Kreis Pinnberg. Tausende Tiere rasten in der Marsch und fressen Äcker und Weiden kahl. Nun fordern Landwirte die deutliche Verlängerung der Jagdzeiten.

„Die Gänse fressen die Wiese kahl und koten alles zu“, sagt Manuela Körner vom Fährmannsand in Wedel. Ihr Gehöft mit Landgaststätte und Schäferei liegt direkt hinter dem Deich an der Elbe und unmittelbar neben der Nabu Vogelstation mitten in der Wedeler Marsch. Ein attraktives Ziel, nicht nur für Ausflugsgäste. Auch Nonnen- und Graugänse lassen sich hier zwischen September und Mai zu Tausenden gern nieder. Nun gibt es Forderungen, die Tiere stärker zu bejagen.

Denn wo die Vögel waren, wächst nicht mehr viel. Sie hinterlassen braune Erde. „Wir mussten schon die Anzahl unserer Schafe um die Hälfte reduzieren.“ Für die Herde von einst 800 Schafen reichte das Futter nicht mehr aus. „Das ist schon existenzbedrohend.“ Eine Entschädigung habe es bislang nicht gegeben, so Körner.

Gänse-Plage? Bis zu 400.000 Nonnen- und Graugänse rasten in Schleswig-Holstein

„Jährlich rasten fast 400.000 Nonnen- und Graugänse in Schleswig-Holstein und richten auf Grünland und in Ackerbaukulturen erhebliche Fraßschäden und somit Ertragsausfälle an“, so der Bauernverband Schleswig-Holstein. Der Verband fordert vor diesem Hintergrund jetzt, die Jagdzeiten für Gänse zu auszuweiten.

Manuela Körner versorgt ihre Gäste in der Gaststätte Fährmannsand in Wedel mit Kaffee und Kuchen. Die Gänse-Scharen sind ein Schauspiel, sagt sie, aber auch existenzbedrohend.
Manuela Körner versorgt ihre Gäste in der Gaststätte Fährmannsand in Wedel mit Kaffee und Kuchen. Die Gänse-Scharen sind ein Schauspiel, sagt sie, aber auch existenzbedrohend. © Michael Rauhe | Michael Rauhe

„Das ist längs überfällig, denn inzwischen sind die Bestände so gewachsen, dass es existenzbedrohende Ausmaße für die betroffenen Betriebe angenommen hat“, sagt auch Lars Kuhlmann aus Tangstedt, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Pinneberg. „Entlang der Elbe richten die Vögel großen Schaden an.“ Die Maßnahmenforderung seines Landesverbandes sei ein Schritt in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus.

Kreisbauernverband Pinneberg begrüßt Ausweitung der Jagd auf Gänse

Kuhlmann sagt, es bringe nichts, die Gänse von einem Ort zum nächsten zu treiben. Dadurch würden sie nur mehr Energie und somit auch Futter benötigen. Der Schaden würde womöglich noch größer. „Sie müssen sich in Landschaftsschutzgebiete zurückziehen können. Sie bevorzugen allerdings kurz gehaltene Wiesen, die sie dort nicht vorfinden“, so Kuhlmann.

Lars Kuhlmann ist Chef des Kreisbauernverbandes Pinneberg.
Lars Kuhlmann ist Chef des Kreisbauernverbandes Pinneberg. © Familie Kuhlmann | Familie Kuhlmann

Es gehe nicht nur um die massiven Schäden in der Landwirtschaft. Die Überpopulation sei auch für die Gänse gefährlich, wie die zahlreichen Fälle von Geflügelpest bei den Wildgänsen zeigten. Andere für die Artenvielfalt bedeutsame Vogelarten würden verdrängt.

Bauern fordern stärkere Bejagung: Naturschützer kritisieren Jagd auf Wildgänse

Die Naturschutzverbände kritisieren hingegen die von Landwirtschaftsminister Werner Schwarz vorgeschlagenen Jagdzeitenverlängerung. So prangert beispielsweise der Nabu eine vermehrte Jagd auf geschützte Vogelarten an.

Nach dem Krieg waren ihre Bestände der Wildgänse hochgradig bedroht und es wurden international weitreichende Schutzmaßnahmen ergriffen. Viele Gänsearten haben sich seitdem im Bestand erholen können, andere sind aber nach wie vor im Rückgang begriffen. EU-weit gibt es laut Nabu beispielsweise nur noch rund hundert Zwerggänse.

Nonnengänse grasen im Kreis Pinneberg Äcker und Weiden ab

Die Weißwangengans, auch Nonnengans genannt, ist hingegen ein regelmäßig gesehener Wintergast an unseren Küsten. Sie ist nicht gefährdet und in großen Gruppen unterwegs. Ihre Ankunft zum Winter ist kaum überhören und die Kolonien rasten von Oktober bis Mai in Küstennähe auf Grünland, Äckern und Salzmarschen. Die Zahl in Norddeutschland brütender Weißwangengänse nimmt seit einiger Zeit zu. Und auf ihrem Speiseplan stehen Gräser und junge Triebe – zum Ärger der Bauern auch die von frisch gesätem Getreide.

