die ‚Deutschland GmbH‘ nicht zahlen will, sofort an das Landesamt für Verfassungsschutz“, sagt Frank Wulff, Direktor des Amtes.
Reichsbürger in Neuendeich hatten Haus mit Sprengfallen bestückt
Wulffs Vorgänger, Rainer Jürgensen, musste einem Ehepaar sogar Hausverbot erteilen, weil Mann und Frau bedrohlich im Amt aufgetreten waren. Für einige Monate engagierte Jürgensen sogar einen Sicherheitsdienst im alten Amtsgebäude in Moorrege. 2018 erlebten er und seine Mitarbeiter, welche Gewaltbereitschaft dahintersteckt. Bei einer Hausdurchsuchung mit Sondereinsatzkommando in Neuendeich waren die Eheleute zwar verschwunden und blieben es auch. Sie hatten aber Sprengfallen am Hintereingang deponiert.
Zwei bis drei Personen pro Gemeinde rechnet das Amt inzwischen der Reichsbürgerszene zu. Man dürfe das weder unter- noch überschätzen. Als „schlimm“ empfindet der Amtsdirektor, dass Familien auch ihre Kinder mit einbeziehen. Im Vergleich zu den mindestens 20 bekannten Reichsbürgern in den zehn Amtsgemeinden machen sich die 700 in Schleswig-Holstein vom Landesamt registrierten Reichsbürger vergleichsweise gering aus, da es im Land gut 1000 Kommunen gibt.
Reichsbürger im Kreis Pinneberg: Amt sensibilisiert Mitarbeiter und lässt Selbstverteidigung üben
Im Amt Geest und Marsch Südholstein haben alle Mitarbeiter die Anweisung, sich nicht auf Diskussionen mit den sogenannten Reichsbürgern einzulassen. Das klappt auch im Wesentlichen gut. Trotzdem will Wulff seine Mitarbeiter weiter sensibilisieren und demnächst auch für den möglichen körperlichen Kontakt wappnen. Sie sollen an einem Selbstverteidigungskursus teilnehmen.
Über das, was beim Zukunftskongress in Holm besprochen und beschlossen wurde, ist bisher wenig bekannt. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts berichtet in seinem Artikel, dass die Struktur der Gruppe „Königreich Deutschland“ (KRD) in Norddeutschland weiter ausgebaut werden soll. Die Regionalgruppe Hamburg sei seit vorigem Jahr sehr aktiv.
Reichsbürger: Zu den Aktiven zählt auch ein Küchenbauer aus Haseldorf
Zu diesem regionalen Unterstützer-Kreis zählt das Hamburger Bündnis gegen Rechts auch den selbstständigen Küchenbauer Dustin I. aus Haseldorf. Er wird sogar im Bild vor dem Holmer Gasthof gezeigt und beschrieben als Anhänger der Flat-Earth-Theorie, also derjenigen, die behaupten, dass die Erde eine Scheibe sei.
Der Aufbau von weiteren Regionalgruppen scheint wichtig, weil die Gruppe bisher vornehmlich in Sachsen aktiv war. Nach eigenen Angaben hat die Sekte „Königreich Deutschland“ mehrere tausend Anhänger. Im Nachrichtendienst Telegram, der 2013 in Russland entwickelt wurde, gibt es laut Recherchen des Hamburger Bündnisses 12.000 Teilnehmer unter der Flagge von Fitzek und seinen Mitstreitern. Über teure Seminare, Heilmethoden und andere Geldforderungen wird Vermögen akquiriert, um Ländereien und Immobilien zu kaufen.
Königreich Deutschland hält seine Mitglieder in Abhängigkeit
Doch nicht nur Finanzen scheinen für die Gruppe interessant. „Mit dem Überlassen privater Einkünfte und Ersparnisse sowie der Abgabe ihrer Personaldokumente werden die Mitglieder in einer gewissen Abhängigkeit gehalten. Sie sind dann gewissermaßen zwangsweise mit dem KRD verbunden“, schreibt die Arbeitsgruppe Kirche für Demokratie und Menschenrechte in einer Schrift des Kulturbüros Sachsen.
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Das Königreich Deutschland und sein Gründer Fitzek sind eng mit Holocaust-Leugnern, sogenannten Querdenkern, der ähnlich strukturierten Anastasia-Bewegung, der AfD und weiteren rechtsextremen Gruppen verbunden. In Videobotschaften verkündet der 2012 gekrönte König regelmäßig seine Botschaften, auch seine antisemitische Weltsicht.
Weil das Königreich versuche, Banken und Versicherungen illegal aufzubauen, liefen bereits mehrere Razzien und Prozesse. Auch Königreich-Gründer Fitzek erhielt bereits eine Haftstrafe. In Holm zeigte er sich ganz leger im hellgrünen Polo-Shirt.
Verfassungsschutz stuft fünf Prozent der Reichsbürger als gewaltorientiert ein
Auf Anfrage verweist das Innenministerium Schleswig-Holstein auf seine jüngsten Veröffentlichungen im Verfassungsschutzbericht. 2023 habe es einen Schub von Schreiben mit eindeutig reichsbürgertypischen Inhalten gegeben. Zahlreiche neue Namen seien aufgetaucht. „Nahezu immer wurden staatliche Forderungen, häufig finanzieller Art, unter Hinweis auf die angebliche Nicht-Existenz der Bundesrepublik Deutschland und mit abwegigen pseudojuristischen Argumenten als rechtswidrig zurückgewiesen.“
Teile der Protagonisten und Anhänger der Reichsbürger- und Selbstverwalterbewegung würden auch in Zukunft versuchen, die Ideologie für sich ganz persönlich zu nutzen, um etwa finanzielle Vorteile herauszuschlagen beziehungsweise sich staatlichen Forderungen zu entziehen. Die Bereitschaft, dabei auch Gewalt anzuwenden, dürfte eher nicht kleiner werden, insbesondere wenn der staatliche Druck auf die Szene weiter anhalte. Von den etwa 700 bekannten Personen aus der Szene werden laut Verfassungsschutz etwa fünf Prozent als gewaltorientiert eingestuft.