Rellingen. Kurioser Drehleitereinsatz in Rellingen: Bürger schaltet Amt ein, da er um das Leben der Vögel fürchtete. Für alle ein einmaliger Fall.
So eine Aktion hatte noch niemand der Beteiligten erlebt. Die Feuerwehrmänner mussten zu ihrer ersten Höhenrettung von Gänsen ausrücken. Das Ordnungsamt hatte zuvor noch keinen vergleichbaren Hilferuf bekommen. Und die Eigentümer des Entdeckergartens in Rellingen hatten das Storchennest ohnehin erst für die erste Saison aufgestellt. Doch am Ende waren alle froh, dass alles so gut ausging.
Eigentlich war der Anfang der tierischen Geschichte gar nicht so aufregend. Statt Störchen hatte sich ein Paar Kanadagänse in dem Horst auf dem Gelände des Entdeckergartens angesiedelt. Sie waren früher auf den neuen Brutplatz, von dem aus sie sicher vor Fuchs und Co. sind, aufmerksam geworden und verteidigten ihr Nest, als die ersten Störche einziehen wollten.
Drama bei Höhenrettung: Im Kreis Pinneberg brüten Gänse in luftiger Höhe
„Das ist gar nicht so ungewöhnlich für Gänse“, sagt Klaus Fritz. Der 81 Jahre alte Wedeler betreut für den Bund für Natur- und Umweltschutz (BUND) die Storchennester im Süden des Kreises Pinneberg. Die Nilgans sei ohnehin ein Baumbrüter. In einem Moor hatte sich ein Exemplar auch schon mal ein altes Bussardnest dafür ausgesucht, berichtete Fritz. Und auf dem Hof Giesensand an der Elbe in Hetlingen brüteten vier Jahre lang Graugänse im Storchenhorst.
Für die nun angedachte Rettung aus dem Storchennest in luftiger Höhe wurde kein Aufwand gescheut. Sogar ein Sprungnetz war im Gespräch. „Ein Netz für die Küken tut nicht Not“, hat Storchenbetreuer Fritz aber die Erfahrung gemacht. Die Tiere seien gut ausgestattet, um so etwas zu überleben. Der Wedeler erinnert in diesem Zusammenhang an die Lummen auf Helgoland, deren flugunfähiger Nachwuchs sogar auf felsigen Untergrund springt, um dann im Wasser alles Weitere zu lernen.
Bürger fürchtet, dass die Küken in den Tod springen und alarmiert Behörden
Auch die Aktiven des Entdeckergartens, der vom Verein Umwelthaus Pinneberg getragen wird, ließen die Tierwelt über die Nutzung des Nestes selbst entscheiden. Doch ein Bürger fürchtete, dass sich die Küken zu Tode stürzen würden, wenn sie, wie aus der Natur gewohnt, sehr frühzeitig und nicht flugfähig ihr Nest verlassen.
Da der besorgte Bürger auch die Verantwortlichen des grünen Biotops angesprochen hatte, hatten die Umweltschützer ein Netz aufgebaut, um die kleinen Küken nach dem Sturz aus dem hohen Nest aufzufangen. Da der Entdeckergarten ständig betreut wird, wäre die Küken auch schnell gefunden und den Alt-Tieren übergeben worden, die ihre Küken nicht allein lassen.
Feuerwehreinsatz: Ordnungsamtsleiterin Michaela Warncke - „Wir mussten handeln“
Doch diese Schutzvorkehrung reichte dem besorgten Bürger anscheinend nicht. Er schaltete die Naturschutzbehörde des Kreises Pinneberg ein. „Deshalb mussten wir handeln“, berichtet Michaela Warnecke, Fachbereichsleiterin aus dem Rellinger Ordnungsamt über einen der ungewöhnlichsten Fälle in ihrer 32 Jahre währenden Amtszeit.
Und so staunten die Aktiven des Umwelthauses nicht schlecht, als während der Vorbereitungen für den Aktionstag im Entdeckergarten plötzlich die Feuerwehr anrückte. Zum Glück durfte die Drehleiter aus Pinneberg auf dem benachbarten Gelände der Baumschule Miller aufgebaut werden.
Als sich der Feuerwehrmann im Rettungskorb nähert, flüchtet die Gänse-Familie
Geschützt durch seine Einsatzkleidung ließ sich ein Feuerwehrmann mit dem Rettungskorb Richtung Nest hochfahren. Alle warteten gespannt, ob die Eltern die Küken verteidigen würden. Doch die erwachsenen Gänse flogen weg. Nur wenig später stürzten sich die vier Küken „spidermann-mäßig“ in die Tiefe, wie Uta von Leesen-Wilms vom Umwelthaus erzählt.
Drei Tiere des vierköpfigen Nachwuchses landeten im Netz, eins plumpste daneben in den Sandhaufen, berappelte sich aber schnell. Unten hatten der Biologe Peter Schultes schnell ein kleines Gatter errichtet. Dort hinein geleiteten sie die nur leicht aufgeregten Elterntiere und brachten ihnen sofort die Küken.
Biologe des Umwelthauses fängt alle Tiere ein und begleitet sie zum See
Im Gatter gelang es Peter Schultes allesamt in eine kleine Transportkiste zu setzen. Wenige Minuten später ging es per Fracht mit dem Auto zum nahen See an den Funktürmen, der im Volksmund Wolny-See genannt wird. Die Elterntiere zeigten dem Nachwuchs den Weg ins Wasser. Das einzige, ein wenig zögerliche Küken schob Peter Schultes einfach hinterher.
Auf dem See wurden die so plötzlich Zugezogenen von einem anderen Kanadagans-Paar „mit riesigem Radau“ empfangen, erzählt Uta von Leesen-Wilms. Doch der Erpel stellte ebenfalls lautstark fest, dass sich seine Familie hier jetzt ebenfalls niederlassen und mit der Erziehung beginnen werde. Das Nahrungsangebot müsse für alle reichen.
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„Am Ende waren wir alle glücklich“, sagt Uta von Leesen-Wilms. Und nun wird wieder die Natur regeln, wer am See überlebt. Und wird jetzt doch noch ein Storchenpaar im Nest über dem Entdeckergarten einziehen. Die Umwelthaus-Sprecherin äußert sich skeptisch: „Das ist wohl jetzt zu spät.“
Und was können Storchenfreunde tun, damit die Gänse sich nicht in luftiger Höhe einnisten? Fachmann Klaus Fritz rät: „Einige stecken große Äste in die Nester, damit sich Gänse und andere dort nicht wohlfühlen. Die Störche stört das nicht. Sie bauen dieses Material in ihr Nest ein.“ Gewusst wie, Problem gelöst.