Die Weißwangengänse, auch Nonnengänse genannt, lassen sich zwischen September und Mai in der Wedeler Marsch nieder.
Die Weißwangengänse, auch Nonnengänse genannt, lassen sich zwischen September und Mai in der Wedeler Marsch nieder. © picture alliance / Hinrich Bäsemann | Hinrich Bäsemann

Der Bauernverband möchte daher nicht nur die Jagdzeiten ausweiten, sondern die Gelege reduzieren, zum Beispiel, indem man die Eier ansticht. „Die Gänse würden einfach neue Eier legen, wenn man sie aus den Nestern entfernt“, sagt Kuhlmann. Durch das Anstecken würden sie weiter brüten, ohne Erfolg.

Mehr als 800 Wildgänse wurden im Kreis Pinneberg geschossen

In der vergangenen Jagdsaison, die vom 1. Oktober bis 15. Januar ging, wurden im Kreis Pinneberg 368 Graugänse, 324 Kanadagänse, 116 Nonnengänse und 69 Nilgänse erlegt. Mit der Ausweitung der Jagdzeiten könnten es mehr werden. Geht es nach dem Bauernverband, sollen es deutlich mehr werden.

Diese Gänsearten gelten im Bestand als gesichert. „Die Brut- und Rastgebiete der Gänsearten verteilen sich mittlerweile auf das ganze Land, sodass es nur naheliegend und konsequent ist, eine Bejagung der Nonnengans nunmehr in allen Kreisen zuzulassen, soweit diese außerhalb europäischer Vogelschutzgebiete erfolgt“, teilt der Landesbauernverband mit.

Zwerg- und Blässgans sind leicht zu verwechseln

Es sei aus Sicht des Bauernverbandes nicht nachvollziehbar, wenn als Argument gegen die Gänsejagd eine – schon aufgrund der sehr guten Ausbildung der Jägerinnen und Jäger – nicht belegbare Verwechslungsgefahr vorgeschoben werde. Die Naturschützer hatten argumentiert, dass die bedrohte Zwerggangs leicht mit der Blässgans verwechselt werden könnte, weshalb auch die Blessgans nicht geschossen werden sollte.

„Mit derselben Argumentation könnte dann ebenfalls die jährliche Bestandsermittlung der Gänse durch die ehrenamtlichen Vogelzählungen infrage gestellt werden“, schreibt der Bauernverband Schleswig-Holstein.

Entschädigungen für Landwirte zu bürokratisch

Entschädigungen für betroffene Landwirte könnten einen wichtigen Baustein bilden, so die Vertreter der Landwirte. „Angesichts leerer Kassen und fehlender öffentlicher Gelder scheint es aber nicht realistisch, dass immer größere Schäden mit immer weniger Geld abgemildert werden können.“

Zudem sei die Richtlinie für die Kompensationszahlungen kompliziert und unbefriedigend ausgestaltet worden, sagt Kuhlmann. „Das Land hat im letzten Jahr zwar Mittel bereitgestellt. Die bürokratischen Hürden sind aber so hoch.“ So würde beispielsweise ein abgefressenes Feld, auf dem eine spätere zweite Saat aufgeht, nicht als Schaden gewertet. Dabei würde auch die Ertragserfassung und Kartierung an modernen Mähdreschern deutliche Ernteverluste auf Flächen registrieren, auf denen sich die Gänse niedergelassen hätten.

Landwirte im Kreis Pinneberg fordern Gänsemanagement

Einschränkungen seien nicht nachvollziehbar und das Antragsverfahren kompliziert und bürokratisch. Das habe im Jahr 2023 dazu geführt, dass dem Umweltministerium kein einziger Antrag zugegangen sei, obwohl die betroffenen Landwirte willig waren. Der Bauernverband mahnt schon seit längerem ein schlankes Verfahren mit einem vollen Ersatz der Gänsefraßschäden in allen landwirtschaftlichen Kulturen, sowohl auf Acker- als auch Grünland, an.

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Weitere Forderungen im Gänsemanagement wurden dem Umweltministerium im Jahr 2022 bereits in einem gemeinsamen Schreiben des Landesverbandes der Schleswig-Holsteinischen Schaf- und Ziegenzüchter, des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein und des Bauernverbandes Schleswig-Holstein vorgeschlagen. „Bedauerlicherweise wurde dieser Strauß an Vorschlägen bislang noch nicht aufgegriffen“, so der Bauernverband Schleswig-Holstein.

Naturschutzflächen sollen gänsegerecht aufgewertet werden

Solche Maßnahmen könnten aus ihrer Sicht die gänsegerechte Bewirtschaftung von Naturschutzflächen sein, die Aufnahme eines Gänsezuschlages bei der Ökokonto-Bewertung, die Unterstützung bei der Flurneuordnung zur Zusammenlegung von Gänseflächen, die Schaffung von Lösungsansätzen für Deichschafhalter und die Entwicklung und Etablierung von Vermarktungs- und Verwertungswegen erlegter Gänse.

Als positiv bewertet der Bauernverband hingegen, dass das Umweltministerium das landesweite Brut- und Rastgeschehen der Nonnengans im Jahr 2023 selbst bestätigt hat und das Antragsverfahren landesweit und ohne einschränkende Kulisse möglich ist.