Kreis Pinneberg. Im Kreis Pinneberg sind mehrere tausend Haushalte auf kostenlose Lebensmittel angewiesen. Überall werden Helfer und Spender gesucht.
Gut 30 Jahre ist es her, als in Berlin die erste deutsche Tafel gegründet wurde. Heute gibt es bundesweit etwa 1000 dieser Einrichtungen, die Lebensmittel retten und an Menschen weitergeben, die von Armut betroffen sind. Fast jede Stadt im Kreis Pinneberg hat inzwischen auch diese sozialen Initiativen. Sie alle müssen immer mehr Menschen unterstützen, manchmal reichen die Kräfte nicht mehr, anderswo fehlen Räume. Was treibt die Akteure an?
„Es ist der beste Job, den ich je hatte“, sagt Matthias Kühl. Der 34-Jährige lenkt jetzt seit bald zwei Jahren hauptamtlich die Geschicke der Tafel in Elmshorn, die etwa 3000 Menschen pro Woche erreicht. Kühl war vorher stellvertretender Filialleiter beim Discounter Lidl. Deshalb kennt er sich hervorragend mit den Bedingungen für die Lebensmittelausgaben aus.
Tafeln im Kreis Pinneberg: Der größte Dank sind ein Lächeln und ein Händedruck
Der größte Dank für ihn und sein Team sind ein Lächeln, manchmal ein freundlicher Händedruck der Kundinnen und Kunden. Die Atmosphäre bei der Verteilung der Lebensmittel ist entspannt. Kühl hat gemeinsam mit anderen das System kräftig digitalisiert. Auch wenn am Ausgabemorgen die Schlange der Käufer vom Christus-Zentrum Arche bis weit in die Lornsenstraße reicht, wird alles rasch abgearbeitet.
Diejenigen, die körperlich oder psychisch keine langen Wartezeiten vertragen, kommen zuerst dran. Danach geht es schlicht nach Reihenfolge. Einkäufer für etwa 180 Haushalte kommen jeweils an den Ausgabetagen. Gut 60 Kunden werden beliefert, die nicht allein kommen können. Zudem wird täglich ab 12 Uhr eine warme Mahlzeit für einen Euro Kostenbeitrag ausgegeben.
Elmshorn: Etwa 80 Männer und Frauen engagieren sich
Um das alles zu ermöglichen, bedarf es vieler helfender Hände. Etwa 80 Frauen und Männer engagieren sich für die Tafel, gut die Hälfte bereits seit Langem, andere schaffen manchmal nur einen kleinen Einsatz, wieder andere packt es auf Dauer so wie Claudia Redmann. Die gelernte Hauswirtschaftsleiterin ist seit 13 Jahren gern dabei, lenkt die Geschicke in der Küche, ist aber auch für die Vorstellungsgespräche und ausbildungsbegleitende Hilfen zuständig. „Kochen ist mein Ding“, sagt die Mutter von vier Kindern, die sich nach der Elternzeit jetzt um Menschen in Not kümmert.
Die Elmshorner freuen sich, dass neben dem Christus-Zentrum Arche, wo die Räume kostenlos zur Verfügung stehen, auch die Stadt Elmshorn alljährlich mit 30.000 Euro die soziale Einrichtung fördern. Darüber hinaus sind jede Hand und jede Spende wertvoll: Die IBAN bei der Sparkasse Elmshorn lautet DE92 2215 0000 0000 1173 07.
Aktive hoffen, dass die Stadt Pinneberg regelmäßig fördert
Auf die Unterstützung der Stadt hoffen auch noch die Aktiven der Tafel in Pinneberg. Bislang gibt es im Gegensatz zu Elmshorn noch keine städtische Förderung. Ungünstiger ist auch, dass die Pinneberger an zwei Orten aktiv werden: im Lager an der Mühlenstraße und in der Ausgabestelle am Fahltskamp 79 in den Räumen der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde.
„Das kostet natürlich Zeit und viel Personal“, sagt Michael Schmidt. Er hat früher für die Unternehmensförderung in der Industrie- und Handelskammer gearbeitet. Im Ruhestand entschied er sich, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, die ihn so gut durchs Berufsleben getragen hat. Bei der Tafel packte und lernte er wieder von der Pike auf.
