Barmstedt. Die fünf Zentner schwere Altlast wird Freitag entschärft. Was LKA, Stadt und Grundstücksbesitzer sagen - und wie die Rechtslage ist.

Es sind genau 2115 Bewohner von Barmstedt, die am Freitag für mehrere Stunden ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung der kleinsten Stadt im Kreis Pinneberg. Grund ist eine Bombenentschärfung. Die fünf Zentner schwere Sprengbombe britischer Bauart wurde am Montag bei Baggerarbeiten im Neubaugebiet Bei den alten Eichen entdeckt.

Ein Albtraum für den Baggerführer – und für den Grundstückseigentümer, der erst im vergangenen Jahr die Fläche in dem kleinen Neubaugebiet mit 13 geplanten Häusern erworben hatte.

Nach Bombenfund auf Privatgrundstück in Barmstedt: Eigentümer wird nicht belangt

Die Arbeit des Kampfmittelräumdienstes, die dafür notwendige Evakuierung von 950 Haushalten, letzteres verbunden mit einem Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr, THW und weiteren Kräften – all das führt zu immensen Kosten. Es wird wohl der größte Einsatz in der Geschichte der kleinen Stadt werden.

Doch wer muss in einem solchen Fall dafür finanziell geradestehen? „Der Grundstückseigentümer muss die Einsatzkosten nicht tragen“, erläutert auf Abendblatt-Anfrage Carola Jeschke, Sprecherin des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein. Ihrer Behörde ist der Kampfmittelräumdienst zugeordnet.

Baggerfahrer Roman Hohensee stieß durch Zufall auf die explosive Altlast.
Baggerfahrer Roman Hohensee stieß durch Zufall auf die explosive Altlast. © HA | Florian Sprenger - Westküsten-News

Die Kosten für die Spezialisten, die sich um die Entschärfung des Sprengkörpers, um den Abtransport ins Zwischenlager und die endgültige Vernichtung kümmern, trägt das Land Schleswig-Holstein, also alle Steuerzahler.

Die Kosten für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, THW und anderer Einheiten, die sich um die Absperrung, die Verkehrslenkung und die Evakuierung der Anwohner kümmern, gehen wiederum zulasten der Kommune, in der die Bombe gefunden wird. In diesem Fall zahlt dafür also die Stadt Barmstedt.

Kosten der Entschärfung trägt das Land, den Einsatz selbst muss die Stadt zahlen

Wie hoch die letztlich die Summe ausfällt, kann das LKA nicht sagen. „Das ist abhängig von den eingesetzten Kräften, der Dauer des Einsatzes und den Rahmenbedingungen und kann deshalb so nicht beziffert werden“, so Carola Jeschke weiter.

Für Schleswig-Holstein existiert eine Liste von 91 Kommunen, auf die Bombenabwürfe während des Zweiten Weltkriegs dokumentiert sind. Darunter zehn Kommunen im Kreis Pinneberg – Appen, Elmshorn, Heist, Hetlingen, Halstenbek, Schenefeld, Wedel, Helgoland, Uetersen und Prisdorf.

Barmstedt gehört nicht zu den Kommunen, auf die Bombenabwürfe dokumentiert sind

In diesen Kommunen ist bei Baumaßnahmen laut der Kampfmittelverordnung des Landes eine Luftbildauswertung zwingend vorgeschrieben. Barmstedt steht nicht auf der Liste. In allen weiteren Fällen, so teilt das LKA mit, ist die Luftbildauswertung „freiwillig, jedoch mangels vorhandener Daten (zum Beispiel Kriegsluftbilder) nicht immer zielführend“.

Diese fünf Zentner schwere Fliegerbombe wurde bei am Montag Baggerarbeiten in einem Neubaugebiet in Barmstedt entdeckt. Sie wird Freitag entschärft, 2115 Menschen müssen dafür ihre Wohnungen verlassen.
Diese fünf Zentner schwere Fliegerbombe wurde bei am Montag Baggerarbeiten in einem Neubaugebiet in Barmstedt entdeckt. Sie wird Freitag entschärft, 2115 Menschen müssen dafür ihre Wohnungen verlassen. © HA | Florian Sprenger - Westküsten-News

Im Fall der Fliegerbombe von Barmstedt handele es sich um einen sogenannten Zufallsfund, der leider nie völlig auszuschließen und dem sogenannten „Lebensrisiko“ zuzuordnen ist. „Bombenangriffe auf die Gemeinde Barmstedt sind nicht bekannt“, so LKA-Sprecherin Jeschke weiter.

Auch nachträgliche Recherchen hätten keine Hinweise auf Bombenangriffe, vorhandene Trichter, bisherige Bombenfunde oder ähnliches für die Stadt ergeben. Lediglich ein Angriff, vermutlich mit Luft-Boden-Raketen von alliierten Jagdflugzeugen zum Ende des Krieges auf eine vermeintliche Truppenansammlung auf dem Marktplatz von Barmstedt, sei dokumentiert.

Bombe im Neubaugebiet gefunden: Dort entstehen die letzten von 13 Einfamilienhäusern

Die Martens & Kühl GmbH, ein Maklerunternehmen aus Uetersen, war der Vorbesitzer der 1,1 Hektar großen Fläche im Bereich Jittkamp, auf der 13 Einfamilienhäuser auf Grundstücken mit Größen zwischen 560 und 770 Quadratmetern entstehen.

