Pinneberg/Itzehoe. Eifersüchtiger Rumäne wird vor Raucherkneipe in Pinneberg brutal niedergestochen. Unter welchen Folgen das Opfer bis heute leidet.
Zehn Tage lag Gabriel M. im Koma, die Ärzte mussten eine seiner Nieren entfernen. Alles eine Folge eines brutalen Messerangriffs in Pinneberg, für den sich Witali W. (35) seit dem 9. April vor dem Landgericht Itzehoe wegen versuchten Totschlags verantworten muss. Am dritten Prozesstag hatte unter anderem das 45 Jahre alte Opfer das Wort.
Dabei wurde schnell klar: Der aus Rumänien stammende und in Pinneberg wohnhafte Mann hat kaum noch Erinnerungen in die Nacht zum 7. Oktober, die sein Leben verändern sollte. „Ich kam von der Arbeit nach Hause, wollte noch Bier trinken“, berichtete Gabriel M. den Richtern. Dazu ging er in die Raucherkneipe „Alo`s“ am Fahltskamp in Pinneberg, zu diesem Zeitpunkt seine Stammkneipe.
Landgericht Itzehoe: Opfer der Messerattacke in Pinneberg verweist auf Erinnerungslücken
„Es blieb nicht bei einem Bier“, erinnert sich das Opfer, spricht von „vier bis fünf Halblitergläsern“. Als er auf die Toilette gehen wollte, habe er seinen Stuhl zurückgeschoben und dabei den Angeklagten angerempelt. „Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Als ich von der Toilette zurückkam, machte er ein Zeichen, dass wir nach draußen gehen sollen.“
Er wisse noch, dass er gemeinsam mit dem Angeklagten die Kneipe verlassen habe. „Ab da an kann ich mich an nichts mehr erinnern.“ Auf der Straße haben sich beide Kontrahenten laut Anklage gegenseitig mehrere Faustschläge versetzt. Im Verlauf der Auseinandersetzung habe Witali W. dann ein Messer gezogen und mehrfach auf den Oberkörper von Gabriel M. eingestochen.
Eifersuchtsdrama: Opfer hat sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen
„Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin, wusste ich nicht, wo ich bin und was passiert ist.“ Seine Lebensgefährtin, die ebenfalls in der Kneipe dabei war, habe ihm dann von der Messerattacke berichtet. „Ich habe zehn Tage im Koma gelegen“, so der 45-Jährige, der sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen hat.
Er sei mehrmals operiert worden, habe eine seiner Nieren verloren und wochenlang in zwei Krankenhäusern gelegen. „Ich habe immer noch Schmerzen, bin nicht arbeitsfähig.“ In seinem Beruf als Betonbauer könne er nie wieder arbeiten. Und kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe er eine Thrombose bekommen, sei erneut mit dem Rettungswagen zurück in die Klinik gebracht und längere Zeit behandelt worden.
Schilderungen, die den einige Meter weiter sitzenden Angeklagten sichtlich aufwühlen. Witali W. steht auf und entschuldigt sich bei seinem Opfer. „Es tut mir leid, dass ich so viel Leid über sie und ihre Familie gebracht habe. Das war niemals meine Absicht.“ Gabriel M. lässt daraufhin über seine Dolmetscherin erklären, er nehme die Entschuldigung an.
Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Johann Lohmann das Opfer regelrecht in die Mangel genommen. Die von Gabriel M. vorgebrachten Erinnerungslücken zog Lohmann in Zweifel, weil der 45-Jährige nach dem Erwachen aus dem Koma Polizisten Rede und Antwort gestanden und dabei auch einen Ablauf des Abends geschildert hatte.
Opfer leidet laut seiner Anwältin unter einem Traumata
Der zog sich auf mehrfaches beharrliches Nachfragen des Richters darauf zurück, dass er sich die Chronologie der Ereignisse auf diese Weise vorgestellt habe. Eine konkrete Erinnerung daran besitze er jedoch nicht. Alexandra Elek, die als Opferanwältin die Interessen von Gabriel M. vertritt, sprach von einem „Trauma“, unter dem ihr Mandant seit der Tat leiden würde.