Vor anderthalb Jahren übernahm Schmidt den Vorsitz im Vorstand. Für ihn ist immer klar: „Nicht der Vorstand ist die Tafel. Die Tafel seid Ihr, die vielen Ehrenamtlichen. Ohne Euch gebe es das Projekt nicht.“ Der Vorstand arbeitet nun daran, die Organisation mit ihren fast 100 freiwilligen Helfern auf stabilere Beine zu stellen. Dabei kann er sich auch eine engere Zusammenarbeit mit der Organisation Foodsharing vorstellen.
Etwa 1200 Personen wöchentlich erreicht die als Verein organisierte Pinneberger Tafel. Doch die Räumlichkeiten und das Personal sind an den Kapazitätsgrenzen angekommen, sodass in den vergangenen Monate nur sehr vorsichtig, neue Kunden aufgenommen werden konnten. „Bedingter Aufnahmestopp“ wird das genannt. Wie in Elmshorn wird ein ständig steigender Bedarf beobachtet, vor allem die Ukraine-Flüchtlinge benötigen Hilfe. Mindestens jedes zweite Tafelmitglied in Pinneberg ist vorm Krieg mit Russland geflohen. Wer für die Pinneberger Einrichtung spenden will, nutzt dieses Konto bei der Volksbank: IBAN DE10 2219 1405 0000 3040 60.
In Wedel werden jährlich mehr als 70 Tonnen Lebensmittel verteilt
2007 stellten die Gründer des Trägervereins folgende Frage: Braucht Wedel eine Tafel? Heute, so beschreibt es der aktuelle Vorstand um Karin Kost, ist die Antwort „ja“ deutlicher denn je. In der Rolandstadt werden laut Statistik jährlich mehr als 70 Tonnen Lebensmittel ausgegeben. 350 Menschen pro Woche werden so versorgt. Es waren aber auch schon mal bis zu 500 in den akuten Zeiten der Flüchtlingskrisen. Erschreckend: Der Anteil der Kinder unter 18 Jahren macht in Wedel regelmäßig um die 60 Prozent aus.
Karin Kost, selbst noch berufstätig, hat im vorigen Jahr ihrem Team zum ersten Mal Betriebsferien verordnet. Drei Wochen ist im Mai seitdem geschlossen. „Das tut allen sehr gut“, erzählt die Tafel-Vorsitzende. Jetzt seien natürlich alle froh, auch die Händler, dass es wieder alles normal läuft.
Einen Aufnahmestopp gibt es in Wedel im Gegensatz zu anderen Tafeln nicht. Dann dauere die Ausgabe eben länger, aber alle, die in Not sind, sollten versorgt werden, meint Karin Kost. Nun freut sich die Tafel-Vorsitzende auf den neuen Kühlwagen, der dank Spenden im Herbst in den Dienst gestellt wird.
Informationen gibt es mehrsprachig online über die Homepage der Wedeler Tafel. Die Waren werden jeden Mittwoch am Nachmittag im Kronskamp 132 ausgegeben. Die registrierten Kunden sind in Gruppen eingeteilt, die zu unterschiedlichen Zeiten kommen. Wer die Tafel in Wedel unterstützen will, spendet an IBAN: DE98 2215 1730 0000 0973 22.
In Uetersen werden regelmäßig bis zu 1000 Personen versorgt
Ein Jahr älter als die Wedeler Tafel ist die Uetersener Einrichtung. Dort freut sich das Team um den Vorsitzenden Magnus Magnussen, dass die Stadt Uetersen die Tafel so großzügig unterstützt. Mietfrei kann das Erdgeschoss der ehemaligen Kreisberufsschule am Finkenbrook genutzt werden. Dazu gibt es noch einen Energiekostenzuschuss in Höhe von 7500 Euro jährlich. Moorrege zahlt ebenfalls 1500 Euro und Tornesch je nach finanzieller Kraft der Stadt.