Die letzten Grundstücke im Bebauungsplan 77 der Stadt Barmstedt wechselten im Vorjahr den Besitzer, die Erschließung wurde im ersten Halbjahr 2023 ebenfalls abgeschlossen. Inzwischen haben die meisten der Neu-Eigentümer ihre Bauvorhaben bereits abgeschlossen, es existieren nur noch wenige Baulücken.

Bombenfund: Verkäufer der Fläche hat „so etwas in Jahrzehnten nicht einmal erlebt“

Seit Jahrzehnten erschließt und verkauft das Uetersener Maklerunternehmen Grundstücke, hat auch ganze Neubaugebiete wie einst etwa die Schafweide in Moorrege im Portfolio. „So etwas wie jetzt mit der Bombe ist bei uns noch nie passiert“, sagt Michael Martens, einer der Firmenchefs. Er erinnere sich nur an einen alten Öltank, der einmal auf einem der Grundstücke zutage gefördert wurde und von dessen Existenz niemand wusste.

Im Neubaugebiet Bei den alten Eichen wurde eine der letzten freien Flächen in Angriff genommen, als der Baggerfahrer auf die Bombe stieß.
Im Neubaugebiet Bei den alten Eichen wurde eine der letzten freien Flächen in Angriff genommen, als der Baggerfahrer auf die Bombe stieß. © HA | Florian Sprenger - Westküsten-News

Die Fläche in Barmstedt sei teilweise eine Wiese gewesen, zum anderen Teil habe man dortigen Grundstückseigentümern Teile ihrer Flächen abgekauft. „Es handelte sich nicht um eine Verdachtsfläche, auch während des Bauleitverfahrens ist niemals ein solcher Verdacht geäußert worden“, so Martens weiter.

Um für die künftigen Besitzer eine Baugrundvorerkundung vorzunehmen, habe sein Unternehmen zehn Bohrungen auf der Fläche gemacht. „Wir sind bis auf vier Meter runtergegangen.“ Auch für den Bau der Ver- und Entsorgungsleitungen seien tiefergehende Eingriffe in den Boden erfolgt.

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„Wir haben die ganze Erschließung inklusive der Straße gemacht“, so Martens weiter. Auch habe man alle Grundstücke einmal angefasst, um sie in einem baufähigen Zustand an die künftigen Eigentümer zu übergeben. Es habe keinerlei Auffälligkeiten gegeben. Sein Fazit: „Das war offenbar einfach Pech.“

Grundstückseigentümer können sich übrigens auch selbst an den Kampfmittelräumdienst wenden und eine Überprüfung ihrer Fläche auf Kampfmittel beantragen. Dies erfolgt in der Regel durch eine Auswertung von historischen Materialien wie Luftbildern, Zeitzeugenaussagen oder weiteren Dokumenten.

Eigentümer müssen in bestimmten Fällen Kosten für Sondierungen tragen

Die Kosten für diese Auswertung trägt dann der Eigentümer. Und: Sollten sich Auffälligkeiten ergeben, sind zwingend Sondiermaßnahmen wie etwa Bohrungen die Folge. Diese Kosten muss ebenfalls der Grundstückseigentümer tragen.

Die Stadt Barmstedt hat inzwischen alle Anwohner, die in der Sperrzone wohnen, per Handzettel informiert. Sie müssen bis spätestens 8 Uhr am Freitag ihre Häuser und Wohnungen verlassen haben. Die Stadt vermutet, dass trotz des immensen Aufwandes nicht alle Betroffenen Kenntnis von der Aktion erhalten haben.

Evakuierung bis 8 Uhr: Anwohner sollten sich gegenseitig informieren

Sie bittet die Anwohner, sich gegenseitig zu informieren. Insbesondere sollte an Personen gedacht werden, die kein Deutsch sprechen. Eine Information der Bevölkerung wird auch über die einschlägigen Warn-Apps erfolgen. Welche Straßenzüge genau betroffen sind, kann unter dem Link https://www.vg-barmstedt-hoernerkirchen.de/aktuelles/details/news/infos-zur-bombenentschaerfung auf der Homepage der Stadt nachgesehen werden.

Anwohner, die Hilfe beim Verlassen ihre Wohnungen benötigen, werden gebeten, sich frühzeitig unter der Servicenummer der Stadtverwaltung unter Telefon 04123/68 13 50 zu melden. Diese Hotline ist inzwischen freigeschaltet. Als Unterbringungsmöglichkeit für Betroffene, die nicht anderweitig unterkommen können, steht ab 7 Uhr am Freitag die Jugendbildungsstätte an der Straße Düsterlohe zur Verfügung.

Bombenentschärfung am Freitag: Stadt rechnet mit Dauer bis zum frühen Nachmittag

Sobald die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, DLRG, THW und der Stadt sicherstellen können, dass sich niemand mehr im Sperrbereich aufhält, beginnen die Experten des Kampfmittelräumdienstes Schleswig-Holstein mit der Entschärfung der Bombe.

Das könnte im Optimalfall gegen 10 Uhr beginnen. Angaben zur Dauer können nicht gemacht werden. Sollten keine Komplikationen auftreten, könnte ein Zeitraum von 30 bis 45 Minuten realistisch sein. Die Stadt baut jedoch vor und gibt bekannt, von einer Aufhebung der Evakuierung erst in den frühen Nachmittagsstunden auszugehen. Die Polizei will am Freitag in den sozialen Medien über den Verlauf des Einsatzes informieren.