Nadjeda M. (49), die Lebensgefährtin des Opfers, konnte weitere Einzelheiten des Abends beisteuern. Demnach habe sich Witali W., den sie aus der Kneipe vom Sehen kannte, zwischenzeitlich an den großen Tisch gesetzt, an dem sie, ihr Lebensgefährte und weitere Personen saßen. „Wir haben uns auf Russisch über den Krieg in der Ukraine unterhalten.“
Lebensgefährtin beschreibt Opfer als eifersüchtigen Menschen
Zu diesem Zeitpunkt habe Gabriel M. an einem der Glücksspielautomaten gestanden. Als er zurückkam und das Gespräch zwischen seiner Freundin und dem Angeklagten wahrnahm, „habe ich Eifersucht bei ihm bemerkt“. Die 49-Jährige beschrieb ihren Partner als sehr eifersüchtig und bekannte, dass er sie im Nachhinein „zwei bis dreimal“ geschlagen habe, wenn er den Eindruck gewonnen habe, dass ein Mann ihr längere Blicke zuwarf. „Er schlug einmal zu, ich weinte, dann war alles vorbei.“
In diesem Fall sei Gabriel M. in der Kneipe zunächst ruhig geblieben, Witali W. habe sich an einen anderen Tisch gesetzt. Als Gabriel M. dann den Angeklagten versehentlich angerempelt habe, habe dieser ihn am Arm gepackt. „Beide sind dann rausgegangen, um sich vor der Kneipe zu streiten.“ Ein Ehepaar sei mitgegangen, um zu schlichten. Nach wenigen Minuten seien alle wieder reingekommen. Zunächst habe sich die Lage auch beruhigt.
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Etwas später seien ihr Freund und der Angeklagte dann noch einmal vor die Tür gegangen. Als Gabriel M. wieder zurückkam, habe er stark geblutet und von mehreren Stichverletzungen gesprochen. „Wie bei einem Brunnen spritzte das Blut raus.“ Ein Gast habe ein Handtuch gebracht, um die Blutung zu stoppen. Sofort seien Krankenwagen und Polizei gerufen worden. Später im Krankenhaus, als Gabriel M. aus dem Koma erwacht sei, habe er nur sie erkannt – und halluziniert.
Nic V., der Stiefsohn des Opfers, hatte die körperliche Auseinandersetzung aus dem Fenster der nahe gelegenen Wohnung gesehen und war sofort zur Kneipe gelaufen. Von lauten Schreien aufgeschreckt, war er zum Fenster gegangen und hatte gesehen, wie sein Stiefvater und der Kontrahent aufeinander einschlugen. Der habe dann ein Messer gezogen und auf seinen Stiefvater eingestochen.
Die Anklageschrift listet fünf Stich- und Schnittverletzungen auf
Fünf Stich- und Schnittverletzungen zählt die Anklageschrift auf. Ein Stich traf den Oberkörper kurz unterhalb der Brust, ein weiterer die linke Schulter, ein dritter den unteren Rücken. Außerdem werden ein Schnitt im Bereich des Ohrs und des Schlüsselbeins aufgeführt.
Am gefährlichsten waren die Stiche unterhalb des Brustbereichs und im unteren Rücken. Dabei wurde die rechts Niere des Opfers so stark verletzt, dass sie inklusive der Nebenniere von den Ärzten entfernt werden musste. Der andere Stich öffnete die Lunge des damals 44 Jahre alten Mannes und führte zu einem beidseitigen Pneumothorax, also zu Luft in der Lunge. Sein Überleben verdankt Gabriel M. nur der sofortigen Notoperation.
Angeklagte hat ein Geständnis abgelegt, will sich aber nur gewehrt haben
Witali W., der seit seiner Festnahme Mitte November 2023 in Untersuchungshaft sitzt, hatte am zweiten Prozesstag die Attacke gestanden. Laut seiner Aussage ging jedoch ein Angriff des körperlich überlegenen Kontrahenten voraus. In dieser Situation habe er zu seinem Anglermesser gegriffen, das er zufälligerweise in der Bauchtasche seiner Jacke dabeigehabt habe.
Um weitere Angriffe abzuwehren, habe er wahllos in Richtung Oberkörper des Angreifers gestochen. Ein Tötungsabsicht habe er jedoch nicht gehabt, beteuerte der Angeklagte.
Gericht hat weitere sieben Prozesstage angesetzt, Urteil ist für Ende Juli geplant
Das Gericht hat inzwischen noch weitere sieben Prozesstage angesetzt, an denen weitere Gäste aus der Kneipe, die eingesetzten Polizeibeamten sowie die Ermittler der Mordkommission vernommen werden sollen.
Auch das Gutachten der Gerichtsmedizin über die schweren Verletzungen des Opfers stehen noch aus. Ein Urteil könnte frühestens am 24. Juli fallen.