In einem Lebensraum von etwa 40.000 Menschen kommt das Team in Uetersen immer wieder an seine Grenzen. „Wir haben seit neun Monaten einen Aufnahmestopp und müssen fast täglich Leute abweisen“, bedauert Magnussen diese Entscheidung. Das Aufnahmeteam passe sorgfältig darauf auf, dass Lücken schnell wieder mit neuen Kunden aufgefüllt werden. „Aber mehr als 1000 können wir nicht bewältigen“, sagt der Vorsitzende.
Magnussen wirkt seit drei Jahren an der Spitze des Verbandes. Er ist Krankenpfleger und Vollzugsbeamter in einer Haftanstalt. Bewusst habe er sich für ein Engagement in der Tafel entschieden, da ihm am Arbeitsplatz die Menschen eher an die Gurgel wollen. „Das ist für meine eigene Sozialpflege“, gesteht der 60-Jährige.
In der Tafel kann sich Magnussen auf ein starkes Team verlassen. Werner Schüder, der fast von der Gründung an aktiv ist, koordiniert den Einsatz der 25 Fahrer. Claus Hammerich hält die Finanzen zusammen. Andere kümmern sich um die Ausgaben, die Neuaufnahmen und den Mittagstisch einmal pro Monat im Martin-Luther-Haus. Fürs Team ist jede Hand wertvoll, die neu hinzukommt.
Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner (SPD) lobte die Mannschaft bei einem Besuch: „So sehr es mich bedrückt, dass diese Arbeit in unserer reichen Gesellschaft immer noch nicht nur sinnvoll, sondern quasi notwendig ist, so sehr beeindruckt mich, mit welchem Einsatz diese Arbeit hier geleistet wird.“
Wer die Uetersener Tafel unterstützen will, spendet unter IBAN DE49 2305 1030 0015 0705 84.
In Barmstedt ist das Gemeinschaftsessen der Schöpfkelle um eine Ausgabe erweitert worden
In Barmstedt, der mit 10.000 Einwohnern kleinsten Stadt des Kreises Pinneberg, ist die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde der Träger der sozialen Hilfe. Die „Schöpfkelle“ besteht seit etwa 25 Jahren. „Ursprüngliche Idee war gar nicht der Gedanke einer Tafel, sondern eines Gemeinschaftsangebotes für einsame Menschen“, erzählt Pastorin Pastorin Antje Stümke.
Einmal in der Woche wird seitdem in Barmstedt miteinander gegessen. Vorbereitet und gekocht wird am Dienstag, weiter gekocht und gegessen wird am Mittwoch. Die Lebensmittel dafür wurden von Anfang an gespendet, um das Angebot auch für Menschen mit schmaler Rente zu ermöglichen. Zu diesem Mittagstisch kommen zwischen 30 und 60 Menschen.
- HVV Deutschlandticket: 38.000 Pinneberger Schüler fahren nun günstiger ÖPNV
- Kinderbetreuung: Pinneberg trennt sich von seinen Kitas - Politik entsetzt
- Buschberghof: Wo Sozialtherapie und Landwirtschaft Hand in Hand gehen
Seit 2015, also seit auch in Barmstedt vermehrt Geflüchtete leben, gibt es daneben eine sogenannte „Taschenausgabe“. Aus den gespendeten Lebensmittel werden Taschen gepackt und an Bedürftige ausgegeben. Hier ist der Bedarf mit den Jahren stetig gestiegen. Waren es 2015 ca. 20 Taschen, sind es inzwischen 70-80 Taschen, die gepackt und ausgegeben werden.
Die Barmstedter Supermärkte kooperieren gut mit dem Team der Ehrenamtlichen, die die Lebensmittel von dort abholen. Koordinatorin Stümke berichtet: „Wir sind immer wieder erstaunt, wie viel uns gespendet wird. Aber auch darüber, dass die Märkte offenbar viel zu viel einkaufen. So haben wir in diesem Frühjahr mehrfach große Mengen Spargel und Erdbeeren gespendet bekommen.“ Dank des flexiblen, engagierten, etwa 25-köpfigen Teams konnte alles verarbeitet und der Rest eingefroren werden.
Wer die Arbeit der Schöpfkelle unterstützen will, legt gern selbst am Mittwoch im Gemeindehaus Hand an oder spendet.