Elmshorn/Itzehoe. Jörg T. aus Elmshorn soll Patienten behandelt und einen 12 Jahre alten Jungen sexuell missbraucht haben. Nun nahm er Stellung.

Laut Anklage ist er ein Hochstapler und ein Kinderschänder: Jörg T. aus Elmshorn. Der 62-Jährige, der jahrelang unberechtigterweise einen Doktortitel führte und als angeblicher Privatarzt sogar Patienten behandelte, muss sich seit Ende April vor dem Landgericht Itzehoe verantworten.

Die schwersten Vorwürfe gegen den falschen Mediziner betreffen den sexuellen Missbrauch eines zu Beginn der Taten zwölf Jahre alten Jungen. Am zweiten Prozesstag vor der 15. Großen Strafkammer hatte der in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte das Wort. Seine Lebensbeichte fand jedoch hinter verschlossenen Türen statt – dafür hatte Verteidiger Jesko Baumhöfener gesorgt.

Einlassung des Elmshorners finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt

Der hatte kurzfristig einen entsprechenden Antrag eingebracht, sah die schutzwürdigen Interessen seines Mandanten verletzt. Die Richter unter Vorsitz von Rebecca Knof gaben dem Antrag nach längerer Beratung statt. „Es kommen Dinge aus dem persönlichen Lebensbereich des Angeklagten zur Sprache, die seine Intimsphäre betreffen“, so die Richterin.

Der Versuch des Verteidigers, auch weitere Teile der Hauptverhandlung hinter verschlossene Türen zu verlegen, lehnten die Richter allerdings ab. So wollte der Anwalt auch die Krankengeschichte seines Mandanten lieber nicht öffentlich erörtern. In dem Verfahren steht im Raum, ob Jörg T. im Falle einer Verurteilung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus drohen könnte.

Psychiater muss die Schuldfähigkeit des Angeklagten beurteilen

Das Gericht hat den renommierten Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. Thomas Bachmann, mit einer Untersuchung des Angeklagten beauftragt. Es geht um eine mögliche Erkrankung des 62-Jährigen, die Auswirkungen auf seine Schuldfähigkeit haben könnte. Und es geht um eine Einweisung in den Maßregelvollzug – und sogar eine mögliche Sicherungsverwahrung.

Jörg T. ist seit 2015 wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen vorbestraft. Als er ab Sommer 2016 weitere Taten dieser Art begangen haben soll, stand er unter Bewährung. Betroffen ist ein zu Beginn der Taten zwölf Jahre alter Junge, zu dessen Ersatzvater der heute 62-Jährige geworden war. Der leibliche Vater des Jungen war zuvor verstorben. Jörg T., der mit der Familie befreundet war, sprang ein – und nutzte das Vertrauensverhältnis laut Anklage zur Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse aus.

Angeklagter soll die sexuellen Übergriffe auf Video aufgezeichnet haben

Von Masturbation und Oralverkehr in mehreren Fällen ist in der Anklage die Rede. Und davon, dass der Angeklagte die sexuellen Übergriffe aufzeichnete. Die Aufnahmen wurden bei ihm gefunden, ebenso wie weitere kinderpornografische Dateien. Zudem soll Jörg T. eine Vollmacht gefälscht haben, um den Eindruck zu erwecken, Entscheidungen für die Familie des missbrauchten Jungen treffen zu können.

Die Opferfamilie vertraute dem Angeklagten. Der führte einen Doktortitel, ist Geschäftsführer einer eigenen Computerfirma mit namhaften Kunden, residierte in einer feudalen Villa an einer der exklusivsten Straßen Elmshorns. Am Haus prangte laut Anklage auch ein Schild, das den Elmshorner als Privatarzt auswies. Die Arztauskunft im Internet führt den 62-Jährigen weiterhin als praktischen Arzt in Elmshorn, der die Berufsbezeichnung Dr. med besitzen soll. Auch eine Telefonnummer sowie werktägliche Sprechzeiten werden angegeben.

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Doch bis auf die Computerfirma, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, ist alles nur Fassade. Der Angeklagte soll weder Medizin studiert noch promoviert haben. Laut Anklageschrift fälschte er eine Approbationsurkunde und stellte am 29. Juli 2022 einen Aufnahmeantrag bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein, dem auch entsprochen wurde. Daraufhin ließ sich Jörg T. als Kandidat für die Kammerwahl im Juni 2023 aufstellen.

In der Anklageschrift werden drei Zeugen aufgelistet, denen gegenüber sich der Angeklagte als Arzt ausgegeben haben soll. Mal behauptete er demnach, Notarzt, mal Anästhesist, mal Amtsarzt zu sein. Laut Anklageschrift nahm dieser im Jahr 2021 auch Corona-Impfungen in seiner angeblichen Praxis vor. Ein Zeuge wird aufgeführt, der sowohl die Erst- als auch die Auffrischungsimpfung bekam – im Glauben, einen richtigen Doktor vor sich zu haben.

Missbrauchsprozess: Große Strafkammer wird Urteil frühestens im Juli verkünden

Wie Jörg T. die angeklagten Fälschungen und Schummeleien dem Gericht erklärte, auch das bleibt angesichts des Ausschlusses der Öffentlichkeit zunächst unklar. Die Kammer wird in den folgenden sechs Terminen die Beweisaufnahme mit der Vernehmung von Zeugen fortsetzen. Als Erstes ist die Mutter des mutmaßlichen Missbrauchsopfers geladen, das inzwischen volljährig ist und sich dem Prozess als Nebenkläger angeschlossen hat. Ein Urteil könnte frühestens im Juli fallen.