Kreis Pinneberg. Viele alte Fälle werden geprüft, auch neue kommen hinzu. Wie sich die Legalisierung der Droge auf die Behörden auswirkt.
Seit April dürfen Erwachsene 25 Gramm Haschisch oder Marihuana bei sich tragen, ohne dass sie strafrechtlich belangt werden. Zu Hause dürfen sie sogar 50 Gramm aufbewahren. Davor galt ein Limit von sechs Gramm. Neu ist auch, dass man mit maximal drei Cannabis-Pflanzen zu Hause anbauen kann.
Das sind die wichtigsten Änderungen im „Cannabisgesetz“, das eine teilweise Legalisierung des Rauschmittels beinhaltet. Neuerungen, die auch die Arbeit der Polizei und der Justiz verändern. Noch spielt Cannabis bei den Einsätzen keine große Rolle im Alltag der Polizei. Aber das wird sich absehbar ändern.
Cannabisfreigabe: Polizei im Kreis Pinneberg spürt noch keine Auswirkungen
„Noch können wir keine auf gesicherter Praxiserfahrung fußende Einordnung des Einsatzgeschehens geben“, sagt aktuell Marcel Schmidt, Sprecher der schleswig-holsteinischen Landespolizei auf die Frage, wie sich die neue Gesetzgebung auf den Alltag der Polizei auswirke. Belastbare Zahlen liegen noch nicht vor.
„Es sind Vorkehrungen getroffen worden, die Aufnahme von Anzeigen sachgerecht sicherzustellen. Eine Auswertung der Zahlen zu den aufgenommenen Straftaten, wie wir es von anderen Delikten gewohnt sind, wird allerdings noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen“, so Marcel Schmidt. Herausragende Fälle im Kontext der Einführung des Konsumcannabisgesetzes seien bisher landesweit nicht bekannt.
Cannabis-Amnestie: Justiz prüft, ob Taten noch strafbar sind
Für die Justiz hat die Cannabis-Amnestie hingegen arbeitsreiche Folgen. Weil das Gesetz auch die Strafandrohungen für den Umgang mit Cannabis, soweit dieser weiterhin illegal ist, abgesenkt hat, müssen alle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren überprüft werden.
Wurde etwa Anklage wegen Cannabisverstößen auf Basis des bisherigen Gesetzes erhoben, muss jetzt überprüft werden, ob die Taten noch strafbar sind. Ist dies nicht der Fall, müsste das Verfahren eingestellt werden. Im Falle eines bereits andauernden Gerichtsverfahrens wäre diese Person freizusprechen.
Staatsanwaltschaft Itzehoe prüft 440 Verfahren wegen Cannabisverstößen
Soweit die Theorie. In der Praxis hat die auch für den Kreis Pinneberg zuständige Staatsanwaltschaft Itzehoe 440 laufende Ermittlungsverfahren, bei denen es um Cannabisverstöße geht, zum Teil händisch unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: In etwa zehn Prozent der Verfahren wird es zu einem Straferlass kommen.
Beispiel: Wer bisher als Mitglied einer Bande am Anbau von Cannabis und deren Handel beteiligt war, konnte dafür mit einer Gefängnisstrafe zwischen zwei und 15 Jahren bestraft werden. Künftig wird dieser Tatbestand als Vergehen behandelt, die Straferwartung liegt bei bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Kreis Pinneberg: Landgericht Itzehoe prüft derzeit 24 Cannabis-Verfahren
Zweites Beispiel: Wer dabei erwischt worden war, Cannabis an Minderjährige abzugeben, musste bisher mit einer Strafe zwischen einem Jahr und 15 Jahren Gefängnis rechnen. Künftig liegt der Strafrahmen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft.
24 Verfahren sind derzeit am Landgericht Itzehoe, deren Richter auch für schwere Straftaten im Kreis Pinneberg zuständig sind, anhängig, die auf Straftaten mit Cannabis beruhen. Auch sie müssen nun darauf überprüft werden, ob es Änderungen aufgrund der neuen Rechtslage geben muss.
Gesetzeslage für andere Suchtmittel hat sich nicht geändert
Das ist aber wenig wahrscheinlich. Weil das Landgericht für die Verfahren mit einer hohen Straferwartung zuständig ist, spielen dort zumeist weitere Suchtmittel eine Rolle, für die sich die Gesetzeslage nicht geändert hat.
Anders sieht das bei den vier Amtsgerichten im Bezirk aus, von denen zwei im Kreis Pinneberg liegen. „Die Zahl der dortigen Verfahren mit Cannabisbezug können wir nur schätzen“, sagt Dominik Groß, Vize-Präsident des Landgerichts. Er geht nach Rücksprache mit den Kollegen vor Ort von 80 bis 100 Verfahren aus, die dort anhängig sind.
Neues Gesetz: Zahl der Verfahren mit Cannabis-Bezug wird sinken
Auch sie müssen aufgrund der neuen Rechtslage überprüft werden. Wie viele Verfahren nicht mehr verhandelt werden müssen, könne aktuell noch nicht gesagt werden. Auch lasse sich nicht abschätzen, ob aufgrund der neuen Gesetzeslage tatsächlich die Zahl der Verfahren mit Cannabis-Bezug sinken werden. Groß geht für die Amtsgerichte davon aus, für das Landgericht eher nicht.
Auch nach erfolgter Verurteilung können aufgrund der neuen Gesetzeslage Änderungen erforderlich sein. Etwa dann, wenn die Vollstreckung des Urteils noch nicht vollständig erfolgt ist. Also etwa, wenn ein Angeklagter derzeit noch in Haft sitzt und seine Verurteilung aufgrund der neuen Rechtslage niedriger ausgefallen wäre.
Wenn Urteil vollstreckt ist, ist nichts mehr zu machen
Dieses müssen Gerichte dann im Nachhinein prüfen. Auch Geldstrafen, die noch nicht gezahlt sind, könnten noch einmal einer Überprüfung unterzogen werden. „Wenn die Sache bereits verurteilt und komplett vollstreckt ist, ist nichts mehr zu machen“, so Groß weiter.
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Und wie setzt die Landespolizei sich mit der geänderten Rechtslage auseinander? „Wie auch bei anderen Bundesgesetzen üblich, wird die konkrete Umsetzung entsprechend ressortübergreifend gestaltet“, sagt Sprecher Marcel Schmidt. Dieses betreffe nicht ausschließlich die Landespolizei, sondern mehrere Ressorts innerhalb der Landesregierung Schleswig-Holsteins, also auch das Innenministerium (Polizei, Kommunen, Ordnungsrecht), das Gesundheits- und Justizministerium (Suchtprävention/ Justiz), das Landwirtschaftsministerium (landwirtschaftlicher Anbau und Verbraucherschutz) und das Sozialministerium (Kinder- und Jugendschutz).